1973 wurde das Gästehaus in Jülich feierlich eingeweiht. 50 Jahre später ist es immer noch ein internationaler Höhepunkt in Jülich.
Das Gästehaus liegt in der Münchener Straße in Jülich, auf dem ehemaligen Artilleriefahrplatz, und bietet die Möglichkeit, Stadtleben und Arbeit zu verbinden. Es steht nur Mitarbeitende, Studierende oder Gastwissenschaftler:innen des Forschungszentrums Jülich zur Verfügung.
I. Chronik
1961
Die erste Planung für ein Gästehaus-Raumprogramm entstand im Staatshochbauamt.
1965: Erste Erwähnung des Gästehauses im Archiv
In der 24. Sitzung des Verwaltungsrates (18.2.1965) der Kernforschungsanlage (KFA): „In Planung seien folgende Gebäude: Casino II, Chemiereaktor, Gästehaus, Impulsreaktor, Zerlegungszelle in konventioneller Bauweise.“
1968
In der 9. Sitzung der Hauptkommission des Wissenschaftlichen Rates (HK) am 23.9.1968 erläuterte Dr. Nürnberg, dass er von den Plänen der KFA gehört habe, ein Gästehaus mit 40 Appartements zu bauen. Bei den der KFA vorgesetzten Behörden herrschte die Meinung, dass kaum jemals 40 Gastmitarbeiter gleichzeitig in der KFA arbeiten würden. Dr. Nürnberg vertrat die Ansicht, dass das Gästehaus in der geplanten Größe gebaut werden sollte, da Gastwissenschaftler erst dann zur KFA kommen würden, wenn die notwendigen Unterkünfte angeboten werden könnten. Die Hauptkommission befürwortete den Bau des Gästehauses im geplanten Umfang und beschloss, auf einer der nächsten Sitzungen über den Bau des Gästehauses anhand der Baupläne zu beraten.
In der 10. HK Sitzung am 7.10.1968 berichtigte Dr. Hocker, Juristisches Vorstandsmitglied, dass nicht 40 Apartments geplant seien, sondern 60 Einzimmer-Apartments, die sich bei Bedarf zu größeren Einheiten zusammenschließen lassen. Dr. Hocker erläuterte an einigen Beispielen die Notwendigkeit eines Gästehauses. Die Hauptkommission diskutierte kurz über den Bau des Gästehauses. Prof. Dr. Schulten, Vorsitzender, bat die interessierten Mitglieder der Hauptkommission, die Baupläne für das Gästehaus bei der Projektabteilung einzusehen. Auf eine Frage von Dr. Nürnberg antwortete Dr. Hocker, dass für das Gästehaus kein Hotelbetrieb vorgesehen sei. Die Gästehausbewohner werden lediglich das Frühstück im Gästehaus erhalten können. Es seien einige Gesellschaftsräume vorgesehen; für Bewirtung soll Kalte Küche zur Verfügung stehen. Nach Diskussion empfahl die Hauptkommission, das Gästehaus in der geplanten Größe (60 Wohnungseinheiten) möglichst schnell zu bauen.
1970
Am 7.7.1970, in der 4. Aufsichtsratssitzung berichtete der Geschäftsführer, Dr Slemeyer, die gegenwärtig beim Bauverfahren bestehenden Schwierigkeiten im einzelnen anhand des Bauvorhabens Gästehaus eingehend dar.
Auf die Frage von Ministerialdirigent a.D. Dr. Schneider-Muntau, ob der Bau des Gästehauses in der gegenwärtigen Konjunktursituation sinnvoll sei, betonte Dr. Schröck-Vietor (kommissarischer stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums), dass die wachsenden internationalen Beziehungen der KFA, insbesondere im Rahmen der von der Bundesrepublik mit auswärtigen Staaten geschlossenen bilateralen Abkommen über die Zusammenarbeit auf den Gebieten von Kernforschung und Technologie, das Gästehaus dringend erforderlich machten.
August 1972: Richtfest
Das Richtfest fand in Anwesenheit der Verantwortlichen des Staatshochbauamtes für die KFA statt, das zurzeit von Bau-Assessor Gelehn kommissarisch geführt wurde. Ebenfalls anwesend waren der Lt. Baudirektor Langner, der als Chef dieses Amtes die Planung für das Gästehaus verantwortlich leitete, der erste Stellvertreter des Jülicher Bürgermeisters, Dil.-Volkswirt Blankenagel, sowie Prof. Beckurts, wissenschaftlich-technischer Geschäftsführer der KFA.
1973
Bei der 9. Sitzung des Aufsichtsrats (23.3.1973), zu den Baumaßnahmen der KFA, führte der Wissenschaftliche Geschäftsführer Prof. Beckurts aus, dass das Baugenehmigungsverfahren obwohl die Neuregelung des Verfahrens noch nicht erfolgt sei im letzten Jahr wesentlich schneller abgewickelt worden sei. Er dankte hierfür den Gesellschaftern. Von den größeren Baumaßnahmen werde das Gästehaus im April […] bezugsbereit sein.
Am 10.8.1973 wurden 350 Gäste zu einem Sommerfest und Einweihungsfeier eingeladen. Dort wurden die Willkommensgrüße in 27 Sprachen gehalten. Dr. Slemeyer, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, äußerte den Wunsch, dass „Das Gästehaus zu einer internationalen Begegnungsstätte im Herzen Jülichs wird“.
In der Zeitschrift KFA-Intern wurde das Gästehaus als „Höchstes Haus der Stadt Jülich“ bezeichnet.
1975
Schon 1975 laut Wirtschaftsplan „Der Bedarf an Gästewohnungen ist größer als die vorhandenen Mieteinheiten des Gästehauses. Die zusätzliche Anmietung von Gästewohnungen ist daher erforderlich“
1979
Bei der 21. Sitzung des Aufsichtsrates (22.5.1979) schlägt Herr Jochirnsen, Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen vor, dass die KFA gemeinsam mit der RWTH Aachen einen Antrag auf die Errichtung eines Gästehauses bei der Alexander von Humboldt-Stiftung stellen soll. Er werde einen solchen Antrag unterstützen, wenn die Übernahme der Betriebskosten durch die Antragssteiler gewährleistet werden können.
1991
Das Forschungszentrum Jülich (FZJ) hat 1991 Fragebögen zur Wohnsituation, Wohnzufriedenheit und Wohnungswünschen von ausländischen Gastwissenschaftler:innen und Doktoranden in deutscher und englischer Sprache erstellt und in den Instituten verteilt. Dabei zeigte sich, dass finanziell schlechter gestellte Wissenschaftler:innen überproportional häufig auf den freien Wohnungsmarkt verwiesen werden und seltener im Gästehaus oder KFA-Wohnungen unterkommen.
1995
In der 526. Sitzung des Vorstands des Forschungszentrums (8.3.1995) wurde die Einführung einer Tagesmiete bei kurzfristigen Gästen (bis zu 3 Monaten) zugestimmt.
1997
In der 568. Vorstandssitzung (20.1.1997) wurde berichtet, dass vonseiten der FH Jülich Interesse an einem gemeinsamen Gästehaus besteht. Die Finanzierung soll im Rahmen des Hochschulsonderprogramms HSP III erfolgen.
2001
Zum Jahresabschluss 2000 wurde berichtet, dass durch Reorganisationen in verschiedenen Bereichen alle klassischen Problemfelder des Jahresabschlusses, darunter Gästehäuser, Casinowesen und Werklinienverkehr, erfolgreich bearbeitet wurden.
2006-2012
Im Jahr 2006 stellte der Vorstand in der 76. Aufsichtsratssitzung innovative Facility-Management-Ansätze vor, insbesondere für das defizitäre Gästehaus. Trotz Überlegungen zu einem neuen Gebäude über ein Investorenmodell beschloss der Vorstand im November 2006 aufgrund hoher Kosten, den Eigenbetrieb des Gästehauses mittelfristig einzustellen. In den Jahren danach wurden verschiedene Lösungen geprüft, jedoch konnte bis Ende 2010 keine zufriedenstellende gefunden werden.
Im Jahr 2011 beschloss der Vorstand in der 823. Sitzung, den Weiterbetrieb des Gästehauses über den 31. Dezember 2011 hinaus unbefristet fortzusetzen und das Gebäude entsprechend gesetzlicher Erfordernisse zu ertüchtigen. Die Umwandlung von 3-Zimmerwohnungen in 1-Zimmerwohnungen wurde ebenfalls erwogen.
2013-2022
Über viele Jahre hinweg war das Gästehaus im Fachbereich Kaufmännische Angelegenheiten (TB-K) angesiedelt. Im Oktober 2020 erfolgte dann die Neubesetzung der operativen Leitung, die über Erfahrung im Hotelmanagement verfügt.
Im Sommer 2021 stieß eine weitere Mitarbeiterin zum Team, um die operative Leitung zu unterstützen. In dieser Zeit wurden auch schrittweise verschiedene Wohnungen umgebaut und neu möbliert.
Fazit
Aus den Akten des Vorstandsarchivs geht hervor, dass in Jülich ein ständiger Mangel an Wohnraum herrscht. Zudem war das Gästehaus schon kurz nach seiner Fertigstellung nicht mehr ausreichend. Weiterhin lässt sich aus den verschiedenen Sitzungen entnehmen, dass die Abrechnung der Kosten für Reinigung und Reparaturen ein Dauerproblem darstellte.
II. Beschreibung
Auf der Internetseite des Forschungszentrums ist folgendes über das Gästehaus zu lesen: (1.12.2023)
„Das Gästehaus befindet sich in der Jülicher Innenstadt in unmittelbarer Nähe zur Zitadelle:
Es verfügt über 61 Wohneinheiten, die sich über 10 Etagen verteilen. Zwei Aufzüge sind vorhanden. Angeboten werden Zimmer in Wohngemeinschaften (WG-Zimmer), Ein- und Zweizimmerwohnungen, in unterschiedlichen Größen und Möblierung sowie eine Dreizimmer-Wohnung.
Die Rezeption liegt direkt im Foyer des Gästehauses.
Im großzügig angelegte Garten befinden sich Sitzgelegenheiten, eine Basketballanlage, ein Outdoor-Schachspiel sowie ein kleiner Kinderspielplatz. Im Erdgeschoss bieten ein Aufenthalts- und ein zusätzlicher Seminarraum den Gästen die Möglichkeiten für Gruppengespräche, Videokonferenzen oder gemeinsames Fernsehen. Direkt am Haus stehen den Gästen kostenfrei PKW-Stellplätze und ein abschließbarer Fahrradabstellraum zur Verfügung.
Den Campus des FZJ erreicht man mit der Rurtalbahn. Die Haltestellt, Jülich Nord ist in drei Minuten fußläufig vom Gästehaus aus zu erreichen.„
III. Benutzung
Das Gästehaus konnte seit Anfang an auch für die Gäste / von den Gästen gebucht werden.
„Die Regel gilt, dass die Räume des Gästehauses für Feiern des Vorstandes, von Gästen des Hauses, von Gästen aus KFA-Gästewohnungen und des Internationalen Clubs genutzt werden können“ (20.03.1996) VV 873
Verschiedene Gruppen nutzten das Gästehaus gerne für ihre Aktivitäten:
1. Deutschunterricht
2. Schachgruppe
3. Treffen / Unterricht / Konversation auf Chinesisch, Russisch oder Französisch
4. International Club
Das Gästehaus war von Anfang an das Stammhaus des Internationalen Clubs. Bis 2020 fanden zahlreiche Veranstaltungen für die internationalen Gäste und ihre Familien statt.
a. Regelmäßige Dienstag-Treffen, Kinderspielgruppen.
b. Weihnachten / Nikolaus / Karneval / Ostern
c. Sommerfest und andere Feier
IV. Aktuell
Im Spätsommer 2023 erfolgte die Übernahme des Gästehauses durch das Immobilien- und Vertragsmanagement (TB-V). Dieser Fachbereich ist zuständig für das gesamte Immobilienmanagement externer Liegenschaften.
Das Projekt zur Umgestaltung des Foyers ist abgeschlossen.
V. Zukunft
Weitere Projekte sind geplant, um den Aufenthalt im Gästehaus für die Gäste so angenehm wie möglich zu gestalten:
- Gartengestaltung mit mehr Sitzgelegenheiten
- Umbau des Aufenthaltsraumes
- Umwidmung des Seminarraums in einen Co-Working-Bereich
- Angebot interaktiver Elemente im Foyerbereich mit Informationen über das FZJ und die Umgebung des Gästehauses
Haben Sie selbst im Gästehaus gewohnt? Haben Sie schöne Erinnerungen?
Dieser Artikel wurde mit Hilfe der Akten des Vorstandsarchivs verfasst: VV 873, Sitzungen des Vorstandes, der Hauptkommission des Wissenschaftlichen Technischen Rates, des Aufsichtsrates und der Zeitschrift Intern.
Liebe Frau Kentzinger, herzlichen Dank für diesen umfassenden (Rück-)Blick auf die Geschichte des FZJ-Gästehauses. Und wenn die „intern“ als Mitarbeitenden-Magazin des FZJ hierzu einen kleinen Beitrag leisten konnte, freut mich das sehr.
Lieber Herr Schiffer, das Intern-Magazin ist ohne Zweifel sehr reich an Informationen.
As one can see, the situation was already bad in 1975, and it got only worse since then, as we have *WAY* more workers than 50 years ago.
And we are still talking about it, while not really doing anything together with the city of Jülich to improve the situation.
Dear Véronique, Thank you for this very nice overview about the Gästehaus des Forschungszentrums. It was always nice having events there with the International Club. Families of Jülich researchers from all over the world would come together and spend time together while their kids would play with each other. There is a lot I learned about the history of the Gästehaus through this post. Thank you!
Thank you Gerd. Many foreign researchers remember the guesthouse very well.
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag.
Das Gästehaus ist fast som alt wie ich, und da ich in der dirketen Nähe aufgewachsen bin, ist es fest mit meinen Erinnerungen verbunden.
Jetzt zu wissen, das der Artelleriefahrplatz genau an dieser Stelle war, finde ich interessant. Ich hatte ihn eher mehr Richtung Irish Pub vermutet.
Gern würde ich mehr über die alten Gebäude auf dem Campus erfahren. Vielleicht eine Idee für die Intern, Herr Schiffer?
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Drautmann
Vielen Dank, Frau Drautmann.
Die Geschichte der alten Gebäude auf dem Campus ist sicher interessant und für viele mit Erinnerungen verbunden.
Schöne Grüße
Véronique Kentzinger