Forschung an Leindotter (Camelina sativa)

In Zukunft ist es wichtig sicherzustellen, dass die angebauten Nutzpflanzen in durch Klimawandel häufiger auftretendem Umweltstress weiterhin zuverlässig unsere Nahrung produzieren. Leindotter (Camelina sativa) ist ähnlich wie Raps eine Ölsaat, weist aber eine hohe natürliche Stresstoleranz gegen hohe Temperaturen oder Dürre auf. Das EU-geförderte Projekt UNTWIST untersucht deshalb mehr als 50 verschiedene Leindottersorten. Dabei werden an acht verschiedenen Forschungsstandorten in vielen verschiedenen Untersuchungen sehr große Mengen an Daten erzeugt, die in ihrer Gesamtheit erfasst, gesammelt und interpretiert werden sollen. Deshalb braucht das Projekt eine gemeinsame Datenbank, in der alle Informationen und Daten abgespeichert werden. Außerdem brauchen die Forscher und Forscherinnen im Projekt eine gemeinsame Sprache, damit z. B. Bedingungen, Standorte, Sorten und Pflanzenteile und Proben immer gleich benannt werden und von allen Projektpartnern und zukünftig auch von weiteren Forschern wiedergefunden werden können. Eine solche Datenbank wird deshalb im Institutsbereich IBG-4 für das Projekt erstellt und kann nun mit Daten „beladen“ werden, die dann in Zusammenhang gebracht werden können und zum Verständnis der Toleranzen beitragen werden.

Manche Pflanzen reagieren sehr empfindlich auf Stresse, andere sind robust und wachsen unbeirrt weiter, wenn es im Feld heißer oder trockener wird. Die steigende Belastung der Landwirtschaft durch eine Häufung von Stressen wie Hitze und Trockenheit erhöht den Druck auf Landwirte und Züchter, stabile Pflanzensorten zu nutzen, die in diesen widrigen Umständen weiterhin gute Erträge liefern können. Nur mit den richtigen Pflanzensorten können wir im Klimawandel weiterhin möglichst ertragreichen und ressourcenschonenden Anbau betreiben (siehe dazu auch „Der Anbau der richtigen Pflanzensorten schützt die Umwelt und sichert unsere Nahrungsversorgung“ in diesem Blog). Dazu besinnt man sich auch auf Sorten und Arten, die vor langer Zeit angebaut wurden. Diesen Sorten sagt man eine höhere Stresstoleranz nach. Leindotter (Camelina sativa, Abb. 1) ist ähnlich wie Raps eine Ölsaat die über viele Jahrhunderte angebaut und dann vom ertragreicheren Raps verdrängt wurde. Leindotter weist aber eine hohe natürliche Stresstoleranz gegen hohe Temperaturen oder Dürre auf. Die Mechanismen der Stresstoleranz der alten traditionellen Ölsaat Leindotter zu verstehen, ist das Ziel des Projekts UNTWIST (Abkürzung zu „Uncover and Promote Tolerance to Temperature and Water Stress in Camelina sativa“). Acht Partner aus sechs verschiedenen EU-Ländern arbeiten in diesem Projekt dazu zusammen. UNTWIST, das von der EU gefördert wird, untersucht die Stressreaktion von mindestens 50 unterschiedlichen Leindottersorten, die sowohl Wildsorten, Landrassen als auch kommerziell genutzte Kultivare einschließen auf ihre Toleranz gegenüber Trockenheit und Hitze. Ziel ist es, Sorten zu identifizieren, mit denen besonders robuste Sorten für die Zukunft gezüchtet werden können.

Abbildung 1: Leindotter (Camelina sativa) Bildquelle Fornax, Wikipedia

Dabei werden an den verschiedenen Forschungsstandorten in vielen unterschiedlichen Untersuchungen sehr große Mengen an Daten erzeugt, die in ihrer Gesamtheit erfasst und interpretiert werden sollen. Deshalb braucht das Projekt einen gemeinsamen Speicherort, eine „Datenbank“, in der alle Informationen und Daten gemeinsam abgespeichert werden. Außerdem brauchen die Forscher/innen im Projekt eine gemeinsame Sprache, damit z. B. Bedingungen, Standorte, Sorten und Pflanzenteile und Proben immer gleich benannt werden und von allen Projektpartnern und zukünftig auch von weiteren Forschern wiedergefunden werden können. Die Datenbank wird deshalb auch streng nach dem sogenannten „F.A.I.R-Verfahren“ angelegt, dabei wird beachtet dass die Daten auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar sind (Findable, Accessible, Interoperable and Reusable = FAIR).

In Jülich, im Institutsbereich IBG-4, sollen für das Projekt die dabei entstehenden großen Datensätze der unterschiedlichen Partner geordnet werden und in einer Datenbank, dem „UNTWIST knowledge hub“ (deutsch: „UNTWIST Wissenszentrum“), verbunden und für jeden wiederauffindbar und nutzbar gemacht werden. Im Projekt werden große Materialsätze an Proben und in Folge auch sehr große Mengen an Genomdaten, Genexpressionsdaten, Daten zu den Inhaltsstoffen der Pflanzen (zum Beispiel die Ölzusammensetzung) und auch zu ihrem äußeren Aussehen und ihren Stressreaktionen und zu ihrem Ertrag unter den verschiedenen Umwelt und Standortbedingungen gesammelt so dass am Ende ein Bild der gesamten Reaktion der Pflanzen in vielen Prozessen möglich sein wird. Einen Überblick über diese Daten kann man ohne eine entsprechende Datenbank unmöglich behalten: Leindotter hat zum Beispiel ein vergleichbar großes Genom, also eine große Menge von der Erbsubstanz „D.N.S.“ (Desoyribonukleinsäure) nämlich ca. 700 „Megabasen“ = 700.000.000 variierende D.N.S Bausteine) in der beinahe 90.000 Gene vorliegen1. Als Gene bezeichnet man die organisierten Untereinheiten der Erbsubstanz, die in ihrer Bausteinabfolge die Baupläne für Proteine (Eiweiße) mit entsprechenden Funktionen in der Pflanze darstellen. Einige dieser vielen Gene könnten für die Stresstoleranz bestimmter Leindottersorten verantwortlich sein, bzw. an der Ausprägung der Toleranzen beteiligt sein. Wenn man nun in Leindotter schaut, wie diese Gene zum Beispiel einmal unter optimalen Umweltbedingungen und einmal bei Hitze- und einmal bei Trockenstress an- oder abgeschaltet werden, erhält man Informationen über 90.000 Gene multipliziert mit den drei Bedingungen und das zu 50 Sorten (jede hat ihre eigenen 90.000 Gene in leicht variierender Form) dann erhält man schon 13.500.000 Datenpunkte (90.000 x 3 x 50). Um sicher zu gehen, dass diese Daten nicht nur zufällig variieren, sondern wirklich mit der untersuchten Sorte zusammenhängen, untersucht man oft mindestens drei Pflanzen-Individuen pro Sorte und Umweltbedingung, dann sind schon nur in diesem Datenbereich zur Genexpression 40.500.000 Einzeldaten in der Datenbank! Die Daten zu den Genen sind aber nicht die einzigen Daten sondern jeder der acht beteiligten Partner bringt seine Expertise mit bestimmten Untersuchungen mit in das Projekt, so sollen auch Pflanzeninhaltsstoffe untersucht werden und phänotypische und physiologische Daten erfasst werden. Dabei ist es wichtig, dass früh im Projekt eine solche Datenbank zur Verfügung steht, in die die Daten und Informationen eingetragen werden können. Um zu garantieren dass zu allen Daten und Proben klar ist, was sie enthalten, woher sie kommen und unter welchen Bedingungen sie gewonnen wurden, haben sich die Partner auf gemeinsam zu nutzende Begriffe geeinigt. Es ist auch klar geregelt, welche Informationen zu Proben und Daten eingetragen werden müssen. Nur so können die vielen wertvollen Informationen zu den 50 untersuchten Sorten am besten in Zusammenhang gebracht werden und abschließend interpretiert und verstanden werden. Dabei profitiert das Projekt auch von bereits vorhandenen Genomdaten zum Leindotter1 und den dazugehörigen Erläuterungen der Genfunktionen wie sie am IBG-4 in diesem Jahr auch in die eigene öffentlich zugängliche Datenbank2 integriert wurden. Informationen zu Experimenten und zu Probenmaterial können in der UNTWIST-Datenbank einfach nachvollzogen werden. Proben einer individuellen Pflanze (z. B. von Blättern oder Früchten derselben Pflanze, oder von verschiedenen Zeitpunkten) und verschiedene zugehörige Daten können zu individuellen Pflanzen und Behandlungen zurückverfolgt werden. Bei der Einsicht in die Daten helfen auch bildliche Darstellungen, in denen z. B. Standorte und angelegte Umweltbedingungen der untersuchten Pflanzen in verschiedenen Experimenten angezeigt werden (Abb. 2).

Abbildung 2: Bildliche Darstellung von untersuchten und beprobten Pflanzen. Verschiedene Pflanzenteile werden als Abkömmlinge der Pflanzen gespeichert und können so bis zu ihrem Standort und der Behandlung zurückverfolgt werden. Verschiedene Sorten sind farblich unterschiedlich dargestellt.

Die Daten zu verschiedenen Messungen werden in der Datenbank grafisch aufgearbeitet, so dass die eingegebenen Daten als Ergebnisse schnell interpretierbar vorliegen (ein Beispiel ist in Abb. 3 zu sehen). So soll es den Forschern möglichst leicht gemacht werden ihre Daten in die Datenbank einzubringen, sie zu finden und zu nutzen und am Ende zur Gewinnung von verbesserten und stresstoleranten Nutzpflanzen einzusetzen.

Datendarstellung
Abbildung 3: Darstellung von Daten zu Messwerten von Pflanzen unter drei verschiedenen Bedingungen, die jeweils farblich markiert sind. Es sind zwei verschiedene Messtage dargestellt. Die Daten sind als sogenannter „Box-Plot“ und als „Violinen-Plot“ dargestellt, so kann die Verteilung der Daten um den Mittelwert (gestrichelte Linie in der Box) oder Median (durchgezogene Linie in der Box) begutachtet werden. Die Breite der „Violine“ ist Indikator für die Häufigkeit der Werte in dem durchgeführten Experiment. Einzelpunkte sind Extrempunkte der Messung.

Zum Projekt UNTWIST:

UNTWIST wird von Dr. Claudia Jonak am Österreichischen Technologieinstitut AIT in Österreich koordiniert. Weitere Partner befinden sich am Institut National de Recherche für Landwirtschaft, Umwelt und Umwelt (INRAe) in Frankreich bei Rothamsted Research Limited (RRes) in Großbritannien, an der Universität Bologna (UNIBO) in Italien, bei der Camelina Company Espana SL (CCE) in Spanien und bei der Iniciativas Innovadoras SAL (INI) in Spanien und beim RTDS dem Verein zur Förderung der Kommunikation und Vermittlung von Forschung, Technologie und Innovation Association in Österreich.
UNTWIST wurde am 1. September 2020 gestartet und die beteiligten Forscher können insgesamt 5 Jahre lang am Leindotter forschen.

Projekthomepage: https://www.untwist.eu/

UNTWIST wird von der EU gefördert.



1 Kagale, S., Koh, C., Nixon, J. et al. The emerging biofuel crop Camelina sativa retains a highly undifferentiated hexaploid genome structure. Nat Commun 5, 3706 (2014). https://doi.org/10.1038/ncomms4706
2 https://www.plabipd.de

About IBG-4 Bioinformatik

Der Institutsbereich Bioinformatik IBG-4 entwickelt Methoden um komplexe Datensätze und Prozesse aus dem Bereich der Bioökonomie und der Pflanzenwissenschaft durch wissensbasierte Datenintegration, klassische Bioinformatik und maschinelles Lernen zu untersuchen und optimieren. Mit benutzerfreundlichen Datenbanken, neuen Methoden zur Genomanalyse und Lösungen zur Integration, Interpretation und Darstellung großer Datensätze sollen Pflanzen, andere Organismen und Gene für eine nachhaltige bioökonomische Nutzung erschlossen oder verbessert werden. Der Institutsbereich Bioinformatik IBG-4 ist Mitglied im Forschungsverbund Bioeconomy Science Center.

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