Jeder kennt die Bilder von süßen Schildkröten oder Vögeln, die in Plastikschnur gefangen oder mit Plastikstrohalmen in der Nase gefunden werden. Jeder hat schon einmal am Strand Berge von Plastikmüll gesehen. Es gibt kaum mehr einen Platz auf der Welt, an dem kein Plastikmüll zu finden ist. Aber wo sammelt sich dieses Plastik? Warum findet man Unmengen an Plastik, die seit Jahrzehnten ins Meer gespült wurden, nicht direkt wieder? Was können wir tun damit weniger Plastik in der Umwelt landet? Und können Mikroorganismen aus dem Meer uns dabei Lösungen aufzeigen?

Diesen Fragen und mehr sind 22 Wissenschaftler vom GEOMAR– Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, HZG, NIOZ, Universität Utrecht und des Instituts für molekulare Enzymtechnologie der HHU Düsseldorf auf einer gemeinsamen Expeditionsfahrt im Dezember mit dem Forschungsschiff Sonne nachgegangen. Ihr Ziel war der sogenannte Nordatlantische Müllstrudel, ein Gebiet, indem sich aufgrund des natürlichen Strömungsgeschehens in den Weltmeeren der Plastikmüll sammelt.

Die Fahrt war eine gemeinsame Unternehmung eines interdisziplinären Teams von Wissenschaftlern aus zwei durch das BMBF unterstützten Verbundprojekten. Zum einen das JPI Oceans-Projekt HOTMIC, welches den Transport von Plastik von Europa bis in den Nordatlantischen Müllstrudel verfolgt, und das Projekt PlastiSea innerhalb des BioProMare-Programms, mit dem Ziel aus dem Meer neue Mikroorganismen und Enzyme für den Plastikabbau zu erschließen.

Erst einmal zur Frage, die sich wohl die meisten stellen: Sieht man im Müllstrudel wirklich ein riesiges Feld an Plastikmüll, das wie ein ganzer Kontinent im Meer schwimmt? Die Antwort: Nicht so, wie man es erwartet. Wir sind dem vorhergesagten Weg des Plastiks von Emden aus an Portugal vorbei und von Delfinen und Walen begleitet Richtung Azoren gefolgt. Auf dem Weg dahin konnte man bereits, wenn man die Augen offenhielt, einzelne große Plastikteile, hauptsächlich Bojen, in der Strömung treiben sehen. Aber nicht die Müllteppiche aus Plastikteilen, die man vielleicht erwartet hätte. Jedoch konnte ich dann schon an der ersten unserer acht Sampling-Stationen, in unseren Netzen, die das Oberflächenwasser durchsiebten, das ganze erstmal unsichtbare Ausmaß der Verschmutzung sehen. Unmengen an Plastikteilen in einer Größe bis 5 cm und auch einzelne größere fischten die Netze aus dem Ozean. Der Grund: Die großen Plastikteile, die in die Ozeane geraten, werden dort durch das Salzwasser, Sonneneinstrahlung und Reibung zerkleinert zu den milli- bis zentimetergroßen Stücken in unseren Netzen und noch weiter hin zu Mikroplastikpartikeln. Zudem fanden wir Plastikreste selbst auf dem Meeresboden in 5000 m Tiefe. Das heißt, obwohl man den Müll nicht direkt an der Wasseroberfläche sieht, ist er trotzdem da und ein Problem für die dort lebenden Meeresbewohner und letztendlich auch uns.

Doch die Anhäufung von Plastikteilen in den Ozeanen hat auch noch eine andere weniger offensichtliche Seite. Im Meer, (wie auch an Land), besiedeln Mikroorganismen alles, was ihnen in die Quere kommt. Bakterien, mikroskopisch kleine Algen und andere Kleinstlebewesen nutzen die neuen Oberflächen als Lebensraum und formen eine große Gemeinschaft, einen sogenannten Biofilm. In solchen dichten Gemeinschaften wird Nahrung manchmal knapp, und so kann es sein, dass einige der Mikroorganismen Wege entwickeln, das Plastik zu fressen. Genau diese Mikroorganismen hoffen wir zu isolieren und ihre dafür verantwortlichen Werkzeuge, die Enzyme, in die Hand bekommen. Diese Enzyme können wir dann im Labor verbessern und hoffentlich irgendwann in Wasseraufbereitungsanlagen oder dem Recycling nutzen, um Mikroplastik z.B. aus Abwasser zu entfernen oder Plastik sogar wieder in seine Bestandteile aufzuspalten und als Rohstoff wiederzuverwenden.

Neben biofilmbedeckten Plastikstücken habe ich dafür mit einem Box Core (einer Art Tiefseebaggerschaufel) Sediment vom Meeresboden gesammelt. Wir denken, dass die dort unter extremen Bedingungen lebenden Bakterien Enzyme entwickelt haben könnten, die wegen ihrer Robustheit und Aktivität bei niedrigen Temperaturen schon von Natur aus besonders für Anwendungen z.B. in Kläranlagen geeignet sind. Dementsprechend konnte ich im Labor bereits in Bakterien, die von anderen Expeditionen aus der Tiefsee ans Tageslicht geholt worden sind, in dieser Hinsicht sehr vielversprechende Polyester zersetzende Enzyme finden.

So könnte der Plastikmüll im Meer und vor allem die Antworten, die Mikroorganismen darauf finden, uns letztendlich dabei unterstützen, Lösungsansätze für das Problem zu entwickeln.

Ein Beitrag von Rebecka Molitor

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Biologen, Chemiker, Informatiker, Mathematiker, Physiker und Ingenieure am IBG-1 bilden ein interdisziplinäres Team mit einem gemeinsamen Ziel: Nutzung von Mikroorganismen zur Gewinnung unterschiedlichster Bioprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen. Die Forschung der Jülicher Biotechnologen zielt auf die Entwicklung neuer ressourcen-effizienter und nachhaltiger Bioprozesse. . Innerhalb des Bioeconomy Science Centers ist das IBG-1 ein zentraler Ansprechpartner für die Stofftransformation von nachwachsenden Rohstoffen hin zu hochwertigen chemischen Stoffen.

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