Es ist immer wieder aufregend, wenn eine Baustelle beginnt und damit ein zentraler Wendepunkt erreicht ist: aus Ideen und Planungen wird sukzessive gebaute Realität. Nahezu direkt neben dem Seecasino und damit am prominentesten Standort auf dem Campus ist die im Herbst 2021 gestartete Baustelle für den Klimaneutralen Verwaltungsneubau in vollem Gange. Mehrere Kräne sind weithin sichtbar und geschäftiges Treiben auf der Baustelle weist darauf hin, dass hier etwas Interessantes entsteht.
Standort G16.17 (Forschungszentrum Jülich)
Visualisierung G16.17 (hks | architekten GmbH)
Und interessant ist dieses Projekt wirklich! Für die Projektidee (BMWi-Antrag „EG20250), einen Verwaltungsneubau derart zu konzipieren, dass im Betrieb mindestens eine Einsparung von 80 % des nicht erneuerbaren Primärenergiebedarfs gegenüber einem FZJ-Referenzgebäude aus dem Jahr 2008 erreicht wird, eignete sich im Jahr 2018 das aktuell in der Realisierung befindliche Verfügungsgebäude G16.17 aus mehreren Gründen optimal. Zum einen passte es aufgrund des Raumprogramms: Es sollte ein Bürogebäude für ca. 300 Mitarbeiter mit Büro-, Besprechungs- und Seminarräumen entworfen werden. Zum anderen bot es sich aufgrund der zeitgemäßen Anforderungen an, da zudem das Gebäude derart flexibel konzipiert werden sollte, dass die Räume ohne erheblichen baulichen Aufwand einer jeweils anderen Nutzung oder räumlichen Aufteilung zugeführt werden können. Nicht zuletzt aber fiel die Wahl auf dieses Projekt, weil die Planungen zwar bereits gestartet waren, aber noch nicht in dem Maße finalisiert waren, dass Änderungen zu unverhältnismäßig hohen Unsicherheiten im weiteren Verlauf führen würden.
Daher wurde nun die Aufgabenstellung für das Verfügungsgebäude G16.17 während des laufenden Planungsprozesses ergänzt um diese Forschungsansätze aus der Energiesystemtechnik (IEK-10):
- Nutzung bisher ungenutzter Abwärme aus dem nahegelegenen Jülich Supercomputing Center (JSC) zur Versorgung des Neubaus (und der umliegenden Gebäude) mit Heizenergie (Blogbeitrag),
- konsequente Verwendung von Solarstrom durch Installation von Photovoltaik-Modulen auf allen möglichen Flächen von Dach und Fassaden,
- Anwendung eines innovativen, kosteneffizienten Lüftungsverfahrens zur Reduktion der Lüftungsverluste (Abb. 2 in Fachpublikation),
- Demonstration eines bedarfsgerechten, dynamischen und optimierten Gebäudebetriebs auf Basis von zum Beispiel modellbasierten prädiktiven Regelungsstrategien (multi-level MPC) (Fachpublikation, Fachpublikation),
- Entwicklung einer Cloud-basierten Informations- und Kommunikationsplattform (IKT-Plattform) als Grundlage für Monitoring, Simulation, Optimierung und Regelung (Blogbeitrag).
Ziel war und ist es, das Neubauprojekt Klimaneutraler Verwaltungsneubau in der Planung und im Betrieb um innovative Forschungsansätze zu erweitern. Eine Besonderheit stellt dabei die explizite Aufgabe dar, im späteren Betrieb messtechnisch nachzuweisen, dass die selbstgesetzten Vorgaben eingehalten werden und nicht – wie sonst üblich – nur das Ergebnis einer Auslegungsrechnung bleiben. Aus diesem Grund wird das Gebäude mit entsprechenden Zählern und Messtechnik ausgerüstet. Dieses System muss dabei so ausgelegt sein, dass es die verschiedenen Dynamiken der Einzelkomponenten berücksichtigt. So stellt z.B. die Betonkernaktivierung ein eher träges und die Steuerung von Jalousien ein flinkes System dar.
Die Ergebnisse werden die Grundlage für übertragbare Konzepte zur Verbesserung der Energieeffizienz in Gebäuden und Quartieren darstellen. Aktuell werden die Rohbauarbeiten realisiert; während dieser Bauphase sehen wir vom LLEC-Projekt quasi interessiert zu. Das wird sich bald ändern, wenn die Gewerke Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik (MSR), Elektro und Technische Gebäudeausrüstung (TGA) zur Ausführung kommen. Dann werden die von den beauftragten Firmen zu erstellenden Werk- und Montageplanungen mit den Anforderungen aus dem LLEC-Projekt letztmalig abgeglichen. Während der danach anstehenden baulichen Umsetzung wird die Sehnsucht immer größer, die geplanten Ideen endlich in der Realität testen zu können!
Baustelle G16.17 im Mai 2022 (Forschungszentrum Jülich)
Baustelle G16.17 im Oktober 2022 (Forschungszentrum Jülich)
Aber eins lässt sich jetzt schon konstatieren: Bauprojekte dieser Größenordnung sind immer hochkomplex; dabei werden die Herausforderungen noch anspruchsvoller, wenn Ideen aus der Wissenschaft in einen laufenden Planungsprozess integriert werden müssen. Bei der Auswertung auf Übertragbarkeit der Konzepte zur Verbesserung der Energieeffizienz in Gebäuden und Quartieren werden daher nicht „nur“ die technischen Ideen auf ihre Tauglichkeit hin evaluiert werden, sondern ein Teil ist auch die Identifikation der Zeitpunkte/der Leistungsphasen, in denen neuartige Ideen jeweils noch eingebracht werden können bzw. (vor dem Hintergrund der aktuellen energiepolitischen Entwicklungen) eingebracht werden müssen.
Neben der Fertigstellung und damit der Möglichkeit, die Wirksamkeit der Maßnahmen auszuwerten, blicken wir auch den Ergebnissen dieser selbstkritischen Evaluation freudig entgegen!
Wir danken dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für die Förderung dieses Projektes.
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