Die Freude und Aufregung steigen mit den Vorbereitungen für den diesjährigen Tag der Neugier im Forschungszentrum Jülich (FZJ). In diesem Artikel versuchen wir Ihnen einen kleinen geschichtlichen Überblick über das zu geben, was anfangs, vor mehr als 60 Jahren, nur ein Tag der offenen Tür war.

Gab es schon immer Tage der offenen Tür?

Ganz am Anfang, der damaligen Kernforschungsanlage (KFA), war das Gelände frei zugänglich. Erst 1961 wurde es, aus Angst vor Spionen, insbesondere aus der DDR und in den 70er Jahren vor Terroristen, umzäunt. Dadurch wurde das Interesse daran, die Anlage zu entdecken, größer.

In dem Rundschreiben Nr. 128 vom 17. Oktober 1961 wurde der erste „Tag der offenen Tür“ angekündigt.

(Rundschreiben Nr 128 (17.10.1961) [VS 15])

Am 21. Oktober 1961 konnte man von 9 bis 13 Uhr den Reaktor FRJ 2 (Dido), das Institut für Plasmaphysik sowie die Abteilung Strahlenschutz besichtigen. Aus Sicherheitsgründen wurde der Eintritt für Kinder unter vierzehn Jahren nicht zugelassen.

Nach dem ersten Tag der offenen Tür gab es drei Phasen in der Organisation des Events.

Erste Phase 1961-1974

1961-1974 fand der Tag der offenen Tür jährlich statt, sogar zweimal im Jahr 1962 und 1967.

(Flyer Tag der offenen Tür 1968 [VV 840])

Zweite Phase 1993-2001

Nach 19 Jahren „Abstinenz“ [1] fand wieder ein Tag der offenen Tür statt. „Dieser Tag soll der KFA wieder Gelegenheit geben, Ihre Arbeit einem breiteren Kreis von Interessierten gegenüber transparent zu machen und zur Pflege der nachbarschaftlichen Beziehungen beizutragen“ [2]. .Jedes zweite oder dritte Jahr zwischen 1993 und 2001 wurden nicht mehr nur Familien, Freunde und Bekannte der KFA-Mitarbeiter:innen, sondern auch die Bevölkerung Jülichs eingeladen.

(Flyer Tag der offenen Tür 1993 und 1994 mit Extraflyer für das Institut für Festkörperforschung [VV 476])

Dritte Phase seit 2004

Seit 2004 findet der Tag der Neugier jedes 2., 3. oder 4. Jahr statt.

(Flyer Tag der offenen Tür 2004 [VV 840])

Zwischendurch wurden auch Informationstage, Besuchersamstage, Kinderfeste oder Sommerfeste angeboten.
[Übersichtstabelle unten]

Die Neugier auf die Forschung war immer groß. Parallel zu diesen besonderen Tagen waren kontinuierlich Gruppen und Einzelne Besucher:innen zu Gast wie Klassen, Politiker, Vereine oder Ausland-Delegationen. Diese große Resonanz hat dazu geführt, dass eine Besichtigung nur mit Anmeldung möglich wurde. Diese war manchmal ein Jahr im Voraus nötig.

Was waren die Ziele?

In den Akten lassen sich die verschiedenen Ziele der Organisatoren entdecken:

  • Für die Mitarbeiter:innen bietet dieser Tag die Gelegenheit, Einrichtungen außerhalb ihres eigenen Arbeitsbereiches kennenzulernen.
  • Für das Publikum bietet es die Gelegenheit, sich über die Aufgaben und Ziele zu informieren. Die KFA und danach das FZJ hat sich bemüht, sich „in seiner spannenden Vielfalt, Kreativität und Produktivität erkennbar zu machen“. [1]
  • Für Prof. Treusch, Vorstandsvorsitzender, war es wichtig zu zeigen, dass „Die Technik für die Zukunft eine Chance und kein Risiko ist“. [Jülicher Nachrichten 6.9.1993]
  • Für die Umgebung war die Darstellung des FZJ als „sympathischer Nachbar in der Region“ (2006) wichtig.

Laut der Jülicher Volkzeitung von dem 20.6.1994, „bietet [die KFA] einiges für ihr Geld – Dem einzelnen Bürger als Steuerzahler nahe zu bringen, welcher Nutzen sich aus der Forschungsförderung für die Gesellschaft ergibt“.

Was wurde angeboten?

Die Organisation solcher Events wird vom Vorstand bis zu den Instituten unter der Koordination der Öffentlichkeitsarbeit bis zu drei Jahren im Voraus vorbereitet: Budget, Kommunikation, Beschilderung, Transport, Sicherheit, Verpflegung usw.

Das Prinzip von Parkplätzen in der Stadt mit Pendelbussen, einem Autofreien Gelände und Rundfahrten war seit dem Anfang klar [3].

Wissenschaft

Mit der Zeit konnte man immer mehr Gebäude, Instituten und Experimente besichtigen. Ausgenommen sind der äußere Sicherungsbereich (Reaktoren und Heiße Zellen), die Dekontamination, die Chemiezellen und alle Kontrollbereiche.

Tag der offenen Tür am 9. Juni 1968 : Die volle Leistung des Kugelhaufen-Reaktors wurde am 15. Februar 1968 erreicht. Eine Besichtigung des Versuchs-Kernkraftwerks war nicht möglich, aber ein Modell des Reaktors (Maßstab 1:50) war im Foyer der Bibliothek zu sehen.

(Piktogramme Tag der offenen Tür 05.09.1995 [VV 476])

Die Tage wurden von Vorträgen, Ausstellungen, Filmen (z.B. „Die schwerelosen Spione“) und Diaschaus (z.B. „Im Mittelpunkt der Mensch“) angereichert.

Forschungsrallyes, mit zu gewinnenden Preisen, wurden von den Besucher:innen gut angenommen.

Nicht nur die wissenschaftlichen Experimente wurden präsentiert, sondern auch zum Beispiel die Bibliothek, die Medizinabteilung oder die Feuerwehr.

Animationen

Im Laufe der Jahre wurden immer mehr Animationen angeboten: Konzerte, Orchester, berühmte Musikbands wie Bläck Fööss (1996, 2004) oder Tanzvorstellungen.

(Flyer Tag der offenen Tür 2004 [VV 840])

Man konnte 1993 in einem Hochseilgarten klettern oder 2004 Vertibike ausprobieren.

Kinder wurden besonders ab 1999 herzlich eingeladen und ein spezielles Unterhaltungsprogramm wurde für sie angeboten: Hüpfburg, Die Maus (2001 und 2004), Kinderschminken, Puppentheater, Kinderwasserwerk und vieles mehr.

Manchmal wurden auch ungewöhnliche Attraktionen, wie Modelleisenbahn (1974) oder Bierauschank Computer-gesteuert im Zentrallabor für Elektronik (ZEL) (1972), angeboten. 1999 wurde Gert Mittring, mehrfacher Weltrekordhalter im Kopfrechnen, eingeladen.

Verpflegung

Getränkestände, Imbissstände, Eisverkauf sowie der Zugang zu Casinos gehörten im Laufe der Zeit zu der feierlichen Stimmung des Tages.

Von einer lustigen „Katastrophe“ wurde 2013 im Intern Magazin berichtet: „Das einzige Manko des Tages […]: Bereits mittags waren aufgrund des großen Andrangs die Currywürste aus.“ [Intern Heft 4, 2013].

Eine beliebte Attraktion war 1993 „Hier Zapft der Chef persönlich!“. Vorstandsvorsitzender Prof. Joachim Treusch zapfte und servierte am Getränkestand.

(KFA Intern 1993, Heft 3, S.7)

Highlights

Der 100.000. Besucher

Am späten Nachmittag des 19. August (15. Tag der Offenen Tür) traf der einhunderttausendste Besucher eines Tages der offenenTür am Haupttor der KFA ein. Dr. Slemeyer, Stellvertreter Vorstandsvorsitzender, begrüßte das Ehepaar T. Cichorius aus Wickrath und überreichte ihnen Blumen und ein Buchgeschenk.

(Foto KFA-intern, Heft 4, Oktober 1973)

Die runden Jubiläen

Besonders gefeiert wurden die runden Jubiläen.

1996: 40 Jahre Bestehen mit dem Besuch von Bundeskanzler Helmut Kohl.

Das Buch „Das Forschungszentrum: eine Geschichte der KFA Jülich von ihrer Gründung bis 1980“ von Bernd-A. Rusinek wurde, zu diesem Anlass, veröffentlicht.

2006: 50 Jahre Bestehen mit der Teilnahme von Minister-Präsident Jürgen Rüttgers und der Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan.

(Flyer Tag der offenen Tür 2006 [VV 840])

2016: 60 Jahre Bestehen. Eine historische Ausstellung in der Zentralbibliothek mit 25 Tafeln, zwei Bildschirmen und eine historische Internetseite wurden dafür extra gestaltet.

Tag der Neugier 2022

Am 21. August 2022 öffnet das Forschungszentrum wieder seine Türen. Unter dem Motto „Wandel gestalten“ können große und kleine Gäste den Campus des Forschungszentrums erkunden und hautnah Wissenschaft erleben. Auf die Besucher:innen warten leicht verständliche Präsentationen und viele Mitmachaktionen, die die Neugier wecken und Einblicke in den Jülicher Forschungsalltag gewähren. Infos und Programm hier.

(Tag der Neugier 2022)

Übersichtstabelle 1961-2022

DatumNameMottoBesucherAutosKommentarProminentenbesuche
21.10.1961Tag der Offenen Tür 2706   
06.01.1962Tag der Offenen Tür 1716   
16.06.1962Tag der Offenen Tür 978   
19.05.1963Tag der Offenen Tür 98002315  
21.06.1964Tag der Offenen Tür 8000   
16.05.1965Tag der Offenen Tür 9136   
26.06.1966Tag der Offenen Tür 8245 Erstmalig im Foyer des Hörsaalgebäudes wurde eine Fotoausstellung aufgebaut, die mit Großaufnahmen der Bildstelle die einzelnen Phasen des Aufbaus der Kernforschungsanlage Jülich in fast zehnjähriger Arbeit verdeutlichte 
04.06.1967Tag der Offenen Tür 97311900  
15.10.1967Tag der Offenen Tür 6922 Anlässlich der Jülicher Regionalausstellung ,,Rheinlandschau“ öffnete die KFA erneut für jedermann ihre Tore. 
09.06.1968Tag der Offenen Tür 6700   
06.07.1969Tag der Offenen Tür 6420   
24.05.1970Tag der Offenen Tür 74002215Dieser Tag fiel mit dem Schlußtag der 2. Rheinlandschau Jülich zusammen. 
27.06.1971Tag der Offenen Tür 8060   
13.08.1972Tag der Offenen Tür 79112200  
19.08.1973Tag der Offenen Tür 6525 100.000 Gäste 
15.09.1974Tag der Offenen Tür 11.433   
26.06.1977Sommerfest   20 Jähriges Bestehen 
26.06.1982Sommerfest     
09.11.1984Informationstag   5. Mal 
29.09.1985Informationstag 7.300   
28.09.1986Informationstag     
20.09.1987Informationstag     
05.09.1993Tag der Offenen TürWissenschaft zum Anfassen13.000   
19.06.1994Tag der Offenen TürWissenschaft zum Anfassen15.000 Bundesweiter Tag der Offenen Tür in allen Forschungszentren auf Wunsch des Bundeskanzlers. Tage der ForschungBundesforschungsminister Paul Krüger
NRW-Wissenschaftsministerin Anke Brunn
Josef Vosen MdB
Landrat Adolf Retz
01.09.1996Tag der Offenen TürZukunft ist unsere Aufgabe35.000 40 Jähriges BestehenBundeskanzler Helmut Kohl
28.09.1997Kinderfest     
05.09.1999Tag der Offenen TürFun & Facts40.000   
02.09.2001Tag der Offenen TürFun & Facts40.000   
27.06.2004Tag der NeugierTagderneugier.de50.000 
Bundesweit „Jahr der Technik“
 
10.09.2006Tag der Neugier50 Jahre Zukunft   Minister-Präsident Jürgen Rüttgers
Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan
06.09.2009Tag der Neugier 40.000   
29.09.2013Tag der NeugierZukunftscampus20.000   
05.06.2016Tag der Neugier60 Jahre Forschung im Zentrum16.000 60 Jähriges Bestehen
Ausstellung
Campus-App
 
07.07.2019Tag der NeugierEine Reise in die Zukunft28.000   
21.08.2022Tag der NeugierWandel gestalten?   

Bilanz

1993, nach dem Tag der offenen Tür nach der langen Pause, wurde von der Öffentlichkeitsarbeit ein Abschlussbericht geschrieben. Riesige Kosten für Werbung, Busse, Musik usw. wurden festgestellt, die Teilweise durch den Verkauf von Porzellantassen kompensiert wurden. [4] Die Resonanz der Tage der offenen Tür und danach Tage der Neugier weit über Jülich hinaus war aber immer groß: Gäste kamen auch aus Belgien und aus den Niederlanden. Berichte in der Nationalpresse waren auch zu lesen. Die höchste Besucherzahl wurde 2004 mit 50.000 Gästen erreicht.

Falls Sie weitere Erinnerungen und Dokumente mit uns teilen möchten, können Sie gerne das Vorstandsarchiv kontaktieren. v.kentzinger@fz-juelich.de


[1] Brief des Vorstandes an alle Mitarbeiter*innen (9.9.1993). [VV 476]

[2] Mitteilung (10. März 1993) [VV 2427]

[3] Rundschreiben Nr 128 (17.10.1961) [VS 15]

[4] Abschlussbericht zum Tag der offenen Tür der KFA am Sonntag, 5. September 1993 (8.12.1993) [VV 746]


About Véronique Kentzinger

Véronique Kentzinger leitet seit August 2019 das Vorstandsarchiv. Sie hat in Frankreich Geschichte und Archivwissenschaften studiert (Maitrise des métiers de la culture, des archives et de la communication in Mulhouse und Diplome d’informatique documentaire in Lyon). Nach drei Jahren in dem Finanzministerium in Paris hat sie in der Fachbibliothek des Museums Zitadelle Jülich gearbeitet.

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