Mit der Projekterweiterung „P2G++“ hat nun auch das Thema Wasserstoff-Sicherheitsforschung Einzug im LLEC gehalten. Das neue Team „Hydrogen Safety“ bringt hierzu langjährige Erfahrung aus der nuklearen Sicherheitsforschung mit, ist aber auch schon seit vielen Jahren im internationalen Netzwerk HySafe und im Europäischen Wasserstoff-Sicherheitspanel aktiv. Im Rahmen des Living Labs werden wir uns mit wissenschaftlichen Arbeiten zu Sicherheitsaspekten der im LLEC entwickelten und zum Einsatz kommenden Wasserstoff-Technologien befassen.
Viele Menschen denken beim Thema Wasserstoff sofort an das damit verbundene Risiko.
Quelle: Gus Pasquerella – http://www.lakehurst.navy.mil/nlweb/images/1213d.gif, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=632191
Warum denken viele Menschen beim Thema Wasserstoff sofort an das damit verbundene Risiko? Klar, es hat in der Vergangenheit spektakuläre Unfälle gegeben. Da wäre zum Beispiel das Luftschiff „Hindenburg“ zu nennen, das im Jahr 1937 bei der Landung in Lakehurst in Flammen aufgegangen ist. Da das dramatische Ereignis live im Rundfunk übertragen wurde (und sich zudem drei Jahrzehnte später auf einem legendären Plattencover millionenfach verkauft hat), ist dieses Ereignis fest im amerikanischen Gedächtnis verwurzelt. Oder der Reaktorunfall im japanischen Fukushima aus dem Jahr 2011, wo die Videos der Wasserstoffexplosionen in den Reaktorgebäuden viral um die Welt gingen.
Unfälle bei der technischen Nutzung anderer brennbarer Gase, wie z.B. Erdgas, sind weltweit an der Tagesordnung. Wasserstoff wird seit Jahrzehnten sicher im großindustriellen Maßstab z.B. in der chemischen Industrie genutzt. Trotzdem weckt die Vorstellung, Wasserstoff zukünftig in vielseitigen Anwendungen zu nutzen, bei vielen Menschen besondere Ängste.
Es ist unbestritten, dass Wasserstoff einige Eigenschaften besitzt, die von besonderer Sicherheitsrelevanz sind. Da wäre zum einen die geringe Dichte (14-mal leichter als Luft), die dazu führt, dass es leichter zu Leckagen kommen kann als bei anderen Gasen. Zudem hat Wasserstoff einen sehr breiten Zündbereich (etwa 7 mal breiter als für Erdgas), was bedeutet, dass sich einfacher brennbare Gemische mit Luft bilden können. Für Wasserstoff/Luft-Gemische ist die Zündenergie um den Faktor 10 niedriger als bspw. für Erdgas/Luft-Gemische. Die hohe Flammengeschwindigkeit ermöglicht dabei einen leichteren Übergang zu Detonationen und hohen Verbrennungsdrücken.
Doch nicht alle Eigenschaften sind aus sicherheitstechnischer Sicht bedenklich. So sorgt die hohe Diffusivität dafür, dass sich Wasserstoff leicht verteilt und sich damit auch schneller verdünnen lässt. Die hohe Verbrennungsgeschwindigkeit in Verbindung mit der hohen Auftriebsneigung sorgt auch dafür, dass Brände glimpflicher verlaufen können, wie in diesem Video eindrucksvoll gezeigt wird:
Wie man sieht, ist Wasserstoff also nicht per se gefährlicher als andere Energieträger. Vielmehr kommt es darauf an, für den jeweiligen Anwendungsbereich geeignete Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Aufgrund der zahlreichen Neu- und Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Wasserstofftechnologien ist die Wasserstoffsicherheit daher ein sehr dynamisches Forschungsthema, in dem der Stand der Technik kontinuierlich erweitert wird. Die International Association HySafe veranstaltet bspw. im jährlichen Wechsel Tagungen (International Conference on Hydrogen Safety) und sogenannte „Research Priorities Workshops“, innerhalb derer ein kontinuierlicher Austausch zwischen Wissenschaftler:innen und Industrie stattfindet. Hierbei wird der Fortschritt dokumentiert und Wissen publiziert, das die Aktualisierung und Erweiterung der technischen Regelwerke und Sicherheitsvorschriften ermöglicht.
Neu entwickelte Wasserstofftechnologien stellen eine besondere Herausforderung dar.
Eine besondere Herausforderung stellen Wasserstoff-Technologien dar, die erst neu entwickelt werden, oder die auf neue Art und Weise miteinander kombiniert werden. Hierfür stehen oft noch keine internationalen Regelwerke zur Verfügung. Bezogen auf das LLEC bedeutet das für uns, dass wir neben klassischen Sicherheitsaspekten stets internationale Entwicklungen im Blick haben müssen. In einem ersten Schritt werden wir daher die im LLEC zum Einsatz kommenden Technologien in Bezug auf Sicherheitsrisiken und den Stand der Regelwerke analysieren. Hierbei hilft uns auch ein Blick in die „Hydrogen Incident and Accident Database HIAD2.0“, in der über 700 Unfälle mit Wasserstoff aus der ganzen Welt zusammengetragen sind. Neben Erkenntnissen aus Unfallstatistiken zu besonderen Risiken helfen die hier gesammelten Erfahrungen, Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Einer der ältesten in HIAD2.0 dokumentierten Unfälle ist übrigens das oben erwähnte „Hindenburg“-Unglück.
Bei der Abschätzung von Risiken im Zusammenhang mit Wasserstoff-Technologien spielt nicht nur die vorhandene Wasserstoffmenge eine wichtige Rolle. Die Erfahrung des Anlagenbetreibers im Umgang mit Wasserstoff und dessen Sicherheitskultur sind weitere wesentliche Faktoren. Und nicht zuletzt zeigen die Erfahrungen mit Unfällen – wie auch in anderen Bereichen der Arbeitssicherheit – dass Sicherheitskultur gelebt werden muss. Die Schulung von Mitarbeiter:innen und das Bewusstsein, welche Faktoren eines Arbeitsumfelds direkte Auswirkungen auf die Sicherheit haben, ist hier ein wichtiger Bestandteil.
Das LLEC bietet ein faszinierendes Erprobungsfeld für neue Wasserstofftechnologien. Wir wollen mit unseren Forschungsarbeiten dazu beitragen, dass sie nach einem sicheren Erprobungsbetrieb auch in der Anwendung sicher betrieben werden können. Eine wichtige Frage ist die Verteilung und Ausbreitung von Wasserstoff. Hierzu bedienen wir uns der CFD-Simulation (CFD = „Computational Fluid Dynamics“, auf Deutsch numerische Strömungsmechanik), die es ermöglicht, die Ausbreitung von Wasserstoff bei einer Leckage nachzuvollziehen. Wie wir diese Möglichkeiten einsetzen, um hiermit den Einsatz von Sicherheitsmaßnahmen, wie z.B. Sensoren oder Lüftung zu bewerten und damit zu optimieren, wird Inhalt eines der nächsten Beiträge in diesem Blog sein.
Ist es die geringe Dichte bei Wasserstoff, die zu Leckagen führt oder die geringe Molekülgröße? Ich meine, Styropor hat auch eine geringe Dichte aber eine deutlich geringere Leckageneigung als Wasser.
Und das Video ist wie Äpfel mit Birnen vergleichen:
Da Benzin flüssig ist, läuft es nach unten unters Auto, wenn der Tank undicht ist. Wenn aber der Wasserstofftank undicht ist, steigt das Gas vermutlich ins Auto-Innere und bildet dort ein Wasserstoff-Luft Gemisch und das macht genau was, wenn es sich entzündet?
Das brennt dann nicht so kontrolliert ab wie beim Video mit dem Ventilablass.
Ansonsten hätte man das Benzinvideo mit einem Brand an der Tanköffnung oben drehen müssen, anstelle von ausgelaufenem Benzin.
Hallo Jens,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, bei der Leckage spielt die Molekülgröße eine Rolle, die aber ja – zumindest bei den einfachen technischen Gasen – mit der Dichte im Zusammenhang steht.
Dein Kommentar zum Video ist zutreffend – aber auch aus einem Vergleich von Äpfeln mit Birnen lässt sich etwas lernen! Es kommt nur auf den Sachzusammenhang an.
Der vorliegende Fall zeigt, dass es für eine Sicherheitsbewertung nicht ausreicht, die Eigenschaften unterschiedlicher Energieträger miteinander zu vergleichen. Je nach Situation wirken sich diese Eigenschaften unterschiedlich aus. Ein flüssiger Brennstoff neigt dazu, sich unterhalb der Leckagestelle zu sammeln, so dass bei einer Entzündung ein Poolbrand mit einer zeitlich andauernden Brandlast entsteht. Ein flüchtiges Gas wie Wasserstoff kann dagegen leichter abgeführt und gfs. gezielt abgebrannt werden. Ob das z.B. in einer Garage immer noch so harmlos aussehen würde, steht sicher auf einem anderen Blatt…
Viele Grüße,
Ernie Reinecke