von Sonja Jülich-Abbas
Gemeinsam zu einer biobasierten und nachhaltigen Wirtschaft im Rheinischen Revier – so das Ziel der Initiative BioökonomieREVIER. Entstehen soll dabei eine regionale Bioökonomie-Strategie.
Der Strukturwandel im Rheinischen Revier verlangt zukunftsfähige Konzepte. Mit dem BioökonomieREVIER soll dort eine Modellregion für nachhaltiges Wirtschaften entstehen. „Die Menschen im Revier haben jetzt die einzigartige Gelegenheit, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen,“ so Christian Klar, Leiter der Koordinierungsstelle BioökonomieREVIER. „Wir wollen diese Aufbruchsstimmung nutzen und Wissenschaft, Wirtschaft, Kommunen und Zivilgesellschaft zusammenbringen, um gemeinsam Bioökonomie-Lösungen auf Basis der regionalen Stärken umzusetzen.“ Das Bundesforschungsministerium fördert dazu das Projekt „BioökonomieREVIER_KOM“ mit knapp 4 Mio. Euro. Die Koordinierungsstelle ist Teil des Projekts und am Institut für Pflanzenwissenschaften des Forschungszentrums Jülich angesiedelt.
Tausendsassa Bioökonomie: neue Pfade gehen
Die Bioökonomie im Rheinischen Revier – quasi ein Selbstläufer? „Ganz so einfach ist es nicht“, berichtet Christian Klar. „Wir brauchen ein neues Bewusstsein, was durch Bioökonomie alles möglich ist. Die Transformation erfordert ein Umdenken althergebrachter Muster, wie Wirtschaft funktioniert. Wir müssen Forschungsbereiche zusammenbringen und Wirtschaftssektoren integrieren, die vielleicht bisher noch nie Berührungspunkte hatten. Hier können ganz neue Wertschöpfungsketten und ein Wirtschaften in Kreisläufen entstehen“, so Klar weiter. Vernetzung ist Kern seiner täglichen Arbeit. So hat er etwa Landwirte mit einem Chemikalienhersteller bekannt gemacht. Dabei geht es darum, Disteln anzubauen, die Öle als Rohstoff für dessen Produktion liefern. Und auch Vertreter der Energie- und Kunststoffwirtschaft sind miteinander im Gespräch. Sie wollen Methan als Rohstoffquelle nutzen, um Biopolymere für Einweggeschirr zu entwickeln. Hier muss noch weiter geforscht werden, daher ist die Wissenschaft als Partner mit an Bord.
Regionale Stärken erkennen und ausbauen
Darüber hinaus laufen im Rahmen von BioökonomieREVIER_KOM verschiedene Studien, die das Potenzial der Bioökonomie-Sektoren, die Stärken der Kommunen, aber auch der Wissenslandschaft beschreiben sollen. Wie viele Arbeitsplätze hängen im Revier von der Land- und Ernährungswirtschaft ab? Welche Wertschöpfung ist damit verbunden? Zu den traditionell starken Branchen auf den fruchtbaren Böden im Revier gehören neben der Land- und Ernährungswirtschaft die Chemie-, Papier- und Kunststoffindustrie, die Biotechnologie und Textilwirtschaft. Zudem erhebt die Koordinierungsstelle in sogenannten „Bioökonomieprofilen“ die Schwerpunkte der Anrainerkommunen im Revier. Gemeinsam vor Ort wird ausgelotet, wie diese weiter ausgebaut werden können. Auch die Wissenslandschaft wird analysiert: Welche Expertise ist vorhanden? Wo und wie bilden wir die Arbeitskräfte zukunftsgerichtet aus? Erste Ergebnisse zeigen: Mit rund 230 Bioökonomie-bezogenen Studiengängen ergibt sich in der Region eine für Deutschland außergewöhnlich hohe Hochschuldichte. Dabei wurden – wie für die Bioökonomie wichtig – Disziplinen aus den Natur- und Ingenieurswissenschaften, aber die Agrar- , Ernährungs- und Wirtschaftsstudiengänge an den Hochschulen und Universitäten vom Niederrhein über Düsseldorf, Köln, Bonn bis in den Raum Aachen zusammengefasst.
„Beim BioökonomieREVIER müssen wir drei Schritte schneller sein als üblich in der Forschung, denn der Strukturwandel ist schon jetzt deutlich spürbar. Dabei geht es um die gesamte Kette – von der Wissensgenerierung über den Transfer bis zur Umsetzung“, sagt Christian Klar. Deshalb haben sie zum KOM-Projekt gleich die Idee der „Innovationslabore BioökonomieREVIER“ entwickelt: Erfolgversprechende Forschungsansätze mit guten Umsetzungsmöglichkeiten sollen in Real-Laboren zu Keimzellen für Kooperation und Wertschöpfung im Rheinischen Revier werden. Die Real-Labore stehen Landwirten und Wirtschaftsunternehmen offen.
Der Blick nach vorn
Zum Anfassen und Austesten dienen auch die Bioökonomie-MOBILE. In Form kleiner Häuser auf Rädern gelangt die Bioökonomie zu den Bürgerinnen und Bürgern der Region. Sie erwartet eine Ausstellung mit Exponaten zu Bioökonomie-Projekten aus dem Revier – beispielsweise den Innovationslaboren. Dabei geht es darum, die Menschen in der Region mitzunehmen. Wo sind die Arbeitsplätze der Zukunft? Wie kann eine zukunftsweisende Perspektive für das Revier aussehen?
Dazu gehört auch, Bürgerinnen und Bürger aktiv am Wandel zu beteiligen. Die Jülicher kooperieren dazu mit dem Team der PartizipationsKultur um Jan-Hendrik Kamlage vom Kulturwissenschaftlichen Institut (KWI) Essen. „Begeisterung für den nachhaltigen Wandel einerseits, die Sorge Arbeitsplatz-Verlust andererseits – im Rheinischen Revier sind die Meinungen zum Strukturwandel teils weit auseinander. Hier geht es um Identitäts- und Existenzfragen. Menschen in der Region müssen auf faire Weise aushandeln können, was und wie etwas Neues entstehen soll“, so Jan-Hendrik Kamlage.
Bürgerinnen und Bürger gestalten das BioökonomieREVIER
Beim Projekt steht für ihn im Vordergrund, eine gute partizipative Governancestruktur zu etablieren und die Besonderheiten der Region zu berücksichtigen. Hier stehen „die nachhaltige Bioökonomie und die Flächennutzung im Rheinischen Revier“ im Fokus.
Das KWI-Team entwickelt ein groß angelegtes, integriertes Beteiligungssystem. Kernstück dabei ist die Citizens‘ Assembly – eine Bürgerversammlung nach irischem Vorbild. Die Teilnehmenden aus dem Rheinischen Revier werden per Zufallsauswahl bestimmt. So kann sichergestellt werden, dass sie sich möglichst vielfältig zusammensetzen und einen Querschnitt durch die Region darstellen. Um lokale Herausforderungen adressieren zu können, sind zwei kleinere Bürgerräte geplant. Ebenso wird eine Online-Plattform zum Informieren und Mitmachen aufgebaut. Dem Beteiligungssystem steht eine Lenkungsgruppe vor, die im Juni 2020 gewählt wurde. Die soll den gesamten Prozess begleiten und steuern. Die Mitglieder sind gut im Rheinischen Revier vernetzt und sollen eine Schnittstelle zur Bevölkerung sowie den organisierten Interessen im Rheinischen Revier darstellen.
Ziel der Bürgerbeteiligung ist, Empfehlungen zu entwickeln, die von möglichst vielen Menschen mitgetragen werden. Diese sollen ebenso wie die Ergebnisse aus der Koordinierungsstelle und den Innovationslaboren in die Regionalstrategie Bioökonomie einfließen.
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