Unser Umgang mit Energie ist im Wandel. Dies betrifft nicht nur die alltäglichen Situationen, in denen wir uns selbst daran erinnern, das Licht auszuschalten oder einmal auf das Auto zu verzichten, sondern auch die gesamte Infrastruktur von Erzeugung über die Speicherung bis hin zur Nutzung von Energie – kurzum unser gesamtes „Energiesystem“. Um diesen Wandel zu vollziehen, benötigen wir intelligente, dezentrale und vor allem vernetzte Technologien, die im Rahmen des Projektes „LLEC::JuPilot“ entwickelt und am Schülerlabor des Forschungszentrums Jülich erlebbar gemacht werden sollen.
In Zukunft werden wir von einem Energiesystem, das durch fossile Energieträger geprägt ist, zu einer Energieversorgung übergehen, in der nahezu die gesamte Nutzenergie (80% im Jahre 2050) durch erneuerbare Energiequellen gedeckt wird. Dadurch wird unser Energiesystem um einiges komplexer: Einerseits ist die Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen stark von äußeren Einflüssen (z.B. Wetterbedingungen) abhängig, wodurch die Energieerzeugung zeitlich stärker schwankt (Volatilität). Andererseits bedingt die Nutzung erneuerbarer Energiequellen meist einen erhöhten Flächenbedarf. Dies führt dazu, dass Energie vermehrt dezentral erzeugt wird und plötzlich vermehrt kleinere Energieerzeuger Teil des Gesamtsystems sind. In der Folge dieser beiden Effekte wird es immer aufwendiger Energieerzeugung und -bedarf auszugleichen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, werden im Projekt „Living Lab Energy Campus (LLEC)“ neue Methoden entwickelt, innovative Technologien erprobt und zusammen mit den Beschäftigten des Forschungszentrums im Reallabor evaluiert. Neben der Errichtung mehrerer Anlagen zur Erzeugung und Speicherung erneuerbarer Energie (die sogenannten „Energiedemonstratoren“) steht außerdem die Entwicklung einer cloudbasierten „Informations- und Kommunikationsplattform (IKT-Plattform)“ im Fokus des Projektes. Die IKT-Plattform soll Möglichkeiten zur Regelung des Campus-Energiesystems bereitstellen, Echtzeitdaten erfassen und für den Umgang mit Energie sensibilisieren.
Die Rolle der Gebäude- und Quartiersenergiesysteme am Beispiel des „JuLab“
Zusätzlich zu Erzeugung und Speicherung von Energie spielt bei der Energiewende die Energienutzung eine wichtige Rolle. In diesem Kontext ist es essentiell, Gebäude- und Quartiersenergiesysteme einzubeziehen, da hier ein großer Teil der erzeugten Energie genutzt wird. Außerdem bieten sich hier vielfältige Möglichkeiten verschiedene Energieströme effizient miteinander zu kombinieren. Genau dies möchten wir im LLEC-Teilprojekt „JuPilot“ erstmals im Realbetrieb untersuchen.
Im Projekt JuPilot wird ein innovatives Energiesystem aufgebaut, dass aus Energiedemonstratoren im kleinen Maßstab und einem Gebäude auf dem Campus – dem Schülerlabor „JuLab“ – besteht. Mithilfe einer Kleinwindenergie- und einer Photovoltaik-Anlage soll hier in Zukunft Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt und gespeichert werden. Zur Energiespeicherung wird einerseits ein Batteriespeicher genutzt, um die stündlichen und täglichen Schwankungen in der Energieerzeugung auszugleichen, und zum anderen ein saisonales Speichersystem. Dieses saisonale Speichersystem besteht aus einem Elektrolyseur, der überschüssige elektrische Energie im Sommer in Wasserstoff umwandelt, einem Gasspeicher zur Speicherung des Wasserstoffs und einer Brennstoffzelle, die den Wasserstoff im Winter rückverstromt. Zusätzlich wird die Abwärme, die beim Betrieb der Brennstoffzelle anfällt, in einem Pufferspeicher zwischengespeichert und bei Bedarf in die Fußbodenheizung des Gebäudes eingespeist. Alle Komponenten werden nach der Errichtung in die bereits genannte IKT-Plattform integriert und können dann innerhalb dieser überwacht und gesteuert werden.
Neben der Installation von Energiedemonstratoren im Kilowatt-Maßstab wird das Schülerlabor mit zusätzlicher Sensorik und Aktorik ausgestattet, die es ermöglicht, Raumzustände zu erfassen und Einfluss auf den Energieverbrauch des Gebäudes zu nehmen. Hier sind insbesondere Multisensoren zu nennen, die Lufttemperatur und -feuchte, Kohlenstoffdioxid-Konzentration und Helligkeitswerte messen sowie Präsenz erkennen. Zusätzlich wird es für ausgewählte Räume die Möglichkeit geben, anonymisiert Personenzahlen zu erfassen, Fenster automatisiert zu öffnen und die Gebäudeheizung zu steuern. Die erfassten Messdaten werden mithilfe von Gateways an die IKT-Plattform übermittelt, sodass die Energieströme innerhalb des Gebäudes sichtbar werden.
Intelligente, modellbasierte Regelungen für das zukünftige Energiesystem
Mithilfe verschiedener Software-Bausteine innerhalb der IKT-Plattform ist es nicht nur möglich den Betrieb des Energiesystems zu überwachen, sondern ebenso gezielte Regelungsstrategien zu implementieren, die eine effiziente Nutzung der erneuerbaren Energien gewährleisten und gleichzeitig die Kopplung verschiedener Energieströme erlauben.
Genau zu diesem Zweck entwickeln wir am IEK-10 modellbasierte Regelungen: Wir entwerfen Modelle für alle Komponenten des Energiesystems bzw. für das Gesamtsystem und nutzen diese anschließend in Kombination mit realen Daten (Betriebsdaten der Energiedemonstratoren, Messdaten aus dem Gebäude, Wetter- und Bedarfsprognosen), um mathematische Optimierungsprobleme zu formulieren. Solche Optimierungsprobleme lassen sich dann z.B. hinsichtlich der bestmöglichen Energienutzung lösen. Als Ergebnis erhalten wir Stellgrößen für die Energiedemonstratoren sowie für die Aktoren innerhalb des Gebäudes. Dies kann beispielsweise die Information sein, ob ein Fenster für eine bestimmte Zeit geöffnet werden soll, um die Temperatur im Raum zu senken. Die berechneten Stellgrößen werden schließlich innerhalb der IKT-Plattform an die entsprechende Komponente des Energiesystems zurückgemeldet. Dadurch erreichen wir, dass die erzeugte Energie bestmöglich genutzt und das Energiesystem optimal betrieben wird.
Das Fernziel: Ein vernetzter und energieeffizienter Campus
Wir sind gespannt, welche Regelstrategien sich für das JuLab besonders gut eignen und erwarten wichtige Erkenntnisse sowie Rückschlüsse darauf, wie sich der gesamte Campus des Forschungszentrums effizient mithilfe der IKT-Infrastruktur betreiben lassen könnte. Schon jetzt arbeiten wir zudem an neuen Software-Bausteinen und entwickeln bestehende Bausteine wie das „Energy Dashboard“ kontinuierlich und gemeinsam mit allen Mitarbeitern weiter.
Wir freuen uns sehr auf die kommenden Herausforderungen in der Entwicklung intelligenter Energiesysteme der Zukunft!
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