Ressourceneffizient, emissionsarm, nachhaltig, wettbewerbsfähig und trotzdem flexibel, die Herausforderungen denen sich die Bioökonomie stellen muss sind beachtlich. Schon vor elf Jahren wurden am Forschungszentrum Jülich und den Universitäten Bonn, Düsseldorf und Aachen die Weichen gestellt für die Transformation zu einer nachhaltigen Bioökonomie. Im September 2010 wurde das Bioeconomy Science Center (BioSC) gegründet. Mittlerweile hat sich das BioSC zu einem Kompetenzzentrum entwickelt, in dem zahlreiche Innovationsansätze erarbeitet worden sind.

Bei all diesen Entwicklungen spielen Computermodelle eine immer größere Rolle, um die Wettbewerbsfähigkeit von biobasierten Verfahren zu steigern. Mit ihrer Hilfe gelingt es, komplexe biologische und technische Prozesse präzise vorherzusagen und damit zu optimieren. Dies gilt insbesondere für den Betrieb von Bioraffinerien. Ihre Wirtschaftlichkeit hängt maßgeblich vom Nutzungsgrad der hier verarbeiteten nachwachsenden Rohstoffe sowie deren effektiver Umwandlung in neue Wertstoffe ab. Im Rahmen des BioSC-Projektes „BeProMod“ entstand eine digitale Bioraffinerie, welche optimale Betriebsstrategien in Anlagen mit hoher Modularität und wechselndem Eingangsmaterial abbilden kann.

Man ist nicht gerne auf dem Holzweg, es sei den man ist auf der Suche nach nachwachsenden Rohstoffen. Nachwachsende Rohstoffe wie pflanzliche oder tierische Biomasse sind reich an Kohlenhydraten, Fetten, Ölen und Proteinen. Sie sind damit für die Herstellung von Chemikalien eine Alternative zum Erdöl. Die Umwandlung von Biomasse in neue Wertstoffe geschieht in Bioraffinerien und umfasst eine Vielzahl von Verfahrensschritten. Um gegenüber erdölbasierten Verfahren konkurrenzfähig zu sein, müssen sowohl einzelne Schritte der biologischen und technischen Prozesse als auch das Gesamtverfahren optimiert werden.

Je nach Zusammensetzung der Biomasse und Art der gewünschten Zwischen- und Endprodukte gibt es sehr unterschiedliche Bioraffineriekonzepte. Forscherteams entwerfen einerseits Bioraffinerien, die mit wechselndem Eingangsmaterial, von Stroh und Schilf bis hin zu Holzabfällen, zurechtkommen. Andererseits erarbeiten sie optimale Betriebsstrategien für Anlagen, die modular aufgebaut und damit flexibel einsetzbar sind. Um dieser Flut an Möglichkeiten Herr zu werden, ist es am zielführendsten per Computermodell eine Bioraffinerie mit all ihren Facetten und Möglichkeiten digital abzubilden, bevor man sie tatsächlich baut. Mit der im „BeProMod“-Projekt entwickelten digitalen Bioraffinerie lag der Fokus auf der modellgestützten Analyse der stofflichen Nutzung Lignocellulosehaltiger Biomasse – also Biomasse auf Basis von Holz, wie z.B. Holzschnitzel. Lignocellulosen sorgen in den Zellwänden holziger Pflanzen für Stabilität. Sie machen in Landpflanzen bis zu 95 Prozent der Trockenbiomasse aus – sind also in großen Mengen verfügbar, aber aufgrund ihrer Robustheit schwierig zu verwerten.

Die wichtigsten Arbeiter einer Lignocellulose-Bioraffinerie sind Mikroorganismen. Sie bewerkstelligen den erforderlichen biochemischen Umwandlungsprozess. Für die Zerlegung der widerspenstigen Lignocellulose benötigen die Mikroorganismen jedoch technische Starthilfe. Durch mechanische und enzymatische Verfahren wird die Biomasse daher vorbehandelt. Ein wenig wie beim Essen von Nüssen – erst Knacken dann essen. Die Vorbehandlung liefert uns die Zutaten für die nächsten Schritte: eine feststoffhaltige Cellulose-Fraktion und eine wässrige Phase mit bereits gelösten Zuckern sowie Lignin. Während die darauffolgende enzymatische Aufspaltung der Cellulose in verwertbare Glucose-Einheiten technisch gelöst ist, stellt die Zerlegung von Lignin immer noch eine große Herausforderung dar und ist Gegenstand aktueller Forschungen im BioSC. Die aus der Lignocellulose freigesetzten Zucker können anschließend durch geeignete Mikroorganismen und deren natürliche Enzymausstattung in gewünschte Zwischen- oder Endprodukte umgewandelt werden. Hierbei gibt es allerdings zwei grundlegende biologische Sachverhalte zu berücksichtigen: Erstens gibt es nicht DEN industriell einsetzbaren Mikroorganismus, der natürlicherweise alle verschiedenen Zucker aus der Vorbehandlungsstufe verwerten kann. Zweitens existieren auf der Basis verschiedener Zelltypen und Stoffwechselwege immer mehrere Pfade, welche die Verwertung eines bestimmten Zuckers ermöglichen. Die Aufgabe der Forschung ist es, hier das optimale Vorgehen zu finden. Hier kommt nun das Digitale ins Spiel.

Computergestützte Prozessmodellierung und –optimierung steigern zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit von biobasierten Verfahren im Vergleich zu bestehenden konventionellen Methoden. Aufgrund der skizzierten Komplexität einer Bioraffinerie erfordert die Erstellung eines digitalen Computermodells die Expertise von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen – allen voran der Bio- und Systemverfahrenstechnik. Im Rahmen des BioSC-Projektes „BeProMod“ haben Wissenschaftler der RWTH Aachen und des Forschungszentrums Jülich nun ein erstes Demonstrationsmodell einer digitalen Bioraffinerie erstellt.

Die Detailtiefe dieses Modells reicht von der biologischen Beschreibung einzelner enzymkinetischer Reaktionen über komplexe mikrobielle Stoffwechselnetzwerke bis hin zur technischen Umsetzung in verschiedene Grundoperationen, zu Reaktortypen und vollständigen Prozessketten einer Bioraffinerie. Der Modellansatz wurde dabei so gewählt, dass die zukünftige Weiterentwicklung auf Grundlage neuer experimenteller Daten sowie vertieften Wissens einfach möglich ist – „das Ganze ist also mehr als die Summe seiner Teile“. In einer ersten konkreten Fallstudie wurde ein Produktionsprozess berechnet, in welchem Mikroorganismen die organische Säure Succinat als wichtige Vorstufe der industriellen Kunststoffherstellung bereitstellen. Hauptakteur in diesem Verfahren war der für diese Aufgabe optimierte Modellorganismus Corynebacterium glutamicum. Mithilfe des Computermodells konnten ideale Stamm- und Prozessvarianten für eine skalierbare Produktion von Succinat identifiziert werden. Der digitale Nussknacker ist also bereit weitere Nüsse zu knacken und die Bioraffinerien zukunftsfähig zu machen – Knack!

Ein Beitrag vonStephan Noack, Elisabeth Zelle und Wolfgang Wiechert

weitere Infos zum BioSC finden Sie hier!

About IBG-1 Biotechnologie

Biologen, Chemiker, Informatiker, Mathematiker, Physiker und Ingenieure am IBG-1 bilden ein interdisziplinäres Team mit einem gemeinsamen Ziel: Nutzung von Mikroorganismen zur Gewinnung unterschiedlichster Bioprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen. Die Forschung der Jülicher Biotechnologen zielt auf die Entwicklung neuer ressourcen-effizienter und nachhaltiger Bioprozesse. . Innerhalb des Bioeconomy Science Centers ist das IBG-1 ein zentraler Ansprechpartner für die Stofftransformation von nachwachsenden Rohstoffen hin zu hochwertigen chemischen Stoffen.

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