Der zukünftige Exascale-Computer „Jupiter“ auf unserem Campus dringt in ganz neue Leistungsbereiche vor. Das Wort Exa bescheibt dabei die Fähigkeit, eine Trillionen Rechenoperationen pro Sekunde durchzuführen. Dazu benötigt der Computer jedoch eine elektrische Leistung von ca. 15-20 MW. Mit Inbetriebnahme des Rechners verdoppelt sich schlagartig der Stromverbrauch des Forschungszentrums. Gleichzeitig erzeugt der Rechner eine entsprechende Menge an Abwärme, die prinzipiell nutzbar ist. Das aktuelle Konzept sieht vor, diese Energie über so genannte Freikühler abzuführen. Diese Anlagen befinden sich auf dem Dach des Gebäudes und verwenden die Umgebungsluft als Kühlmedium.
Die Idee
Motiviert durch die Aktivitäten im Rahmen des LLEC-Projektes (Abwärmenutzung des JUWELS mittels Niedertemperaturnetz), haben sich auf Initiative des LLEC-Teams verschiedene Wissenschafts- und Infrastruktureinheiten ab dem Frühjahr 2021 zusammengeschlossen und in regelmäßigen Treffen verschiedene Optionen diskutiert, die Abwärme des Exascale-Rechners für den Campus nutzbar zu machen. Als ein erstes Ergebnis konnte im Herbst 2021 ein „executive summary“ erstellt werden, welches dem Antrag des JSC auf Errichtung eines Exascale-Computers am FZJ beigefügt werden konnte. Hierbei profitierte das Team insbesondere von der Expertise des IEK-10 im Bereich der Energiesystemtechnik. Zusammen mit dem Know-How und den Erfahrungen des Technischen Bereichs konnte das IEK-10 schließlich im Frühjahr 2022 einen ausführlichen Bericht zu den verschiedenen technischen Optionen der Abwärmenutzung vorlegen.
Mitte 2022 wurde das Team dann auf eine Ausschreibung der Helmholtz-Gemeinschaft aufmerksam. Diese legte eine Projektförderung von Maßnahmen für die klimagerechte Sanierung und den nachhaltigen energetischen Umbau von Helmholtz-Campus auf. Wichtigstes Bewertungskriterium waren dabei das CO2-Vermeidungspotenzial sowie mögliche Betriebskosteneinsparungen. Daraufhin intensivierte man die Aktivitäten hin zur Entwicklung konkreter, quantifizierbarer Szenarien zur Nutzung des Exascale-Abwärmepotenzials, welche auf dem Campus sowohl technisch als auch finanziell umsetzbar sind. Dies mündete schließlich in einen Antrag mit einem Fördervolumen von etwa 14,9 Mio. Euro. Vor kurzem erhielten wir die erfreuliche Nachricht, dass die Jury dieses Projekt mit einer Summe von knapp 13 Mio. Euro für förderwürdig hält (Kürzung aufgrund vieler Projekteinreichungen). Ein toller Erfolg, welcher maßgeblich auf die fachliche Diversität und Kreativität des OE-übergreifenden Teams (u.a. TB, IEK-10, JSC, B, T) zurückzuführen ist.
Die Herausforderung
Eine besondere Herausforderung bestand darin, dass für eine Abnahme signifikanter Wärmemengen ein entsprechend großer Nutzerkreis benötigt wird. Das bestehende Wärmenetz hat eine Gesamtlänge von ca. 34 km und verteilt rund 95 GWh Wärme pro Jahr mit einer Spitzenlast von rund 30 MW. Bis auf wenige Tage im Jahr wäre der Exascale-Computer also prinzipiell in der Lage, einen großen Teil des Campus-Wärmebedarfs zu decken.
Dieser Wärmebedarf des Campus wird ab 2023 von einer neuen auf Erdgas basierenden Energiezentrale (KWKK-Prozess), bestehend aus 3 mal 9 MW Blockheizkraftwerken sowie zwei direkt befeuerten Gaskesseln gedeckt. Zusätzlich ist eine Absorptionskältemaschine (AKM) mit einer Kälteleistung von 5,7MW in der Energiezentrale integriert (vgl. Abb. 1). Diese Anlage erzeugt also neben Strom, auch Wärme und Kälte und arbeitet Wärmegeführt und Strombegrenzt. Aus wirtschaftlicher Perspektive ist es erstrebenswert, möglichst große Strommengen für den Eigenbedarf zu produzieren. Dabei werden jedoch auch immer entsprechend große Wärmemengen erzeugt. Nimmt man keine Wärme ab, kann auch kein Strom erzeugt werden (es sei denn, man möchte die gesamte Wärme weg kühlen). Hier tritt die Nutzung großer Abwärmemengen aus dem Supercomputer also prinzipiell in Konkurrenz zur Energiezentrale.
Zudem liegen die Vorlauftemperaturen des Netzes aktuell zwischen 95°C und 120°C in Abhängigkeit der Außentemperatur. Der Rechner liefert jedoch maximal Temperaturen von ca. 45°C. Die Abwärme muss also mittels leistungsstarker Wärmepumpen auf ein Temperaturniveau gehoben werden, welches die Nutzung der Wärme in den Gebäuden ermöglicht. Hier sind es vor allem die Lüftungsanlagen, deren Vorheizregister oft relativ hohe Temperaturen benötigen. Angesichts der Herausforderungen bei der Umsetzung des vergleichsweise kleinen Niedertemperaturnetzes, welches aus wissenschaftlichen Gründen in jedem Gebäude ein individuell ausgelegtes Wärmepumpensystem (mit aufwendiger technischer Integration und Notbelüftung) und abschnittsweise größere Rohre erfordert, scheint bei dieser Infrastrukturmaßnahme eine zentrale Anhebung der Temperatur in der Nähe des Exascale-Rechners und die Einspeisung in das bestehende Wärmenetz aktuell die aussichtsreichste Option zu sein (vgl. Abb. 4). Damit die zentrale Einspeisung jedoch mit möglichst niedrigem Strombezug zum Betrieb der Wärmepumpen realisiert werden kann, sind Anpassungen des bestehenden Wärmenetzes notwendig, wie beispielsweise eine ganzjährige, deutliche Absenkung der Wärmenetz-Vorlauftemperaturen. Dies wiederum erfordert Sanierungsmaßnahmen an den angeschlossenen technischen Anlagen und in den Gebäuden, die in vielen Fällen aufgrund des Alters der Anlagen jedoch ohnehin notwendig sind. Als Beispiele können die Anpassung von Vorheizregistern in Lüftungsanlagen, der Einbau moderner elektronische Regelungssysteme oder Niedertemperaturheizkörper in den Räumen angeführt werden.
Die Lösung
Wie kann nun der Betrieb der Energiezentrale mit einer Exascale-Abwärmenutzung effektiv kombiniert werden? Die Wärme der BHKW-Motoren reicht nur in etwa 40% des Jahres aus, um den Wärmebedarf des Campus zu decken. Im Rest des Jahres liefern die Gaskessel den verbleibenden Bedarf. Hier setzte das Team an: Wenn es gelänge, die Laufzeit der Gaskessel deutlich zu reduzieren, ohne die BHKW herunterfahren zu müssen, dann könnten große Mengen an Erdgas eingespart werden, ohne Abstriche bei der Eigenstromproduktion zu machen. Dieses Szenario wurde daraufhin in mehreren Iterationen mittels am IEK-10 entwickelten Simulationsmethoden auf seine Realisierbarkeit hin geprüft. Das Ergebnis: In einer ersten Phase können 20% der Abwärmeleistung des Exascale-Rechners in das bestehende Wärmenetz eingespeist werden ohne den BHKW-Betrieb negativ zu beeinflussen. Zeitgleich kann das Projekt so entwickelt werden, dass zukünftig der genutzte Anteil der Abwärme weiter gesteigert werden kann.
In Abb. 5 (links) ist der aktuelle Gesamtwärmebedarf des Campus durch die drei BHKW (orange) und die beiden Kessel (rot) in einer so genannten Jahresdauerlinie dargestellt. Man erkennt, dass ein großer Teil der Wärme, vor allem im Winter, durch die direkt-befeuerten Gaskessel erzeugt wird (rot). In Abb. 5 (rechts) ist der gleiche Wärmebedarf dargestellt, hier aber mit einem Exascale-Abwärmeanteil von ca. 20% (grün). Es wird deutlich, dass dieses Szenario wie gewünscht die Laufzeiten der Gaskessel reduziert, die Gasmotoren jedoch weiterhin eine hohe Auslastung besitzen (die grüne Fläche ersetzt große Teile der roten Fläche, jedoch nicht die orangene Fläche). Im beschriebenen Szenario, in dem 20% der Abwärmeleistung genutzt werden, können bis zu 4.850t CO2 pro Jahr eingespart werden. Das sind ca. 19% der gesamten CO2-Emissionen im Bereich der Wärmeversorgung.
Die Zukunft
Wenn größere Abwärmemengen der Exascale-Rechner oder nachfolgender, wassergekühlter Großrechner genutzt werden sollen – bei konstant hoher Eigenstromerzeugung – ist für die ebenfalls produzierte Wärme eine andere Anwendung zu finden. Eine Möglichkeit ist der Zubau von Absorptionskältemaschinen, eine andere Möglichkeit der Export der Wärme in umliegende Regionen des FZJ. Erste Ideen werden bereits skizziert, z.B. die Versorgung von Teilen des Brainergy-Parks in Jülich oder anderer Großverbraucher der Region.
Das Jülicher Supercomputer Centre (JSC) als eines der drei GCS-Zentren (Gauss Centre for Supercomputer e.V.) hat zudem die dauerhaft angelegte Aufgabe, der deutschen Forschungslandschaft Rechenkapazität der höchsten Leistungsklasse zur Verfügung zu stellen. Aktuell ist keine Technologie in Sicht, die in absehbarer Zeit den Stromverbrauch und damit das verfügbare Abwärmepotential von Höchstleistungsrechnern senken würde. In den letzten Jahren ist die Rechenleistung der Supercomputer stets schneller gestiegen als die Effizienzgewinne beim Energieverbrauch durch neue Rechnergenerationen, sodass der Stromverbrauch insgesamt gestiegen ist. Daher werden auch die Jülicher Supercomputer des Jahres 2030 und folgend sehr wahrscheinlich mehr Abwärme erzeugen als die hier vorgeschlagene Anlage (sowie deren potenzielle Erweiterungen) verarbeiten kann. Eine nachhaltige Nutzung der verbauten Infrastruktur zur Abwärmenutzung ist also über einen langen Zeitraum – jenseits der aktuell anvisierten Laufzeit des Exascale-Rechners – gewährleistet.
Hinweis: Dieser Blog enthält Textpassagen des Antrages und damit auch Beiträge von IEK-10, JSC, B und T.
Man sieht hier leider überdeutlich, dass der regulative Rahmen für die Energiewende in Deutschland dringend reformiert werden muss. Bei der Standortwahl haben Netzentgelte nicht die nötige lenkende Wirkung entfalten können. Dies ist auch nicht verwunderlich, da Netzentgelte zeitlich nicht variabel sind und zur Zeit gerade in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern besonders hoch. Damit hat das FZ aufgrund der Netzentgelte keinen Anreiz diesen Großverbraucher an die Küste zu setzen.
Was auch extrem schmerzt, ist die Planung mit hoher Auslastung der BHKW. Hier sind massive Fehlanreize bestehender Regulatorik zu sehen. Statt der BHKW wären Spitzenlastmotoren und Spitzenlastkessel wünschenswert, die nur für wenige Stunden betrieben werden, im Winter bei kalten Temperaturen, wenig Wind und hohem Verbrauch, also grob an Werktagen morgens und abends für je vier Stunden, in diesem Winter in den ersten zwei Dezemberwochen und in KW 3 und 4 im Januar diesen Jahres.
Ich vermute, dass die hohe Auslastung für die BHKW sich ebenfalls vor allem aufgrund unglücklicher Anreizeffekte bei den Netzentgelten, Abgaben und Steuern lohnt. Sobald von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt ist, führt eine derartige Auslastung zu Perpetuum Mobile artigen Zuständen. Ein Elektrolyseur läuft 2030 am 6. Juni um 13:00 mit 10 MW Strominput (weil befreit von Netzentgelten etc wird Überschussstrom zu 0 Cent umgesetzt) und produziert 7 MW Wasserstoff unter Verlusten und gleichzeitig zieht das BHKW 7 MW Wasserstoff und macht daraus 2,8 MW Strom (für den Eigenverbrauch, lohnt sich wieder wegen der Netzentgelte, diesmal, weil man sie mit Eigenverbrauch umgeht). Außer Abwärme und Anlagenverschleiß kommt dabei wenig rum und die Abwärme könnte man im Sommer bequemst mit einem Cop größer 5 mit einer Wärmepumpe erzeugen.