Wissenschaft wird vor allen Dingen davon weitergetrieben, dass der Mensch von Natur aus neugierig ist. Auf die Erkenntnis „ich denke, also bin ich“ folgt meist auch direkt die Frage „aber warum bin ich eigentlich?“. Diese lässt sich sowohl als Sinnfrage („42„) als auch als Existenzfrage verstehen. Für das eine sind meist Philosophen zuständig, für das andere – in letzter Konsequenz – Physiker. Stellschrauben, an denen man drehen kann, damit das Universum auch so aussieht, wie es das heute tut, gibt es viele. In diesem Blog wird es um eine davon gehen. (Titelbild: Aufgehende Erde über dem Mond, NASA / Bill Anders [Public domain], via Wikimedia Commons.)

Alles hätte so einfach sein können. Vor 13,8 Millarden Jahren dachte sich eine Sigularität, es wäre doch ganz lustig, wenn es auch Raum, Zeit und Energie gäbe. (Wir reden hier über so etwas wie ein null-dimensionales Objekt in einer raum- und zeitlosen Umgebung – etwas das die Theorien dazu zunächst auch einmal nicht beschreiben wollen.) Was dann geschah, nennen wir Urknall. Aus der Energie entstanden mit der Zeit Teilchen/Antiteilchen-Paare (wir erinnern uns: nach Einstein ist Masse und Energie äquivalent) und zwar von all jenen Bausteinen, die wir heute in unserem Universum-Baukasten finden. Das Universum war noch klein, dicht und heiß und es fanden sich daher auch immer wieder Teilchen-Antiteilchen-Paare, die sich gegenseitig vernichtet haben. Dieses Spiel ging hin und her bis mit größer werdendem Universum die Wahrscheinlichkeit, dass sich solche Paare fanden, immer kleiner wurde. Nun war genug Zeit, dass sich komplexere Materie und Antimaterie bilden konnte (z.B. Protonen und Neutronen bzw. Antiprotonen und Antineutronen).

Sterne? Basierend auf einem Foto von darkmoon1968, CC0 1.0 (via pixabay)

Sterne? Basierend auf einem Foto von darkmoon1968, CC0 1.0

Wäre die Natur nun langweilig, hätte sich die ursprüngliche Teilchen-Antiteilchen Symmetrie gehalten und es hätte letztendlich genauso viel Materie wie Antimaterie gegeben. In den 13,8 Millarden Jahren bis heute hätten sich die Materie und die Antimaterie dann wahrscheinlich vollständig vernichtet: das Universum wäre bis auf eine große Menge an Energie leer – aus heutiger Sicht also nicht sehr spannend. Der Sternenhimmel würde dann eher so aussehen, wie auf der linke Seite des nebenstehenden Bildes und nicht wie auf der rechten – mal davon abgesehen, dass wohl niemand da wäre, der sich diesen leeren Himmel würde anschauen können.

Wir hatten aber Glück. Irgendwie blieb genug Materie übrig, dass wir, die Planeten, die Sonne, die Milchstraße und alle anderen Galaxien entstehen konnten. Nun könnte man denken, dass es dann ja auch irgendwo entsprechend viel Antimaterie im Universum geben müsste. Das scheint wohl nicht so zu sein – zumindest hat man noch nichts gefunden. Gesucht wird aber weiterhin auch danach, z.B. mit dem AMS Spektrometer auf der ISS.

Wenn das Universum also nirgendwo ein Antimaterie-Depot hat, muss es irgendwo in dem ganzen Prozess der Paarbildung und der Paarvernichtung etwas gegeben haben, dass das, was wir heute Materie nennen, bevorzugt hat. In der Physik nennt man so etwas Symmetriebrechung: eine eigentlich vorhandene grundlegende Symmetrie (hier im Ergebnis zwischen Materie und Antimaterie) wird nicht immer erfüllt. Für einen Physiker sind das die spannendsten Fälle: aus der Art und Weise wie eine Symmetrie gebrochen wir können wir viel über die zugrunde liegenden Naturgesetze lernen.

Die Symmetriebrechung, um die es hier geht, ist die sogenannte CP-Verletzung (dazu mehr in einem späteren Artikel). Das Interessante hierbei ist, dass man zwar bereits Mechanismen kennt, die eine solche Verletzung erzeugen, aber diese reichen nicht, um den Materieüberschuss im Universum zu verstehen. Der Unterschied ist so groß, dass es in etwa damit vergleichbar wäre, wenn es auf der Erde nur einen Mann und 8 Millarden Frauen gäbe und man das erklären müsste …

Ein zusätzlicher Mechanismus zur Symmetriebrechung würde nicht nur die Materie-Antimaterie Asymmetrie erklären, sondern hätte auch andere Auswirkungen – und genau diese sind es, die Physiker auf die verschiedensten Arten und Weisen suchen. Da setzt auch das Projekt an, das wir in der JEDI Kollaboration verfolgen. Wir denken, dass wir mit dem COSY Beschleuniger hier am Forschungszentrum ideale Voraussetzungen haben um eine ganz spezielle physikalische Eigenschaft von Protonen bzw. Deuteronen messen zu können: ein permanentes elektrisches Dipolmoment. Und genau da wird es beim nächsten Mal weitergehen 🙂

About Volker Hejny

Volker Hejny ist Wissenschaftler am Institut für Kernphysik und arbeitet seit einiger Zeit innerhalb der JEDI Kollaboration an der Möglichkeit permanente elektrische Dipolmomente (EDMs) von Protonen und Deuteronen mit der Hilfe von Speicherringen zu messen, um damit zu erklären, wieso es im Universum fast nur Materie, aber kaum Antimaterie gibt.

2 Responses to “Viel Lärm um „Nichts“”

  1. Tobias Cronert

    Schöner Beitrag. Ich freue mich immer sehr über Grundlagenphysik und die Frage „Warum gibt es uns eigentlich?“ ist, wenn ich ehrlich bin, auch schon sehr sexy im Gegensatz zu „Wie können wir noch bessere Computer/Festplatten bauen?“.
    Ich war letzte Woche das erste mal im COSY und bin noch nachhaltig beeindruckt. Ich hoffe wir können bald auch mal zum Messen bei euch vorbei kommen.

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