In einer neuen Studie berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hohenheim (340b), des Forschungszentrum Jülich, IBG-2: Institut Pflanzenwissenschaften und des IEK-2: Institut für Energie- und Klimaforschung, Werkstoffstruktur und –eigenschaften, von den Eigenschaften mehrjähriger heimischer Wildpflanzenarten als alternative Energiepflanzen für die Verbrennung. Dabei zeigte sich, dass die Wildpflanzenarten Rainfarn, schwarze Flockenblume und Beifuß durchaus mit der Qualität anderer Bioenergiepflanzenarten wie Miscanthus, Switchgrass und Sida mithalten und dadurch als eine sinnvolle Option für die Diversifizierung der Agrarsysteme der Zukunft betrachtet werden können.

Dieser Studie [1] gehen knapp 15 Jahre bundesweite Forschungsarbeiten voraus, unter anderem von der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau Veitshöchheim, der Firma Saaten-Zeller GmbH & Co. KG, der Universität Osnabrück und der Universität Rostock, die auf die Entwicklung und Optimierung mehrjähriger Wildpflanzenmischungen (WPM) für die Biogasproduktion ausgerichtet waren [2] (Abb. 1).

Diverse Biogas-WPM sind auch schon seit circa zehn Jahren im Handel erhältlich, wobei die Mischungszusammensetzungen fortlaufend optimiert wurden. Die Biogas-WPM setzen sich aus ein-, zwei- und mehrjährigen blütenreichen und überwiegend heimischen Wildpflanzenarten zusammen, die gemeinsam ausgesät und über einen Anbauzeitraum von über fünf Jahren angebaut werden können – je nachdem wie gut sich der Bestand etabliert hat [3]. Dabei spielt die Etablierung der mehrjährigen Wildpflanzenarten eine entscheidende Rolle, da sie ab dem dritten Anbaujahr den größten Ertragsanteil bilden. In diversen vorangegangenen Studien zeigte sich, dass hier drei mehrjährige Wildpflanzenarten von besonderer Bedeutung sind: Rainfarn (Tanacetum vulgare L.), schwarze Flockenblume (Centaurea nigra L.) und Beifuß (Arthemisia vulgaris L.) (Abb. 2).

Abbildung 1: Ein Biogas-Wildpflanzenmischungs-Bestandes (hier circa 1,80 m hoch), wie er im zweiten Standjahr erscheint, wenn zweijährige Wildpflanzenarten wie zum Beispiel gelber Steinklee (Melilotus officinalis L.) dominieren. Quelle: M.v.Cossel/Universität Hohenheim

Die Eignung dieser mehrjährigen Wildpflanzenarten für die Biogasproduktion nimmt jedoch ab dem Stadium der Vollblüte (Mitte Juli bis Mitte August) ab, sodass eine relativ frühe Ernte empfohlen wird (circa Ende Juli). Der dadurch entstehende Ernteschock ist gravierend, da dann viele wichtige ökologische Funktionen (Nahrung, Schutz- und Habitatfunktion) der mit WPM kultivierten Agrarfläche für Insekten und andere Tiere, die auf ungestörte Bepflanzungen angewiesen sind, wegfallen. Demnach stellt sich die Frage, wie diese mehrjährigen Wildpflanzenarten genutzt werden könnten, wenn sie nicht zur Vollblüte im Sommer, sondern erst im Winter geerntet werden. Da die oberirdische Biomasse der mehrjährigen Wildpflanzenarten im Winter vertrocknet ist, läge die Vermutung nahe, dass sie sich zur Verbrennung eignen könnte.

In dieser Studie wurde deshalb untersucht, wie die drei mehrjährigen Wildpflanzenarten Rainfarn, Schwarze Flockenblume und Beifuß im Vergleich zu Miscanthus (Miscanthus × giganteus), Switchgrass (Panicum virgatum L.) und Sida (Sida hermaphrodita L. Rusby) als alternative Energiepflanzen für die Verbrennung abschneiden.

Es wurde zunächst herausgefunden, dass es bei den mehrjährigen Wildpflanzenarten keine signifikanten Unterschiede im Trockenmasseertrag zwischen der Ernte im Spätherbst und der Ernte gegen Winterende gibt. Dies könnte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass die Blätter der mehrjährigen Wildpflanzenarten während der Wintermonate nicht herabfallen, wie dies etwa bei Miscanthus oder Sida der Fall ist. Dies könnte weitere, in dieser Studie noch nicht berücksichtigte positive Effekte auf die Habitatfunktionen des Anbaus von mehrjährigen Wildpflanzenarten als alternative Energiepflanzen haben (Stichwort: Ökosystemleistungen).

Abbildung 2: Mehrjährige Wildpflanzenarten Rainfarn (Tanacetum vulgare L.), schwarze Flockenblume (Centaurea nigra L.) und Beifuß (Artemisia vulgaris L.) (von links nach rechts). Quelle: M.v.Cossel/Universität Hohenheim


Weiterhin zeigte sich, dass die Energieausbeute bei der Verbrennung der mehrjährigen Wildpflanzenarten wesentlich (1,5 bis 2,8-mal) höher ist im Vergleich zur energetischen Verwertung als Biogassubstrat. Dies komplementiert eine Studie zur energetischen Verwertung von Sida, bei der eine ähnliche Relation aufgezeigt wurde [4].

Im qualitativen Vergleich der mehrjährigen Wildpflanzenarten mit Miscanthus, Switchgrass und Sida ergaben sich interessante Hinweise: Während die substratspezifischen Energieausbeuten der mehrjährigen Wildpflanzenarten im Schnitt etwas geringer waren als bei Miscanthus, Switchgrass und Sida, war das Ascheschmelzverhalten der mehrjährigen Wildpflanzenarten dem der Sida sehr ähnlich – und dadurch sogar besser im Vergleich zu Miscanthus und Switchgrass (Abb. 3). Dies liegt vor allem am günstigen Calcium-Silizium-Verhältnis, wie Modellrechnungen zum Ascheschmelzverhalten zeigen.

Abbildung 3: Verhalten der Asche von Miscanthus, Rainfarn und Beifuß bei Erhitzung auf 800, 900, 1000 und 1100 °C. Deutlich zu erkennen ist, dass die Asche der Wildpflanzenarten nicht zur Verschmelzung neigt, so wie bei Miscanthus. Quelle: M.v.Cossel/Universität Hohenheim

Die meisten Substrateigenschaften der mehrjährigen Wildpflanzenarten entsprechen sogar bereits der DIN-Norm für biogene Festbrennstoffe zur Anwendung in Kleinfeuerungsanlagen im Wohnbereich (Kategorie ‚A1‘) [5]. Mögliche Optimierungsansätze wären zum Beispiel eine noch spätere Ernte im März (noch geringerer Wassergehalt in der Biomasse) und eine optimierte Bestandsdichte. Um diese und weitere Optimierungsansätze zu überprüfen, sind weitere Forschungsvorhaben geplant.

Auf Grundlage der vorliegenden Studie kann jedoch bereits festgehalten werden, dass sowohl der im Vergleich zur Herbsternte akzeptable Trockenmasseertrag im Winter als auch die im Vergleich zur Biogasproduktion höhere Energieausbeute für eine Nutzung der mehrjährigen Wildpflanzenarten als alternative Energiepflanzen für die Verbrennung sprechen. Ungeachtet der nun anschließenden berechtigten Fragestellungen zur Anbauoptimierung und zur Ökobilanz wurden hier also „neue“ Bioenergiepflanzenarten vorgestellt. Diese könnten dabei helfen, die Agrarsysteme der Zukunft zu diversifizieren und somit langfristig eine nachhaltige Bioökonomie zu realisieren.

Ein Beitrag von Moritz von Cossel, Universität Hohenheim, Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, und Nicolai D. Jablonowski, Forschungszentrum Jülich, IBG-2

[1] https://authors.elsevier.com/c/1dZOG3QUFZF6JY bzw. ab 1.10.2021 https://doi.org/10.1016/j.biortech.2021.125724
[2] http://www.lwg.bayern.de/mam/cms06/landespflege/dateien/
energie_aus_wildpflanzhen_fnr_abschlussbericht_22005308_in.pdf
[3] https://doi.org/10.1002/adsu.202000037
[4] https://doi.org/10.1111/gcbb.12346
[5] https://www.iso.org/standard/76094.html

About IBG-2 Pflanzenwissenschaften

Das IBG-2 entwickelt Lösungen für nachhaltiges, bio-basiertes Wirtschaften auf Basis von Pflanzen und pflanzlicher Biomasse. Wir erarbeiten innovative Konzepte und Technologien zur Vermessung von Pflanzen im Labor, Gewächshaus und Feld, und bringen in der Bioökonomie Natur- und Ingenieur-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften zusammen. Wir leben eine interdisziplinäre Denkweise, um drängende gesellschaftliche Probleme zu lösen. Im Bioeconomy Science Center forschen wir seit 10 J. multidisziplinär im Kompetenzverbund mit Partnern aus NRW. Im Strukturwandel erarbeiten wir gemeinsam mit der Region das „BioökonomieREVIER Rheinland“ die erste Modellregion für Bioökonomie.

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