VON LISA VINCENZ-DONNELLY

Die globale Landwirtschaft muss ertragreicher werden, damit wir genügend Nahrung für die wachsende Weltbevölkerung produzieren können. Aus diesem Grund suchen Forschende weltweit nach nachhaltigeren Anbaumethoden und nach neuen Sorten von Nutzpflanzen. Diese sollen nicht nur hohe Erträge liefern, sondern vor allem auch mit möglichst wenig Wasser und Nährstoffen auskommen, resistent gegenüber Pflanzenkrankheiten sein und Klima und Umwelt schonen.

Pflanzenforschung auf dem Feld: Versuch mit 41 Winterweizensorten in Bonn. Die achteckige Konstruktion im Vordergrund reichert die Luft mit CO2 an. Forschende des IBG-2 untersuchen, welche Sorten am besten unter hohen CO2-Bedingungen wachsen.
Foto/Credit: Oliver Knopf, IBG-2, Forschungszentrum Jülich

Die Weltbevölkerung wächst rasant: Laut Hochrechnungen der Vereinten Nationen müssen wir davon ausgehen, dass unser Planet im Jahr 2050 von 9,7 Milliarden Menschen bevölkert sein wird. Das sind zwei Milliarden Menschen mehr als im Jahr 2020 und bedeutet, dass wir sehr viel mehr Nahrungsmittel benötigen werden als heute. Um die Versorgung der Menschheit zu gewährleisten, werden wir die Erträge wichtiger Nutzpflanzen deutlich steigern müssen.

Doch das stellt die Menschheit vor große Herausforderungen. Ackerflächen werden knapp – wir müssen mit dem Land, das bereits für Landwirtschaft zur Verfügung steht, gut wirtschaften – und der Klimawandel bedroht zunehmend unsere Ernährungssicherung. Denn die globale Erwärmung führt dazu, dass Wasserressourcen knapp werden und neue Pflanzenkrankheiten entstehen. Sie erhöht außerdem die Häufigkeit und Schwere von Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen. Solche extremen Wetterbedingungen können ganze Erträge wichtiger Nutzpflanzen vernichten.

Gleichzeitig ist unser Lebensmittelsystem selbst ein wesentlicher Treiber des Klimawandels: Es trägt zu etwa 30% der gesamten Treibhausgasemissionen bei. Treibhausgase werden beispielsweise durch Landrodung und Abholzung freigesetzt, aber auch durch den landwirtschaftlichen Einsatz von Düngemitteln und anderen Chemikalien. Kühe, Schafe und Ziegen setzen Treibhausgase als Teil ihrer Verdauung frei. Und nicht zuletzt werden für Lebensmittelproduktion und Lieferung fossile Brennstoffe genutzt.

Das Ziel des Pariser Klimaabkommens ist es, den durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf deutlich unter 2°C zu begrenzen und es strebt eine Begrenzung des Anstiegs auf 1,5°C an. Allerdings haben wir wohl keine Chance, diese Ziele zu erreichen, wenn wir die Emissionen des Lebensmittelsystems nicht drastisch reduzieren. Zu diesem Ergebnis kam ein Forscherteam um Michael Clark von der Universität Oxford, das die Auswirkung des Lebensmittelsystems auf Umwelt, Wirtschaft und Gesundheit untersucht und kürzlich eine Studie im Magazin Science veröffentlichte. Selbst wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen aus allen anderen Quellen auf null reduzierten, so würden die Emissionen allein aus dem Nahrungsmittelsystem die 1,5°C-Grenze innerhalb der nächsten 30 bis 40 Jahre überschreiten, schätzen die Forscher.

Damit wir die Pariser Klimaziele erreichen können, müssen wir also das globale Lebensmittelsystem umfassend verändern. Die Forscher schlagen dazu eine Kombination von Maßnahmen vor. Darunter eine weltweite Umstellung auf eine pflanzenreichere Ernährung sowie eine effizientere und umweltfreundlichere Landwirtschaft mit höheren Erträgen und reduzierten Treibhausgasemissionen. Laut ihrer Berechnungen würde auch eine Ertragserhöhung von Nutzpflanzen allein die Klimabilanz unseres Lebensmittelsystems bereits entscheidend verbessern.

Doch die Landwirtschaft belastet die Umwelt nicht nur durch die Freisetzung von Treibhausgasen. Der Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden, großflächige Bewässerungen sowie der Anbau von Monokulturen haben in Jahrzehnten intensiven Ackerbaus schwerwiegende Schäden hinterlassen: Sie haben fruchtbare Böden massiv geschädigt, Grundwasservorräte erschöpft, Schädlingsbefälle begünstigt und bedrohen die Artenvielfalt.

Die Europäische Kommission hat sich nicht zuletzt mit dem europäischen Green Deal zum Ziel gesetzt, die Landwirtschaft und unser gesamtes Lebensmittelsystem nachhaltiger zu gestalten. Die Umwelt soll besser geschützt und die Netto-Treibhausgasemissionen der Mitgliedsstaaten bis 2050 auf null reduziert werden. Doch wie kann Landwirtschaft ertragreicher und zugleich umweltfreundlicher werden?

Eine Strategie ist der Anbau von Pflanzensorten, die besonders stressresistent sind, beispielsweise robust gegenüber extremen Wetterbedingungen oder Krankheitserregern, und mit wenig Wasser oder Nährstoffen auskommen. Pflanzen, die als Nahrungsmittel angebaut werden, sollten zudem nicht nur hohe Erträge mit einem möglichst hohen Kaloriengehalt liefern, sondern auch reich an Vitaminen und Mineralstoffen sein.

Um herauszufinden, welche Pflanzen unter bestimmten Umweltbedingungen die besten Qualitäten zeigen, betreiben Forscher auf der ganzen Welt Pflanzenphänotypisierung: Sie vergleichen das Wachstum, die Strukturen, die Funktionen und die Beschaffenheit unterschiedlicher Pflanzensorten in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen, unter denen sie angebaut werden. Dafür untersuchen sie Pflanzen in verschiedenen Umgebungen – im Freiland, wo sie verschiedenen Wetterbedingungen ausgesetzt sind oder in großen Gewächshäusern, wo sie unter sehr kontrollierten Bedingungen wachsen. So auch die Biologin Aleksandra Radanović, die am Institut für Feld- und Gemüsekulturen in Novi Sad, Serbien, daran forscht, wie verschiedene Sonnenblumensorten mit Wassermangel zurechtkommen. Sonnenblumen gehören unter anderem zu den wichtigsten Quellen für Pflanzenöl und sind darum für das Lebensmittelsystem besonders wichtig. Sorten, die auch mit wenig Wasser gesund wachsen können, würden Dürren standhalten und Wasserressourcen schonen.

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Was ist Pflanzenphänotypisierung?

Radanović interessiert sich dabei nicht für die unmittelbar sichtbaren Eigenschaften der Pflanzen, sondern auch dafür, was unter der Erde vor sich geht. Denn die Beschaffenheit der Wurzeln, über die die Pflanzen Wasser aufnehmen, verrät viel darüber, wie sensibel eine bestimmte Sorte auf Wassermangel reagiert. Um einen Blick unter die Oberfläche zu erlangen, reiste die Forscherin 2019 nach Deutschland und führte Experimente am Institut für Pflanzenwissenschaften (IBG-2) des Forschungszentrum Jülich durch. Hier pflanzte Aleksandra Radanović verschiedene Sonnenblumensorten in spezielle Gefäße, sogenannte Rhizotrone, die durch Fenster freie Sicht auf das gesamte Wurzelsystem der Pflanze bieten.

In einem der großen Gewächshäuser des IBG-2 fährt eine Kamera automatisch an den Rhizotronen vorbei und nimmt in regelmäßigen Abständen Bilder der Wurzeln auf. In der automatisierten Anlage können bis zu 72 Pflanzen innerhalb von 1,5 Stunden abfotografiert werden. Dies ermöglichte es der Forscherin, systematisch zu analysieren, wie eine große Anzahl von Sonnenblumen auf Wassermangel reagieren – ein Experiment, das sie an ihrem Heimatinstitut nicht hätte durchführen können. Denn dort fehlt es an geeigneten Geräten. „Es ist dringend notwendig, dass Forscher Zugang zu Phänotypisierungsanlagen auf europäischer Ebene erhalten“, sagt Radanović.

Zugang zum Jülicher Gewächshaus erlangte sie über das EU-Projekt EPPN2020. Langfristig soll Forschenden der europaweite Zugang zu Anlagen wie dieser über die Forschungsinfrastruktur EMPHASIS ermöglicht werden. Der Aufbau von EMPHASIS wird am IBG-2 koordiniert und von der EU finanziert, um Pflanzenforschung voranzutreiben, die es sich zum Ziel setzt, unsere zukünftige Nahrungsmittelversorgen unter Berücksichtigung des Klimawandels zu sichern und eine nachhaltigere Landwirtschaft zu fördern. Studien wie die von Aleksandra Radanović helfen uns zu verstehen, wie wir Nutzpflanzen in Zukunft optimal anbauen können. Nur so können wir gewährleisten, genug Nahrungsmittel für die Weltbevölkerung zu produzieren und gleichzeitig die Umwelt schonen.

Freie Sicht auf Maiswurzeln in Rhizotronen. Foto: Uwe Limbach, Forschungszentrum Jülich

Quellen:

United Nations, 2019 Revision of World Population Prospects: https://population.un.org/wpp/

Clark M.D., Domingo N.G.G., Colgan K., Thakrar S.K., Tilman D., Lynch J., Azevedo I.L., Hill J.D. (2020) Global food system emissions could preclude achieving the 1.5° and 2°C climate change targets, Science 370, 705-708. https://doi.org/10.1126/science.aba7357  

Nagel K. and Radanović A. (2020) SunDeep: Examination of water sensitivity in sunflower, https://youtu.be/ZQQSsKBz7S4

Miladinović D., Hladni N., Radanović A., Jocić S., Cvejić S. (2019) Sunflower and Climate Change: Possibilities of Adaptation Through Breeding and Genomic Selection. In: Kole C. (eds) Genomic Designing of Climate-Smart Oilseed Crops. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-93536-2_4

Nagel, K. A.; Putz, A.; Gilmer, F.; Heinz, K.; Fischbach, A.; Pfeifer, J.; Faget, M.; Blossfeld, S.; Ernst, M.; Dimaki, C.; Kastenholz, B.; Kleinert, A.-K.; Galinski, A.; Scharr, H.; Fiorani, F.; Schurr, U. (2012). GROWSCREEN-Rhizo is a novel phenotyping robot enabling simultaneous measurements of root and shoot growth for plants grown in soil-filled rhizotrons, Functional plant biology 39(11), 891-904. https://europepmc.org/article/med/32480839

Broschüre der Food and Agriculture Organization der United Nations zu Sustainable crop production intensification: http://www.fao.org/3/i7477e/i7477e.pdf

Roberts, D. P. and Mattoo, A. K. (2019) Sustainable Crop Production Systems and Human Nutrition Front. Sustain. Food Syst. https://doi.org/10.3389/fsufs.2019.00072

Der europäische Green Deal: https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de

EU-Projekt EPPN2020: https://eppn2020.plant-phenotyping.eu/

Europäische Forschungsinfrastruktur EMPHASIS: https://emphasis.plant-phenotyping.eu/

About IBG-2 Pflanzenwissenschaften

Das IBG-2 entwickelt Lösungen für nachhaltiges, bio-basiertes Wirtschaften auf Basis von Pflanzen und pflanzlicher Biomasse. Wir erarbeiten innovative Konzepte und Technologien zur Vermessung von Pflanzen im Labor, Gewächshaus und Feld, und bringen in der Bioökonomie Natur- und Ingenieur-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften zusammen. Wir leben eine interdisziplinäre Denkweise, um drängende gesellschaftliche Probleme zu lösen. Im Bioeconomy Science Center forschen wir seit 10 J. multidisziplinär im Kompetenzverbund mit Partnern aus NRW. Im Strukturwandel erarbeiten wir gemeinsam mit der Region das „BioökonomieREVIER Rheinland“ die erste Modellregion für Bioökonomie.

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  1. Her mit den Daten! – Ein Speicherort für neue Erkenntnisse zur Hitze- und Trocken- Stresstoleranz einer alten Ölsaat

    […] weiterhin möglichst ertragreichen und ressourcenschonenden Anbau betreiben (siehe dazu auch „Der Anbau der richtigen Pflanzensorten schützt die Umwelt und sichert unsere Nahrungsversorgung“ in diesem Blog). Dazu besinnt man sich auch auf Sorten und Arten, die vor langer Zeit angebaut […]