Indem Elektrofahrzeuge (Electric Vehicles, EVs) als „Batterien auf Rädern“ genutzt werden, könnten sie zukünftig einen signifikanten Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze liefern. Dieser Vehicle-to-Grid (V2G)-Ansatz ist daher als Projekt „LLEC::VxG“ Teil unseres Forschungsportfolios, wie wir zuletzt im November 2021 berichtet haben. Mittlerweile gibt es viele Neuigkeiten. Höchste Zeit für ein Update!

Abb. 1: Die V2G-Testumgebung im 10er-Bereich mit Ladesäulen und E-Fahrzeugen.

Im Zuge der Transformation des Energiesystems nimmt die Einspeisung von Strom aus Photovoltaik und Windenergie stetig zu und beansprucht damit zunehmend das Stromnetz auf allen Ebenen. Daher wird die LLEC-Infrastruktur um V2G-Ladeinfrastruktur erweitert, um sogenanntes „bidirektionales Laden“ zu ermöglichen. EVs, die diese Technologie unterstützen, können nicht nur ihre Batterien aufladen, sondern diese außerdem entladen und so Energie in das Netz zurückspeisen. Sie funktionieren damit eben wie „Batterien auf Rädern“ und können das Stromnetz entlasten, da sie mit der Verfügbarkeit von Wind- und Sonnenenergie einhergehende Schwankungen ausgleichen. So reduziert der VxG-Ansatz nicht zuletzt den Bedarf für eine kostenintensive Umrüstung der Netze. Im VxG-Projekt testen die Projektpartner die V2G-Technologie auf dem eigenen Campus, indem nicht nur eine speziell für dieses Projekt entwickelte Hochleistungsladeinfrastruktur aufgebaut, sondern vor allem eine Regelungssoftware für das Laden und Entladen von E-Fahrzeugen entwickelt wird, die einen optimalen Energiefluss im Zusammenspiel mit allen anderen Energiedemonstratoren gewährleistet. Gleichzeitig wird seitens des IEK-9 die Degradation der Batterien unter V2G-Bedingungen untersucht, um die Lastprofile für die Batterien so zu optimieren, dass die Degradation minimiert wird.

Im letzten Blog hatten wir gerade eine 150kW (unidirektional) und 250kW (bidirektional) Ladestation bei der italienischen Firma NEX2 bestellt. Damals kam es aufgrund der Corona-Zeit zu großen Lieferverzögerungen bei den Komponenten. Die Zwischenzeit wurde genutzt, um das Betonfundament und die Parkplätze am Standort der Hochleistungsbatterie zu planen und vorzubereiten. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Baustelle. Die Konstruktion des Betonfundaments musste zahlreiche Kabeldurchführungen und Kabelrohre berücksichtigen, da viele Kabel unterirdisch verlegt werden.

Abb. 2: Entwicklung der Baustelle für die Ladestationen, einschließlich der Kabelrohre, der Peripherie und des Parkplatzes für die Forschungsfahrzeuge. Das untere Bild zeigt das Hochleistungsbatteriesystem im Hintergrund.

Nach einer langen Wartezeit wurden im März 2023 endlich die Ladestationen geliefert. Abbildung 2 (oben) zeigt die Ladestationen auf ihrem Fundament. Bei der Ladestation links handelt es sich um die 150kW-Variante und bei der Station rechts um die 250kW-Variante. Jede Ladestation besteht aus zwei Komponenten: einem Verteilerschrank und der eigentlichen Ladesäule. Der Leistungsschrank der 250-kW-Version ist größer als der der 150-kW-Version, da ersterer für bidirektionales Laden ausgelegt ist. Aktuell dienen diese Ladestationen reinen Forschungszwecken, was bedeutet, dass Mitarbeitende und Externe ihre E-Fahrzeuge momentan dort leider nicht aufladen können. Dies soll sich jedoch im Laufe des Projekts ändern. Abb. 3 zeigt die Ladestationen und die Forschungs-Elektrofahrzeuge. Diese vier Forschungselektrofahrzeuge wurden durch das IEK-9 angeschafft, weitere werden noch folgen. Aktuell sind die Ladestationen in den letzten Zügen der Inbetriebnahme. Wir warten noch auf Restarbeiten an der Elektrotechnik und auf die Installation der Energiezähler für den Netzbetreiber. 

Abb. 3: Die auf einem Betonfundament installierten Ladestationen (oben); die vier Forschungsfahrzeuge auf den Parkplätzen vor den Ladestationen (unten).

Zusätzlich zu den beiden beschriebenen Ladestationen von NEX2 wurde eine weitere bidirektionale Ladestation der Firma EVTEC bestellt. Diese wurde in der Nähe der so genannten Technikzone am Schülerlabor installiert. Für diese Station warten wir noch auf die Installation des Elektroverteilers und der Kommunikationsleitungen. Die EVTEC-Ladestation hat eine Leistung von 10 kW und ist eine Wallbox, die auf einer Metallsäule installiert ist (siehe Abb.3). Wie die NEX2-Ladestation verfügt die EVTEC-Ladestation über einen CCS2- und einen CHAdeMO-Anschluss und kann daher jedes beliebige Elektrofahrzeug im Gleichstrommodus (DC) laden. Für das Laden im bidirektionalen Modus ist diese Station für die Nissan EVs (CHAdeMO) und den Honda-e (CCS2) geeignet. Die Leistung dieser Ladestation in Kombination mit der Batteriekapazität des Honda-e passt gut zu der Leistung der Technikzone und der PV-Anlage am Julab (siehe Abb. 4). Diese Kombination ist für den Energiebedarf des Schülerlabors also sehr gut geeignet.

Abb. 4: EVTEC-Ladestation und Honda-e mit der Technikzone (oben); EVTEC-Ladestation und Honda-e mit PV-Anlage JuLab (unten).

Weitere bidirektionale Ladestationen auf dem Campus sind in Planung. Deren Standorte sollen nach strategischen, forschungsspezifischen Randbedinungen gewählt werden, denn in den Bereichen der Netze, an denen Lastspitzen auftreten, sollen E-Fahrzeuge diese reduzieren helfen. So treten beispielsweise um die Mittagszeit im Bereich der Kantine („Seecasino“) hohe Lastspitzen auf. Ein weiteres Beispiel sind Netzsegmente, in denen Wärmepumpen installiert sind. An diesen Stellen können E-Fahrzeuge die Gesamtbelastung des Netzes durch Rückspeisung von Energie verringern. Die E-Fahrzeuge können dann wieder aufgeladen werden, wenn der Bedarf der Nutzer geringer ist. Damit wird der Zweck des VxG-Ansatzes im Sinne der Netzentlastung nochmals im konkreten Kontext verdeutlicht. Allerdings braucht es dazu außerdem eine intelligente Leistungssteuerung durch ein übergreifendes Steuerungssystem, das am IEK-10 entwickelt wird. Dieses IT-System verfügt über ein zugrunde liegendes Modell aller Systemkomponenten und berechnet und optimiert fortlaufend die Leistungsflüsse zwischen den Energiedemonstratoren.

Hier zeigt sich ein Mal mehr: Ein zukünftiges Energiesystem ist mehr als die Summe seiner Teile – selbst, wenn sie so spannend sind wie die Idee der „Batterien auf Rädern“.

About Stefan Kasselmann

Stefan Kasselmann ist promovierter Physiker und seit 2017 Projektmanager des Living Lab Energy Projektes. In dieser Rolle koordiniert er neun Teams aus Wissenschaft und Infrastruktur. Seit 2023 leitet er zudem den neu gegründeten Fachbereich "Intelligent Campus" im Technischen Bereich, welcher sich mit innovativen Ansätzen in den Bereichen Energie, Digitalisierung und Mobilität beschäftigt.

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