Um Erdöl durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen, werden landwirtschaftliche Flächen für den Anbau der Biomassepflanzen gebraucht. Gehen diese Flächen für die Nahrungsmittelproduktion verloren? Das ist nicht der Fall, wenn anspruchsarme Pflanzen auf Böden wachsen, die für die Nahrungsmittelproduktion ungeeignet sind. Im BioSC-Projekt AP3 arbeiten Wissenschaftler des IBG-2 an Konzepten zur Nutzung mehrjähriger Stauden als Rohstoffquelle für Chemikalien und Materialien.

 

Die Becherpflanze (Silphium perfoliatum) und die Virginiamalve (Sida hermaphrodita) sind schnellwachsende, mehrjährige Pflanzen, die nur geringe Ansprüche an die Bodenqualität stellen. Sie werden heute lediglich in kleinem Umfang und vor allem zur Energiegewinnung, d.h. für die Biogasproduktion oder als Festbrennstoff angebaut.

Biotechnologe Dr. Holger Klose
Quelle: Forschungszentrum Jülich

Wie können diese Pflanzen auch als nachhaltige Rohstoffquelle für hochwertige Chemikalien und Materialien genutzt werden? Darum geht es in dem interdisziplinären Projekt „Advanced Pulping for Perennial Plants“ (AP3) unter dem Dach des Forschungsverbundes Bioeconomy Science Center. Zusammen mit Wissenschaftlern der Universitäten Aachen, Bonn und Düsseldorf arbeitet seit drei Jahren ein Team aus Forschern um den Biotechnologen Holger Klose vom IBG-2 an diesem Projekt:

Biologin Dr. Silvia D. Schrey
Quelle: Forschungszentrum Jülich

Die Biologin Silvia Schrey beschäftigt sich mit einem optimierten Anbau der Pflanzen. Die Kultivierung auf nährstoffarmen und sandigen Böden, die ungeeignet für den Anbau von Nahrungsmitteln sind, erfordert alternative Herangehensweisen an die Vermehrung und Düngung. Silvia Schrey untersucht insbesondere, wie genetisch verschiedene Pflanzen mit den unterschiedlichen Nährstoffformen aus organischen bzw. mineralischen Düngern unterschiedlich erfolgreich Biomasse produzieren. Dafür kommen Technologien zur Vermessung von Pflanzen zum Einsatz, die am IBG-2 entwickelt wurden und mit denen das Wachstum und die Zusammensetzung von Pflanzen sehr genau charakterisiert werden können. So können für die Biomasseproduktion optimierte Boden-Dünger-Pflanzen Systeme entwickelt werden.

Genetisch verschiedene Pflanzen werden mit unterschiedlichen Düngestrategien angezogen.
Quelle: Forschungszentrum Jülich

Nachdem die Pflanzen geerntet worden sind, müssen sie in einer Bioraffinerie in ihre chemischen Bestandteile – Lignin, Cellulose und weitere Makromoleküle – aufgeschlossen werden. Wie gut sie sich aufschließen lassen, hängt vor allem von der Struktur und der Zusammensetzung der Zellwände ab. An diesem Zusammenhang forscht Holger Klose. Mit biochemischen, spektroskopischen und immunologischen Verfahren werden die Zellwandbestandteile und die Veränderung durch den Aufschluss genau charakterisiert. Der Rückschluss auf die genetischen Grundlagen der Zellwandeigenschaften kann in Zukunft zur Züchtung neuer  Sorten genutzt werden, die sich besonders gut für die Verarbeitung in der Bioraffinerie eignen.

Chemiker Dr. Philipp M. Grande
Quelle: Forschungszentrum Jülich

Der Chemiker Philipp M. Grande entwickelt neuartige Technologien zum Aufschluss der Pflanzen und zur weiteren Prozessierung der Pflanzenbestandteile in der Bioraffinerie. Ein wichtiges Ziel ist es, nachhaltige und sichere Lösungsmittel und Katalysatoren zu verwenden und einfache Recyclingschritte im Prozess zu ermöglichen. Das im Rahmen von AP3 weiterentwickelte OrganoCat-Verfahren ist sehr robust, mit bereits verfügbarer Prozesstechnik leicht umsetzbar und ermöglicht die Verwertung aller Pflanzenbestandteile. Im Verfahren wird die Hemizellulose in einer wässrigen Phase mit Hilfe eines sauren Katalysators selektiv abgebaut. Das dabei freiwerdende Lignin wird in eine zweite organische Phase extrahiert, während die Cellulose als fester Rückstand in der wässrigen Phase bleibt. Durch die direkte Trennung der drei Hauptkomponenten und die milden Reaktionsbedingungen bleiben die Makromoleküle im Vergleich zu anderen Prozessen weitgehend intakt und werden nicht zu unbrauchbaren Nebenprodukten abgebaut.

Am IBG-2 werden spezielle Technologien zur Vermessung von Pflanzen entwickelt.
Quelle: Forschungszentrum Jülich

Die chemischen Bestandteile der Pflanzen dienen als Ausgangsstoffe für die Herstellung neuer Chemikalien und Materialien. Besonders interessant ist dabei das Lignin der Pflanzen. Es ist chemisch sehr heterogen und deshalb schwierig zu verwerten. Im Projekt AP3 wurde der OrganoCat-Prozess so optimiert und verfeinert, dass Lignin nach Größe und Zusammensetzung aufgetrennt werden kann. Aus den verschiedenen Lignin-Fraktionen können nun unterschiedliche Chemikalien und Polymerbausteine hergestellt werden, wie z.B. Vanillin, Karbon-Fasern, Kunststoff- und Kraftstoffadditive, sowie Medikamente.

About IBG-2 Pflanzenwissenschaften

Das IBG-2 entwickelt Lösungen für nachhaltiges, bio-basiertes Wirtschaften auf Basis von Pflanzen und pflanzlicher Biomasse. Wir erarbeiten innovative Konzepte und Technologien zur Vermessung von Pflanzen im Labor, Gewächshaus und Feld, und bringen in der Bioökonomie Natur- und Ingenieur-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften zusammen. Wir leben eine interdisziplinäre Denkweise, um drängende gesellschaftliche Probleme zu lösen. Im Bioeconomy Science Center forschen wir seit 10 J. multidisziplinär im Kompetenzverbund mit Partnern aus NRW. Im Strukturwandel erarbeiten wir gemeinsam mit der Region das „BioökonomieREVIER Rheinland“ die erste Modellregion für Bioökonomie.

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