von Patrizia Ney & Alexandre Belleflamme
Die extrem niederschlagsarmen und warmen Sommerhalbjahre der vergangenen drei Jahre sind nicht spurlos an den Ökosystemen im Rheinischen Revier vorbeigegangen. Auch wenn das langanhaltende im Volksmund so genannte „schöne Wetter“ sicherlich – und das nicht unbegründet – zur Freude Vieler beigetragen hat, blickten Landwirte und Waldbesitzer zum größten Teil sehr besorgt auf ihre Äcker und Wälder. Der Trockenstress und die dadurch bedingte Anfälligkeit für Krankheiten und Schädlingsbefall setzten dem Wald insbesondere in der Nordeifel sehr zu, wie unsere Jülicher Kollegen im letzten Herbst berichteten .
Nicht weniger prekär sind auch die vielen Anbauflächen im Rheinischen Revier von der Dürre betroffen. In manchen Gebieten sank der Grundwasserspiegel über die letzten Jahre über zwei Meter ab, berichteten uns Experten von der Landwirtschaftskammer NRW. Dabei nimmt der Wasserhaushalt eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft ein. Ausreichendes Wasser sichert nicht nur den Pflanzen ein gesundes Wachstum, der Wasserkreislauf spielt auch eine große Rolle bei der Verteilung der Nährstoffe innerhalb des belebten Bodens über das Sickerwasser. Daher ist es für die Landwirtschaft sehr wichtig, flächenhafte Informationen über den Zustand und die Entwicklung der Bodenfeuchte zu haben. Genau hier wollen wir Wissenschaftler der Abteilung Agrosphäre aus dem Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-3) am Forschungszentrum Jülich anknüpfen und haben es uns zur Aufgabe gemacht, Landwirten und Entscheidungsträgern im Sektor Agrarwirtschaft, aber auch interessierten Gärtnern und Bürgern, eine breite, gut nutzbare Informationsbasis bereitzustellen, mit deren Hilfe eine nachhaltigere und widerstandsfähigere Bewirtschaftung im Hinblick auf Wetterextreme und langfristige Klimaänderungen ermöglicht wird. Im Rahmen des HGF Wissenstransferprojekts „ADAPTER“ wurde daher eine digitale Produktplattform für innovative und simulationsgestützte Produkte für eine wetter- und klimaresiliente Landwirtschaft entwickelt. Diese Plattform umfasst neben unseren Wetterprodukten wie Feldmessungen, Standortvorhersagen und hochaufgelösten deutschlandweiten Vorhersagen, auch Klimaprodukte unserer Projektpartner vom Climate Service Center Germany (GERICS) in Hamburg.
In Kooperation mit dem Innovationslabor „Digitales Geosystem Rheinisches Revier“ (DG-RR) (Kollegen berichteten im Blogbeitrag) haben wir letztes Jahr im Spätsommer begonnen an ausgewählten Feldstandorten unseres Schlüsselpartners der Landwirtschaftskammer NRW Messstationen zu installieren. Die Stationen bestehen jeweils aus einer Kombiwetterstation zur Messung wichtiger bodennaher meteorologischer Größen wie Lufttemperatur, relative Feuchte, Windgeschwindigkeit und Windböen (maximale Windgeschwindigkeit pro Stunde), Windrichtung, Bodenluftdruck, kurzwellige solare Einstrahlung (Globalstrahlung) und Niederschlagsmenge. Des Weiteren kommen zwei komplementäre Verfahren zur Bestimmung der Bodenfeuchte zum Einsatz. Punktuelle Bodenfeuchte- und -temperaturwerte werden jeweils mit einem Sensorpaar in 5, 15, 30 und 60 cm Tiefe über ein elektromagnetisches Messverfahren gemessen. Die dazugehörige funkbasierte Sensoreinheit (SoilNet) wurde im Institut für Bio- und Geowissenschaften entwickelt. Zur flächenhaften Bestimmung der Bodenfeuchte einer Ackerparzelle werden Detektoren eingesetzt, welche die durch kosmischer Strahlung entstandenen freien Neutronen erfasst. Diese natürliche Neutronenstrahlung des Bodens ist eng mit der Bodenfeuchte korreliert. Die Beobachtungsdaten werden drahtlos in nahezu Echtzeit über eine Mobilfunkschnittstelle (Narrow-Band IoT) zu einem zentralen Server gesendet, verarbeitet, und stündlich als Beobachtungsdaten visualisiert und für den Nutzer über eine Website veröffentlicht.
Anhand der Beobachtungsdaten erhalten die Nutzer ein vollständiges Bild über den Ist-Zustand der Atmosphäre in zwei Meter Messhöhe und der Bodenfeuchte und -temperatur bis in 60 cm Tiefe. Gleichzeitig werden die Feldmessungen als Antriebsdaten und zur Datenassimilation in einem ParFlow/CLM Hydrologie-Landoberflächen-Säulenmodell eingesetzt mit dem täglich auf die Parzelle genau Standortvorhersagen auf dem institutseigenen Rechencluster gerechnet werden. Durch diese Assimilation der beobachteten Bodenfeuchte wird jede Vorhersage von einem möglichst realitätsnahen Zustand gestartet. Zudem werden die Vorhersagen für jeden Standort 50-mal gerechnet, jeweils mit leicht unterschiedlichen Bodeneigenschaften. So wird ein sogenanntes Ensemble gebildet, das die Bandbreite der Bodeneigenschaften berücksichtigt und deren Auswirkungen auf den Bodenwasserhaushalt in der Umgebung des Messstandortes wiedergibt.
Unsere Installationsarbeiten werden von unseren Partnern aus der Landwirtschaft bisher sehr positiv aufgenommen. Teilweise greifen uns die Landwirte tatkräftig unter die Arme, zum Beispiel wenn es darum geht die über 70 kg schwere Messapparatur über den Acker zu ihrem Standort zu bringen. Aber auch von dem Erfahrungsaustausch mit den Landwirten profitieren wir: es werden nutzbare, am jeweiligen Bedarf orientierte Lösungsvorschläge für Anpassungsstrategien an das sich verändernde Klima eingefordert. So berichtete uns ein Landwirt aus der Region, auf dessen Acker wir unser Messsystem installiert haben, von seiner Sorge über die zunehmende Wasserknappheit. Zum Bewässern seiner Flächen steht ihm ein hofeigener Teich zur Verfügung, der sich normalerweise über das Jahr, und insbesondere während der Herbst- und Wintermonate, ausreichend mit Regenwasser füllt. Die letzten Jahre aber reichten die Niederschläge nicht mehr aus, um den Teich genügend zu füllen, so dass er bereits im Spätfrühling gezwungen war weitsichtig mit dem verfügbaren Wasser zu haushalten. Dabei sah er sich zu einer Risikoabwägung gezwungen, in der es abzuschätzen galt, weiter zu bewässern und Gefahr zu laufen, nicht mehr ausreichend Wasser im weiteren Jahresverlauf zu haben, oder doch eher in Kauf zu nehmen, die aktuellen Feldfrüchte und damit die Ernte zumindest teilweise zu verlieren und dafür eine folgende Frucht weiter bewässern zu können. Für den kommenden Anbauzyklus möchte der Landwirt unsere angebotenen Datenprodukte stärker in die betrieblichen Entscheidungen einfließen lassen. Solche Praxisbeispiele motivieren unsere Arbeit sehr, weil sie uns die Relevanz und praktische Nutzbarkeit unserer anwendungsbezogenen Forschung aufzeigen und verdeutlichen wie wichtig die Unterstützung für Akteure durch einen Wissens- und Technologietransfer ist, um den immer weiterwachsenden Herausforderungen im Zeichen des Klimawandels gewachsen zu sein.
Autoren: Patrizia Ney & Alexandre Belleflamme
Weitere Informationen:
https://www.adapter-projekt.de/ – Tagesaktuelles („Boden-„)Wetter und langfristige Klimawandelinformationen für die Landwirtschaft und alle Interessierten
https://www.biooekonomierevier.de/
Institut für Bio- und Geowissenschaften: Agrosphäre (IBG-3) am Forschungszentrum Jülich GmbH
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