Unser Energiesystem basiert bis heute überwiegend auf Großkraftwerken. In Zukunft wird die Energieversorgung aber immer häufiger auch durch kleinere und dezentrale Energiequellen geprägt sein – z.B. Windenergie-Parks, Photovoltaik-Anlagen oder Wasserkraftwerke. Solche Energiequellen liefern nicht zu jeder Tages- und Jahreszeit gleichmäßige Energieströme, sondern ihre Leistung hängt etwa von Lichteinfall, Wetter und anderen veränderbaren Parametern ab.

Die Kopplung verschiedener Energieträger, z.B. Elektrizität, Wärme und Gas wird in Zukunft immer wichtiger werden, um eine stabile und effiziente Energieversorgung zu gewährleisten. Aufgrund der Entwicklungen im Energiesektor muss sich auch der Energiekonsum verändern. So wird auf Seiten der Verbraucher etwa eine größere Flexibilität im Hinblick auf Umfang und Zeitpunkte des Energiekonsums notwendig.

Eine große Herausforderung ist die Koordination der vielen Energieerzeuger und -verbraucher. Neben den Erzeugern und Verbrauchern müssen zunehmend auch externe Faktoren – wie z.B. Wettervorhersagen und Prognosen – in die Planung und Steuerung des Energiesystems integriert werden. Für einen stabilen und sicheren Betrieb zukünftiger Energiesysteme müssen also Informationen aus ganz unterschiedlichen Datenquellen verarbeitet und intelligent ausgewertet werden. Daher spielen Informations- und Kommunikationslösungen (IKT) in diesem Bereich eine zunehmend zentrale Rolle.

 

Abb. 1: LLEC Informations- und Kommunikationsplattform

IKT-Lösungen, sowie innovativen Regelungsansätze wurden über Jahre theoretisch untersucht und z.B. in der Prozessindustrie in der Praxis erfolgreich eingesetzt; sie wurden bislang jedoch nur vereinzelt in (urbanen) Stadtquartieren angewendet. Im Rahmen des Projekts „Living Lab Energy Campus (LLEC)“ wird ein Ausschnitt eines modernen Energiesystems in Quartiersmaßstab in einem sogenannten Reallabor auf Herz und Nieren geprüft. Ein Reallabor zeichnet sich einerseits durch das reale Umfeld samt realer Nutzer aus, anderseits erlaubt die eigens hierfür ausgelegte Infrastruktur einen wissenschaftlichen Einblick in die Systeme. Dazu werden in der nächsten Zeit eine Reihe von Energiedemonstratoren auf unserem Campus aufgebaut. Zu diesem Thema wurde schon in einem vergangenen Blogbeitrag berichtet (https://blogs.fz-juelich.de/llec/2019/09/19/die-llec-energiedemonstratoren/).

Im Team „Simulation und Software“, befassen wir uns am IEK‑10 unter anderem mit der Frage, wie verschiedene Energiedemonstratoren optimal aufeinander abgestimmt werden können. Zur Beantwortung dieser Frage nutzen wir innovative Methoden, wie z.B. mathematische Optimierungs­werkzeuge, die eine ganzheitliche Betrachtung und Optimierung der Systeme ermöglichen. Ein Beispiel hierfür ist das Niedertemperaturnetz, bei dessen Planung wir mittels Simulationen die Machbarkeit untersucht haben. Auch an der Erweiterung des JuLab mit verschiedenen Energiedemonstratoren im kleineren Maßstab und bei der Planung des klimaneutralen Verwaltungsgebäudes sind wir beteiligt.

Unsere Hauptaufgabe ist aber der Entwurf und die Implementierung einer cloudbasierten Informations- und Kommunikations­plattform (IKT-Plattform). Auf dieser Plattform werden dann z.B. Messwerte zur Energienutzung oder Wetter- und Raumbelegungsvorhersagen erfasst und bereitgestellt. Außerdem kann später über die Plattform das gesamte Energiesystem auf dem Campus überwacht und geregelt werden.  Nachdem die Plattform in ihrer Basisversion fertiggestellt ist, können wir verschiedene Regelungsansätze, zum Beispiel zentrale wie auch verteilte Regelungsalgorithmen, testen und vergleichen.Bei zentralen Ansätzen wird die Fahrweise aller Anlagen durch eine Einheit zentral vorgegeben. Bei verteilten Regelungsalgorithmen sind die Zuständigkeiten aufgeteilt und sogenannte „Agenten“ bestimmen die Fahrweise der Anlagen für die sie zuständig. Dabei stimmen die Agenten sich entweder direkt oder über einen Koordinator untereinander ab.

Für die IKT-Plattform nutzen wir Open-Source Softwarelösungen als Ausgangspunkt. Diese erweitern wir um eigenentwickelte Methoden und Werkzeuge, die später möglichst auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Alle softwaretechnischen Ansätze die im Rahmen vom LLEC zur Anwendung kommen, werden mit allen Stakeholdern abgestimmt, damit sie z.B. mit dem Europäischen Datenschutzrecht und anderen wichtigen Normen kompatibel sind.

Eine ausgewählte aktuelle Entwicklung, die bald auch für alle sichtbar sein wird, möchte ich gerne näher beleuchten: Anfang dieses Jahres werden erstmalig gebäudeweise Verbrauchsdaten mittels eines sogenannten Energy Dashboard im Intranet für Mitarbeitende und Besucher des FZJ zur Verfügung gestellt. Dadurch ermöglichen wir den Menschen auf dem Campus einen besseren Einblick in den Energieverbrauch. Hierdurch wollen wir für das Thema insgesamt sensibilisieren und dazu beitragen, den Verbrauch nachhaltig zu senken. Die erste Fassung des Energy Dashboard haben wir vor kurzem fertigstellt und in einer Testphase mit 24 Mitarbeitern des FZJ erprobt und evaluiert. Im Moment überarbeiten wir das Dashboard auf Grundlage der Rückmeldungen aus dem Test. Viele Vorschläge und Wünsche können wir schon umsetzen, einige Punkte bedürfen aber einer längeren Vorbereitung und manches muss erst noch mit allen Verantwortlichen abgestimmt und entschieden werden. Mittelfristig wird das Energy Dashboard um verschiedene Funktionen erweitert. So werden weitere Bereiche hinzugefügt, die auf spielerische Art und Weise eine Senkung des Energieverbrauchs unterstützen sollen – z.B. in Form von Wettbewerben zwischen Gebäuden oder Organisationseinheiten. Denkbar wäre es auch, Gebäudenutzer in dafür ausgestatteten Büros Zugriff auf die Energiedaten aus dem eigenen Büro zu geben. Außerdem wird das Dashboard in Zukunft auch die aktuellen Daten der Energiedemonstratoren in Echtzeit darstellen.

Das sind die nur die Schritte in Bezug auf das Dashboard, die wir in der nächsten Zeit weiterverfolgen. Die Vielfalt der Aufgaben, die wir im Team bearbeiten, ist recht groß und spannend und wir freuen uns auf die anstehende Arbeit!

 

About André Xhonneux

Andre Xhonneux ist promovierter Maschinenbauer und seit 2009 am FZJ beschäftigt; seit 2017 leitet er am IEK-10 die Abteilung „Gebäude und Quartiere“, welches sich mit der optimalen Auslegung und dem optimalen Betrieb von dezentralen Energiesystemen befasst. Dabei hat die Umsetzung von maßgeschneiderten Modellen und Algorithmen in die Praxis einen besonderen Stellenwert.

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