Die Verringerung der CO2-Emissionen ist ein gemeinsames Ziel im Energiesektor in Deutschland. Während insbesondere im Stromsektor in den letzten Jahren bereits ein großer Wandel stattgefunden hat, hat sich in anderen Bereichen des Energiesektors, wie in der Wärmebereitstellung oder in der Mobilität, vergleichsweise wenig verändert.

Insgesamt sind etwa 40 % des Energieverbrauchs auf Gebäude zurückzuführen. So betrug im Jahr 2017 der Energieverbrauch für Raumwärme 26 % des Endenergieverbrauchs und wird nach wie vor von fossilen Energieträgern dominiert. Eine Verbesserung des Energiebedarfs in Gebäuden, insbesondere im Wärmesektor, kann daher die gesamten CO2-Emissionen in Deutschland deutlich reduzieren. Der Wärmebedarf von Neubauten ist aufgrund höherer Dämmstandards deutlich geringer, und der Bedarf kann aus nicht-fossilen Quellen problemlos gedeckt werden. Aufgrund der geringen Neubaurate von derzeit weniger als einem Prozent pro Jahr ist es allerdings notwendig, den Gebäudebestand genauer unter die Lupe zu nehmen, damit der Wärmebedarf kurzfristig spürbar gesenkt werden kann. Im Gebäudebestand können durch sogenannte Retrofit-Maßnahmen (z.B. Nachisolierung der Fassade oder Dach) ein wesentlicher Beitrag geleistet werden.

Verbesserungen in der Gebäudesteuerung können jedoch sowohl in neuen als auch in bestehenden Gebäuden den Energiebedarf deutlich senken und gleichzeitig den Nutzerkomfort erhöhen. Oft wird der Einfluss der Nutzenden unterschätzt. Diese haben aber einen sehr großen Einfluss auf den Energieverbrauch eines Gebäudes. Ein Gebäude kann noch so gut gedämmt und technisch ausgestattet sein, wenn es nicht an die entsprechende Nutzung angepasst ist, wird der Verbrauch viel höher ausfallen.

Ein zentrales Thema am Institut für Energiesystemtechnik (IEK-10) ist die Entwicklung energieeffizienter (Gebäude-)Energiesysteme mit dem Fokus auf die Art der Nutzung. Dabei stehen neben innovativen Monitoring- und Regelungsmethoden auch die Entwicklung von Feedback- und Anreizsystemen im Vordergrund. Mit dessen Einsatz soll der Energieverbrauch in Richtung eines angemessenen Verbrauchs sinken, indem sie das Energiebewusstsein der Nutzenden schärfen.

JuControl – mit besseren Regelungsmethoden und kleinen Verhaltungsänderungen einen wesentlichen Beitrag leisten

Eine Eigenentwicklung namens JuControl soll dabei helfen, dass Räume effizienter geheizt und gelüftet werden. Mit JuControl erhalten die Nutzenden Zugriff auf die reinen Messdaten (z.B. aktueller Wert und zeitlicher Verlauf der Raumlufttemperatur) und davon abgeleiteten Größen (z.B. geschätzte Lüftungsverluste). Dadurch bekommen sie einen deutlich besseren Einblick in den eigenen Verbrauch und die Qualität der Raumluftqualität. Über Feedback-Mechanismen erhält man zukünftig Vorschläge, wie der Verbrauch gesenkt oder der Komfort durch z.B. effizienteres Lüften erhöht werden kann. Mit der Entwicklung eines virtuellen „Spiels“ sollen spielerische Anreize geschaffen werden, den eigenen Energieverbrauch zu kontrollieren und bei Bedarf anzupassen.

Darüber hinaus bekommen die Nutzenden neue Möglichkeiten bei der Raumbedienung/Raumregelung. Dabei kommen z.B. modelprädiktive, adaptive Regelungsansätze im Hintergrund zum Einsatz. Durch die Verwendung eines Raum- bzw. Gebäudemodells, welche die Beschreibung der „Gebäudephysik“ beinhaltet, ist der Regler in der Lage z.B. Heizkörper energieeffizient zu regeln. Der Algorithmus z.B. den optimalen zeitlichen Verlauf der Heizleistung bestimmen, damit z.B. die eingestellte Wunschtemperatur morgens erreicht wird. Die Regelungsmethoden erlauben u.a. das bedarfsgerechtete Beheizen der Räume unter optimaler Nutzung von bspw. Sonnenlicht. Dabei werden Prognosen bzgl. Raumbelegung und solarer Einstrahlung miteinbezogen. Das für den Regler zugrundeliegende Modell wird im Laufe der Zeit mit Hilfe von Messdaten schrittweise nachgebessert.

Abb. 1 zeigt schematisch den Aufbau des Gesamtsystems. Das Herzstück ist die Informations- und Kommunikationsplattform (IKT-Plattform), welche auf der JuCloud gehostet wird. Auf der IKT-Plattform werden die Daten in geschützter Form gespeichert und dort laufen die Regelungsalgorithmen und die browserbasierte Benutzerschnittstelle als Applikationen. In den Räumen werden Sensoren und Aktoren (Stellglieder) installiert. Internet-of-Things (IoT) Gateways stellen die Verbindung zwischen den Sensoren und Aktoren in den Gebäuden und der IKT-Plattform dar, wobei die Kommunikation zwischen IoT-Gateway und Sensoren/ Aktoren entweder rein kabelgebunden oder auch partiell funkbasiert erfolgt.

Abb. 1: Verknüpfung von Sensoren, IKT-Plattform

Als Ergänzung zu den Bedienelementen (ggf. Raumbedieneinheit) im Raum selbst, die es nach wie vor gibt, wurde eine graphische Benutzerschnittstelle entwickelt, welche im Intranet erreichbar ist (siehe Abb. 2). Hierdurch wurden gänzlich neue Möglichkeiten geschaffen, z.B. die raumweise Darstellung der Messdaten sowie die Nutzung der innovativen Regelungsmethoden über die Eingabe von Nutzerpräferenzen.

Auf der Hauptseite wird der Raum selbst mit seinen charakteristischen Merkmalen in der Draufsicht darstellt. Auf der rechten Seite werden die aktuellen Messgrößen dargestellt und ist die „Control Panel“ angeordnet. Zudem gibt es die Möglichkeit die zeitlichen Verläufe der Messgrößen anzuzeigen (hier nicht abgebildet).

Abb. 2: Darstellung eines beispielhaften Büros in JuControl

Ebenso können Mitarbeitende z.B. ihre Wunschtemperatur und angedachte Anwesenheit in einem persönlichen Bereich eintragen (siehe Abb. 3 und 4). Der Raum wird dann unter Berücksichtigung der vorgegebenen Wunschtemperaturen der im Raum befindlichen Personen geheizt. Ist der Raum längere Zeit nicht belegt, kann die Raumtemperatur auf eine angemessene Temperatur abgesenkt werden. Somit kann eine Menge Heizwärme eingespart werden. Zeitgleich kann der Raum bereits auf die Wunschtemperatur gebracht werden, bevor man das Büro überhaupt betreten hat und kommt so auch im tiefen Winter in ein angenehm warmes Büro an! Genauso kann im Sommer eine clevere Ansteuerung der Jalousien die Temperaturüberhöhung im Sommer abmildern.

Abb. 3: Eingabe der eigenen Präsenz im Büro
Abb. 4: Eingabe der eigenen Komfortparameter

Während der Entwicklung von Energy Dashboard (energydashboard.fz-juelich.de) und JuControl wurden verschiedene Workshops organisiert, um den Fortschritt und weitere Schritte mit Interessierten zu diskutieren. Das Feedback aus den Workshops wurde dabei weiterentwickelt. Die Nutzung von JuCloud erolgt auf freiwilliger Basis und der Zugriff wird erst dann für die Raumnutzenden freigeschaltet, wenn alle Nutzenden per Einverständniserklärung zustimmen.

Reales Testumfeld auf dem Campus – Umsetzungsmaßnahmen

Im Rahmen des Living Lab Energy Campus (LLEC) können solche Ansätze am Beispiel der eigenen Liegenschaft unter realistischen Bedingungen demonstriert werden. Das FZJ verfügt über Gebäude sehr unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Nutzung. Es bietet daher eine sehr gute Basis, solche Algorithmen und Software für ein breites Spektrum auszutesten und damit die Auswirkung in unterschiedlichen Umfeldern zu erforschen. Ein Auszug der Gebäude, welche Teil der Testumgebung werden, sind in Abb. 5 dargestellt. Insgesamt werden voraussichtlich 16 Bestandsgebäude nachgerüstet sowie der im Bau befindliche klimaneutrale Verwaltungsbau 16.17 damit ausgerüstet.

Abb. 5: Gebäudeübersicht

Nachrüstmaßnahmen in Bestandsgebäuden stellen jedoch immer eine Herausforderung dar. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Infrastruktur wurden Lösungswege entwickelt, welche auch mit vertretbarem Aufwand in Bestandsgebäuden nachrüstbar sind. Insgesamt wurden zwei unterschiedliche Lösungsansätze entwickelt.

Wissenschaftliche Sensoren und Heizkörperthermostate

Aufgrund der Vielzahl an Sensoren auf Raumebene, die sogar an diversen Stellen in einem Raum platziert werden müssen, sind kabelgebundene Lösungen häufig nicht wirtschaftlich umsetzbar. Unter Umständen sind die Wiederinstandsetzungskosten von bspw. Wänden höher als die Kosten der Hardware selbst. Zur Messung von Größen, die primär für die Wissenschaft und Nutzenden von Interesse sind, werden daher Funkkomponenten eingesetzt, da sie einfach und sehr flexibel montiert werden können und ein Ausfall den Basisbetrieb nicht stört. Die Sensoren erfassen z.B.:

  • Fenster-Status (gekippt, geöffnet, geschlossen)
  • Türe-Status (geöffnet, geschlossen)
  • Luftqualität (CO2-Konzentration, relative Feuchte, Raumlufttemperatur)

Die Heizkörperthermostate sind zwar betriebsrelevant, können jedoch in den Bestandsgebäuden nachträglich nur aufwändig per Kabel angebunden werden. Bei der Produktauswahl wurde beachtet, dass diese Komponenten auch bei Wegfall der Funkverbindung stets stabil funktionieren und die gewünschte Temperatur eingestellt werden kann.

Im Projekt wird z.T. mehr gemessen als im Außenfeld üblich. Damit können wir später im Betrieb einen tieferen Einblick bekommen und besser verstehen, wieso Dinge gut oder weniger gut funktionieren als gedacht. Daneben ist es auch eine eigenständige Aufgabe herauszufinden, was tatsächlich gemessen werden muss, damit die innovativen Lösungen real funktionieren. Einige noch nicht im Projekt gemessene Werte können ggf. hinreichend genau geschätzt werden. Dadurch kann bei einer späteren Plattformanwendung, bspw. im kommerziellen Bereich, Hardware eingespart werden.

Beleuchtungs- und Jalousiesteuerung

Für die Beleuchtungs- bzw. Jalousiesteuerung wurde eine verkabelte Umsetzungsvariante gewählt (siehe Abb. 6). Primär werden dabei die Schalter für Licht und Jalousien durch „digitale Komponenten“ (Aktoren) ersetzt. Der Stromkreis der Beleuchtung, welcher vorher direkt durch eine Betätigung des Lichtschalters geschossen oder geöffnet wurde, wird nach der Erweiterung durch einen sogennanten „Schaltaktor“ geöffnet bzw. geschlossen. Dieser Schaltaktor erhält die Stellsignale als „digitale Nachricht“ von z.B. Raumbedieneinheit, von einem Präsenzmelder oder aus der Cloud. So wird die wichtige Grundlage geschaffen, die entwickelten (Regelungs-)verfahren zur Anwendung zu bringen.

Abb. 6: Erweiterung der Beleuchtung- bzw. Jalousiesteuerung

Aktueller Stand und Ausblick

Seit einiger Zeit installiert das IEK-10 Sensoren in ausgewählten Gebäuden. Im Pilotgebäude (Geb. 09.7) wurden bereits die Funkthermostate eingebaut. Vor einiger Zeit wurde zudem der Zugriff auf JuControl für die Gebäude-Nutzenden freigeschaltet. In Kürze kann auch die Heizungsregelung über die Benutzerschnittstelle mit den damit verbundenen Optionen bedient werden.

Seit einigen Wochen wird in drei Gebäuden (Geb. 03.3u, Geb. 03.21u und Geb. 14.6w) die Jalousien- und Beleuchtungssteuerung erweitert sowie mit dem Einbau von Raumbedieneinheiten begonnen (siehe Abb. 7).
Nachdem die Grundlage durch das Nachgerüsten der Hardware geschafft ist, kann auch in diesen Gebäuden auf JuControl zugegriffen werden. Interessant wird es sein festzustellen, wie die entwickelten Methoden zur Senkung des Energieverbrauchs und zur Steigerung des Komforts in der Realität beitragen werden.

About André Xhonneux

Andre Xhonneux ist promovierter Maschinenbauer und seit 2009 am FZJ beschäftigt; seit 2017 leitet er am IEK-10 die Abteilung „Gebäude und Quartiere“, welches sich mit der optimalen Auslegung und dem optimalen Betrieb von dezentralen Energiesystemen befasst. Dabei hat die Umsetzung von maßgeschneiderten Modellen und Algorithmen in die Praxis einen besonderen Stellenwert.

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