Wasserstoff ist nicht nur ein Energie-, sondern auch ein Hoffnungsträger im Zuge der Transformation des Energiesystems. An vielen Stellen soll er beispielsweise das bisher eingesetzte Erdgas gänzlich oder in Form einer Beimischung teilweise ersetzen. Ebenso wie Erdgas ist Wasserstoff unsichtbar, verhält sich aufgrund seiner thermophysikalischen Eigenschaften bei Leckagen jedoch anders. Dieser Umstand stellt neue Herausforderungen an deren Detektion. CFD-Simulationen helfen, diesen zu begegnen.

Grafik: Khaled Yassin

Sensoren richtig positionieren – aber wie?

Über die thermophysikalischen Eigenschaften von Wasserstoff, die dessen Sicherheitseigenschaften maßgeblich beeinflussen, wurde ja im letzten Blog (https://go.fzj.de/llecblog_H2Sicherheit ) schon ausführlich gesprochen. Wesentliche Punkte sind die im Vergleich zu Erdgas sehr geringe Dichte, der große Zündbereich bei Mischungen mit Luft, die geringe erforderliche Zündenergie sowie die hohen Verbrennungsgeschwindigkeiten. Besondere Aufmerksamkeit wird daher darauf gelegt, Wasserstoff-Leckagen zu vermeiden, indem die richtigen Materialien für Leitungen und Dichtungen gewählt werden und soweit wie möglich auf die Verwendung von Verschraubungen verzichtet wird. Darüber hinaus werden spezielle Sensoren eingesetzt, mit denen Wasserstoffleckagen detektiert werden können. Wird die Anwesenheit von Wasserstoff erkannt, sendet der Sensor ein Signal, das als Auslöser für unterschiedliche Sicherheitsmaßnahmen genutzt werden kann. Denkbar sind z.B. akustische Alarme oder optische Anzeigen in der Betriebswarte, so dass geschulte Mitarbeiter in den Prozess eingreifen können. Oftmals werden auch automatische Maßnahmen eingeleitet. So kann das Sensorsignal z.B. ein Magnetventil auslösen, das die weitere Zufuhr von Wasserstoff unmittelbar unterbindet.

Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob sich die installierten Sensoren an der richtigen Position befinden, also dort, wo sich der austretende Wasserstoff hinbewegt. Hier kommt eine Eigenschaft des Wasserstoffs ins Spiel, die in diesem Zusammenhang etwas Positives bewirkt. Die geringe Dichte sorgt nämlich dafür, dass Wasserstoff in nahezu allen Fällen einen starken Auftrieb erfährt, also sich im Raum vertikal nach oben ausbreitet. Die Platzierung der Sensoren unmittelbar unterhalb der Decke ist also zunächst einmal sinnvoll. Aufgrund seiner hohen Diffusivität verbreitet sich Wasserstoff auch häufig schnell in horizontaler Richtung, so dass auch nicht unmittelbar in Lecknähe platzierte Sensoren eine gute Chance haben, die Leckage zu bemerken. Andererseits kann es bei großen und komplexen Anlagen dennoch schwierig sein, optimale Platzierungen zu finden und gleichzeitig die Anzahl der Sensoren nicht unnötig hoch zu wählen.

Computational Fluid Dynamics (CFD)

Vor diesem Hintergrund erfolgt die Unterstützung durch sogenannte CFD-Simulationen. CFD steht für „Computational Fluid Dynamics“, und lässt sich am besten mit „numerische Strömungsmechanik“ übersetzen. Hierbei wird der zu betrachtende Raum, z.B. ein technisches Gebäude, mit einem feinen dreidimensionalen Rechengitter durchzogen. Für jede Gitterzellen werden dann drei Bilanzen berechnet (Masse, Impuls und Energie, die sog. Navier-Stokes-Gleichungen), so dass sich z.B. das Strömungsfeld, die Temperaturverteilung oder die Zusammensetzung des Gasgemischs im gesamten Raum zeitlich aufgelöst berechnen lässt. Wie man sich vorstellen kann, ist das rechentechnisch sehr aufwändig. Obwohl wir die Möglichkeit haben, auf den Jülicher Supercomputern zu rechnen, benötigen solche Rechnungen je nach Größe des Raumes und der Länge des betrachteten Zeitraums typischerweise mehrere Tage oder Wochen.

Hinzukommt, dass der Aufwand für solche Simulationen oft nur anhand der langen Rechenzeiten beziffert wird. Doch gerade die jahrelangen, umfangreichen Arbeiten zur Validierung der verschiedenen Modelle sind essentiell, um zuverlässige Ergebnisse zu erzielen. Wir verwenden hierfür den allgemeinen CFD-Code OpenFOAM, den wir an die Aufgabe der Berechnung von Wasserstoffausbreitungen speziell angepasst haben. OpenFOAM ist ein quelloffener Code, der frei verfügbar ist und jedermann die Nutzung ermöglicht. Das gleiche gilt natürlich auch für unsere maßgeschneiderte Version, die wir containmentFOAM (https://go.fzj.de/containmentFOAM ) nennen. Wer sich dafür interessiert, wie die Modelle angepasst wurden und insbesondere, wie anhand von Versuchsdaten aus internationalen Experimenten überprüft wurde, ob das Programm überhaupt richtig funktioniert, den verweisen wir gern auf eine unserer frei verfügbaren Publikationen [Link: https://doi.org/10.3390/en16165993, https://doi.org/10.3390/fluids6030100].

Erster Anwendungsfall im LLEC: Wärmevollversorgungszentrale

Um nun also die Möglichkeiten der CFD-Simulation zur Unterstützung beim Sicherheitsengineering zu verdeutlichen, haben wir als ersten LLEC-Anwendungsfall die Wärmevollversorgungszentrale (WVVZ) (https://go.fzj.de/PM_WVVZ , Abb. links) des Forschungszentrums ausgewählt.

Dort erfolgt die Wärme- und Stromerzeugung heute mit Erdgas, in das nun schrittweise Wasserstoff beigemischt werden soll. Erste Versuche hierzu sind Bestandteil des LLEC-Programms. Konkret haben wir einmal untersucht, was passieren würde, wenn in der Wasserstoffleitung der WVVZ ein Leck auftreten würde.

Bei einer solchen Betrachtung müssen natürlich vorab einige Annahmen getroffen werden, zum Beispiel: Wie groß ist das Leck? An welcher Stelle tritt es auf? In welche Richtung tritt der Wasserstoff aus? Weitere Randbedingungen ergeben sich unter anderem aus dem Betriebsdruck in der Leitung und aus der Wasserstoffmenge, die zum betrachteten Zeitraum durch die Leitung strömt. Außerdem kann berücksichtigt werden, ob die Lüftungsklappen unter der Hallendecke geöffnet sind, so dass dort das Wasserstoff/Luft-Gemisch entweichen kann, ob weitere Lüftungssysteme aktiv sind, und zu welchem Zeitpunkt nach Auftreten der Leckage weitere Maßnahmen erfolgen, wie z.B. das Schließen des Hauptventils. Eine Momentaufnahme dieser Simulation ist beispielhaft in der Abbildung (unten) gezeigt. Der rote Bereich gibt an, in welchem Bereich der Halle ein zündfähiges Gasgemisch vorliegt. Das ist in einem dreidimensionalen Bild gar nicht so einfach darzustellen. Die Neigung des Wasserstoffs, sich unter der Decke auszubreiten ist aber ganz gut zu erkennen.

Grafik: Khaled Yassin

Wie man sieht, lohnt sich letztlich der erhebliche Aufwand für die Simulation: Denn als Ergebnis erhält man wertvolle Informationen über die potentiellen Ausbreitungswege von Wasserstoff, die dabei helfen können, ein Sicherheitskonzept zu optimieren. Nur wenn es gelingt, mithilfe guter Sicherheitskonzepte Unfälle bei der Nutzung von Wasserstoff zu vermeiden, wird ihm die derzeit vielseits erhoffte Rolle in einem künftigen Energiesystem langfristig überhaupt zugewiesen werden.

About Ernst-Arndt Reinecke

Ernst-Arndt Reinecke leitet die Abteilung Sicherheitsforschung am IEK-14. Der promovierte Maschinenbauingenieur forscht seit rund 25 Jahren auf dem Gebiet der Wasserstoffsicherheit mit Schwerpunkt auf der katalytischen Rekombination. Seit 2018 ist er Mitglied des European Hydrogen Safety Panels der Europäischen Clean Hydrogen Partnership. Im LLEC-Projekt ist er Teammanager für den Bereich Wasserstoffsicherheit.

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