Dr. Christoph Bäumer arbeitet als „Marie-Skłodowska-Curie Fellow“ der EU an der RWTH Aachen, dem Forschungszentrum Jülich und der Stanford University in den USA. Hier im Blog erklärt er uns, wie er in sieben Schritten hauchdünne Katalysatoren entwickelt, um aus Wasser Wasserstoff als Energieträger herzustellen.
von Christoph Bäumer
1. Wasserstoffherstellung im Speziallabor
Schon seit über 200 Jahren wissen wir, dass wir durch die elektrochemische Wasserspaltung, die Elektrolyse von Wasser, Wasserstoff und Sauerstoff herstellen können. Dabei wird elektrische Energie in chemische Energie umgesetzt und kann so gespeichert werden. Und doch ist die Elektrolyse gerade in den letzten Jahren wieder Gegenstand der internationalen Spitzenforschung. Denn die Speicherung und Transport von überschüssiger Energie aus erneuerbaren Energiequellen in Form von Wasserstoff ist noch nicht effizient genug, um sie gewinnbringend für mobile Anwendungen oder zur Rückverstromung bei sogenannten „Dunkelflauten“ zu nutzen (also in Zeiten in denen Sonnen- und Windenergie nicht ausreichen, um unseren Strombedarf zu decken).
Deshalb erforschen wir Katalysatoren, die diese elektrochemische Reaktion beschleunigen. Unsere besondere Herangehensweise ist dabei die Untersuchung hauchdünner Schichten von sauerstoffhaltigen Verbindungen (Oxiden). Diese Materialien besitzen häufig besondere elektronische Eigenschaften und wir können sehr genau definieren, welche atomaren Lagen an der Oberfläche liegen sollen. Zusammen mit modernsten Untersuchungsmethoden eröffnet uns diese Herstellungsweise tiefe Einblicke in ihre Funktionsweise und ermöglicht so das Aufstellen von Regeln für besonders effiziente Katalysatoren. Weil Verunreinigungen aus der Umgebungsluft die Oberfläche der dünnen Schichten verändern können, führen wir alle Prozesse im Ultrahochvakuum durch. Dazu nutzen wir die Jülicher Oxid-Cluster-Anlage am Peter Grünberg Institut (PGI-7, Prof. Regina Dittmann). Das ist ein einmaliger Zusammenschluss verschiedener Herstellungs- und Untersuchungsmethoden, die eine Probe durchlaufen kann, ohne der Umgebung mit ihren Einflüssen durch Verunreinigungen ausgesetzt zu werden. Der Druck in der Anlage ist über 10 Milliarden Mal geringer als der Umgebungsdruck.
2. Beschuss mit Laserstrahlen
Um die Oxidschichten nach unseren Vorstellungen herstellen zu können, beschießen wir eine Keramik aus dem gewünschten Material im Oxid-Cluster mit hochenergetischen Laserpulsen. Das Material wird stark erhitzt und es entsteht ein Plasma, ein spezielles Teilchengemisch (hellblauer Fleck im Foto), das sich als dünne Schicht auf der Oberfläche eines Trägermaterials abscheidet. Durch dieses Verfahren entsteht eine hauchdünne Schicht mit einer geordneten Kristallstruktur mit geringer Anzahl an Störungen. Außerdem lassen sich Oberflächen bis auf einzelne Atomschichten genau herstellen.
3. Transfer im Vakuum
Zu weiteren Untersuchungen werden die Proben in einen anderen Teil der Anlage transportiert. Dazu schieben wir sie mit einem Greifarm in einen magnetischen Transportschlitten. Mit dieser fährt man die Probe dann in einer stahlummantelten Röhre zur nächsten Station.
4. Die Oberfläche abtasten
Mit dem Rasterkraftmikroskop können wir dann die Struktur der Probenoberfläche erfassen. Dazu fährt eine feine Spitze am Ende einer Blattfeder (Bildmitte, oberhalb des goldfarbenen Tellers) über die Probenoberfläche. Durch die Auslenkung der Feder lässt sich die Beschaffenheit der Oberfläche abbilden. Üblicherweise ist die Oberfläche unserer Proben sehr glatt – man spricht von „atomar definierten Oberflächen“, weil die Höhenunterschiede der Oberfläche nur eine atomare Lage betragen.
5. Die Zusammensetzung untersuchen
Mithilfe von Photoelektronenspektroskopie bestimmen wir dann die wichtigsten Eigenschaften, die die Eigenschaften der Probe als Katalysator zur Herstellung von Wasserstoff bestimmen: Die elektronischen Zustände und die chemische Zusammensetzung der Probenoberfläche. Die Probe (im Bild unten, auf dem silbrig glänzenden Probenteller) wird mit Röntgenstrahlen beschossen (mit dem silbernen Bauteil im Bild rechts oben). Die Röntgenstrahlen erzeugen für die Probe charakteristische Elektronen, sogenannte Photoelektronen. Diese werden von einem Analysator (kupferfarbenes Bauteil im Bild oben links) erfasst. Ihre Energie und Intensität erlauben Rückschlüsse auf die atomare Beschaffenheit der Probenoberfläche.
Aus unserer Sicht ist dieser Schritt besonders wichtig, weil es gerade die Oberflächenzusammensetzung und ihre elektronischen Eigenschaften sind, die für effiziente Katalysatoren ausschlaggebend sind: An dieser Oberfläche wird das Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff geteilt. Damit das gelingt, muss die Oberfläche genau für die beteiligten Moleküle angepasst sein.
6. Die Katalysatoreigenschaften testen
Im letzten Schritt untersuchen wir dann die katalytische Leistungsfähigkeit des Materials. Dazu überführen wir die Probe aus dem Ultrahochvakuum der Anlage in eine Handschuhbox mit Schutzgasatmosphäre. Um dann die atomar definierten Oberflächen zur Wasserspaltung nutzen zu können, ist ein besonderer Versuchsaufbau notwendig, den wir mit unseren Kollegen an der Stanford University entwickelt haben. So wird die Oxidschicht als eine von drei „Elektroden“ in wässrige Elektrolytlösung gebracht und eine Spannung angelegt. Bei ausreichenden Spannungen wird das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Wir messen dabei über den elektrischen Strom die entstehende Gasmenge und verstehen so den Zusammenhang zwischen katalytischer Aktivität und den vorher bestimmten Eigenschaften der Probenoberfläche. So erhalten wir Einblicke in die Struktur-Eigenschaftsbeziehungen, um möglichst effiziente Katalysatoren entwickeln zu können.
7. Weiterführende Untersuchungen am Synchrotron
Um zu verstehen, wie die Katalysatoren sich im Verlauf der Zeit verändern, und was genau an der Grenzfläche zwischen Oxid und wässriger Lösung passiert, werden die erfolgversprechendsten Proben dann mit unseren amerikanischen Kollegen am Synchrotron weiter untersucht, wo wir mithilfe besonders intensiver Röntgenstrahlung verschiedene Eigenschaften der Probe während des Katalyseprozesses und während der Probenalterung erforschen können.
Insgesamt wollen wir so verstehen, wie die Zusammensetzung der Katalysatoroberfläche die Aktivität bestimmt. So können wir wichtige Design-Regeln für großskalige Elektrolyse-Einheiten aufzeigen und dazu beitragen, dass Wasserstoff möglichst effizient hergestellt werden kann, ohne dass dabei teure oder seltene Materialien genutzt werden müssen. So kann erneuerbare Energie gespeichert und transportiert werden.
Vielen Dank für den sehr interessanten Beitrag zum aktuellen Stand der Wasserstoff-Forschung. Es wäre noch interessant gewesen, eine Anmerkung zu den Aussichten und den zeitlichen Perspektiven der wirtschaftlichen Umsetzbarkeit zu erhalten. Auf der Wasserstoff-Nutzung ruhen derzeit die Hoffnungen vieler umweltfreundlicher Menschen, die aber nicht die industrielle Basis der Bundesrepublik (durch Verbote) gefährden wollen. Schweden und Norwegen sind in der Umsetzung schon weiter, gibt es da Kooperationen?
Lieber Herr Friedrich, vielen Dank für Ihren Kommentar und die Nachfrage. In der Tat ist die wirtschaftliche Umsetzbarkeit eine ganz zentrale und drängende Frage. In diesem Projekt betreiben wir ausschließlich Grundlagenforschung, von der wir aber hoffen, dass sie zur Wirtschaftlichkeit von Wasserstoffherstellung durch Elektrolyse beitragen wird. Denn auf dem Weg zur Wasserstoff-Gesellschaft ist die bisher ineffiziente Elektrolyse, die noch dazu teure und seltene Materialien benutzt, das limitierende Element, der Bottleneck. Kooperationen für unser Projekt bestehen zu den USA, den Niederlanden und anderen deutschen Forschungsinstituten.
Neben den von uns erhofften Fortschritten in den Katalysatormaterialien gibt es auch in Deutschland Ansätze zur Verbesserung der wirtschaftlichen Umsetzbarkeit. Für verschiedene Fördermöglichkeiten, die aus unserer Sicht dringend eingeführt werden sollen, möchte ich auf folgenden Übersichtsartikel verweisen: https://www.spektrum.de/news/power-to-x-technologien-sind-reif-fuer-den-markt/1658524?fbclid=IwAR34tgSwc_tL8Khht8XjjMjn11TCKVJSIEaJT9XRLh_tFG9V4vajfeIMHgY. Kurz zusammenfasst wird hier erklärt, dass Wasserstoffherstellung und -nutzung schnell rentabel werden können, wenn mit kurzfristiger, hoher und gezielter Förderung Skalierungseffekte wirksam werden.
Unsere Bundesregierung hat vor kurzem das ambitionierte Ziel ausgerufen, dass „Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt wird“. Damit das gelingt, soll bis Ende 2019 ein Fahrplan entwickelt werden. Wir hoffen darauf, dass er eine umfassende Förderung bietet, um das große Potential der Wasserstofftechnologien so auszunutzen, dass sowohl wirtschaftliche Interessen als auch die Notwendigkeit der schnellen Einführung CO2-freier Technologien berücksichtigt werden. Wir sehen darin eine große Chance.
Quelle für das Zitat der Bundesregierung:
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2019/20191009-altmaier-deutschland-soll-bei-wasserstofftechnologien-nummer-1-in-der-welt-werden.html
Viele Grüße aus Kalifornien,
Christoph Bäumer