Biotechnologische Verfahren werden zunehmend für die Synthese von Wert- und Wirkstoffen aus erneuerbaren Ressourcen eingesetzt. Hierbei werden mithilfe einzelner Enzyme oder ganzer Mikroorganismen verschiedenste biobasierte Verbindungen hergestellt. In solchen Verfahren können eine Vielzahl von Mikroorganismen – beispielweise Pilze oder Bakterien – verwendet werden, die sich aufgrund der unterschiedlichen Lebensräume deutlich in ihrer Lebensweise unterscheiden. Während sogenannte chemotrophe Mikroorganismen ihre Energie zum Beispiel durch die Oxidation von chemischen Verbindungen gewinnen, verwenden phototrophe Organismen das Sonnenlicht als Energiequelle für ihre Stoffwechselprozesse. So fangen Mikroalgen und phototrophe Bakterien Licht mit geeigneten Farbstoffen wie etwa dem Chlorophyll ein und wandeln es in chemische Energie um. Durch diese besondere Fähigkeit eröffnen phototrophe Mikroorganismen neue Möglichkeiten bei der Entwicklung nachhaltiger und umweltfreundlicher Produktionsprozesse.
Im Institut für Molekulare Enzymtechnologie wird für diese Zwecke das phototrophe Bakterium Rhodobacter capsulatus erforscht, welches, anders als Pflanzen und Algen, nicht sichtbares Licht nahe dem Infrarotbereich absorbiert und bei Bedarf Kohlenstoffdioxid (CO2) und molekularen Stickstoff (N2) aus der Luft als Kohlenstoff- und Stickstoffquelle nutzen kann. Es kann somit quasi von Licht und Luft leben. Wenn kein Licht, aber genügend Sauerstoff zur Verfügung steht, kann dieses Bakterium seinen Stoffwechsel jedoch auch anpassen und andere Energiequellen nutzen.
Während des phototrophen Wachstums bilden Rhodobacter Zellen im Inneren kugelförmige Membransysteme aus – sogenannte intrazytoplasmatische Membranvesikel – die den Photosyntheseapparat und die dazugehörigen Photopigmente beherbergen. Neben dem bereits erwähnten Chlorophyll, werden so auch orangefarbene Carotinoide natürlicherweise in großen Mengen produzieren und in den Membrankügelchen gespeichert.
Carotinoide gehören, chemisch betrachtet, zu der Klasse der sogenannten Terpene. Hierbei handelt es sich um eine große Gruppe strukturell vielfältiger Naturstoffe, die in verschiedenen industriellen Bereichen als Farb-, Duft- Geschmacks- oder Wirkstoffe eingesetzt werden (Infobox). Doch können wir nun tatsächlich phototrophen Bakterien wie Rhodobacter die Synthese solcher Pflanzenstoffe beibringen? Und inwieweit kann die Produktion jener biotechnologisch relevanten Naturstoffe durch Licht verbessert werden? Diesen Fragen sind wir in einem multidisziplinären Forschungsteam des CLIB-Kompetenzzentrums Biotechnologie (CKB) und des BioSC FocusLabs CombiCom nachgegangen.
Um pflanzliche Naturstoffe, wie etwa das Sesquiterpen b-Caryophyllen, in phototrophen Bakterien zu produzieren, müssen zunächst die passenden genetischen Informationen aus der ursprünglichen Pflanze auf Rhodobacter übertragen und „lesbar“ gemacht werden. Nur so hat die Zelle alle Baupläne parat, um das wirtsfremde Terpen zu produzieren. Der gezielte Umbau des bakteriellen Carotinoid-Synthesewegs kann zudem die Produktionsmenge des Pflanzenterpens maßgeblich erhöhen. Der Produktionsprozess läuft in Rhodobacter mit Licht deutlich besser. Licht scheint die Zellen tatsächlich erst so richtig munter und produktiv zu machen! Während die Optimierung des Produktionsstammes im Milliliter-Maßstab stattfindet, ist es möglich den eigentlichen Produktionsprozess in lichtdurchlässigen Schläuchen mit mehreren Litern Fassungsvermögen durchzuführen. Diese Anzuchtmethode ist bereits für Algen im IBG-2 entwickelt worden.
Somit lässt sich in Rhodobacter die phototrophe Lebensweise tatsächlich mit umweltfreundlichen und energieeffizienten Produktionsprozessen hervorragend verbinden. Eines wird deutlich: Sonnenlicht als Energiequelle für die Erzeugung von natürlichen Wirk- und Farbstoffen sowie ansprechenden Düften und Aromen – Rhodobacter capsulatus fühlt sich wahrhaftig auf der Sonnenseite des Lebens zu Hause.
Zusatzinformationen: Carotinoide und Terpene
Carotinoide sind für Mensch und Tier wichtige Vitalstoffe, die nicht nur Bakterien wie Rhodobacter capsulatus, sondern auch Möhren oder Paprika ihre charakteristische Farbe verleihen. Das bekannte b-Carotin ist beispielsweise die Vorstufe von Vitamin A. Carotinoide gehören zur großen Gruppe der strukturell sehr unterschiedlichen Terpene, welche meist von Pflanzen hergestellt werden. Dort sind sie beispielsweise für die Kommunikation mit Bestäubern oder zur Abwehr von Fressfeinden wichtig. Viele Vertreter der Terpenfamilie, wie das intensiv gelb-orange b-Carotin oder der in Citrusfrüchten vorkommende Aromastoff Valencen werden in der Lebensmittel-, Futtermittel- und Kosmetik-Industrie als Farb-, Duft- und Geschmacksstoffe eingesetzt. Darüber hinaus spielen verschiedene Terpene, wie etwa das gegen Malaria wirksame Sesquiterpen Artemisinin, aber auch in der Pharmaindustrie eine bedeutende Rolle.
Übrigens: Kürzlich wurde in der Forschungsgruppe Molekulare Phytomedizin des Instituts für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz der Universität Bonn nachgewiesen, dass das in Rhodobacter herstellbare Sesquiterpen b‑Caryophyllen als biologischer Wirkstoff gegen pflanzenschädigende Pilze eingesetzt werden kann. Wer mehr über die Produktion verschiedenster Terpene in phototrophen Organismen erfahren möchte, findet hier ein aktuelles Review zu diesem Thema.
Ein Beitrag von Fabienne Knapp, Oliver Klaus und Thomas Drepper
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