Die Europäische Spallationsquelle ESS wird gerade für Millarden Euro mit ihrem kilometerlangen Teilchenbeschleuniger im schwedischen Lund gebaut. Diesem tollen Gemeinschaftsprojekt, dass wirklich in der gleichen Liga, wie CERN oder ITER spielt, haben wir uns diesmal in der vierten Folge des NeutronCast ein wenig genähert. Dabei haben wir unter anderem das sog. Target Wheel erwähnt und versprochen davon ein Bild zu zeigen. Daher ist hier eine Konstruktionszeichnung des Wheels im Monolithen und ein Bild von dem Gebäude, dass es einmal beherbergen wird. Bei letzterem kann man auch schon den vorgesehenen Platz erkennen und die Dimensionen erfassen.

6000 Tonnen Stahl zur Abschirmung der harten Gammas, die dort produziert werden. Allein am Ausgang der Beamports (Lila Röhren) entsteht noch ca. 500W thermische Leistung auf der Oberfläche allein durch die Gammas. Quelle: https://europeanspallationsource.se

 

Stand August 2017. In der Mitte kann man schon gut den Platz für den Monolithen erkennen. Quelle: https://europeanspallationsource.se

Zusätzlich habe ich dem lieben Lars auch noch das ESS Erklärvideo von seinem geliebten Sir Patrick Steward gezeigt, von dem ich euch schon vor Jahren berichtet hatte.

Darüber hinaus sollte der NeutronCast jetzt auch auf iTunes verfügbar sein und über die entsprechenden RSS feeds eingebunden werden können. Wir haben ein neues Logo und ich spiele auch sonst noch ein bischen mit den Details herum. Verbesserungsvorschläge und konstruktive Kritik sind immer sehr willkommen und ich versuche sie dann auch einzubauen, soweit es mir möglich ist.

Also viel Spaß beim vierten NeutronCast:

oder als download

NeutronCast 004 – ESS, die beste Neutronenquelle der Welt

 

Alle Folgen schnell beieinander gibt es hier oder die entsprechenden RSS-feeds unter https://www.blubrry.com/neutroncast/

Wir haben mal eine kleine Bastelanleitung zusammengestellt, für alle, die sich selber eine kleine Neutronenquelle im Keller ihrer Universität bauen wollen. Da wir für die Öffentlichkeit arbeiten, haben wir das ganze natürlich frei zugänglich gemacht und man kann sich entweder ein Exemplar per Fernausleihe von der FZ-Bibliothek kommen lassen oder sich das PDF hier herunter laden. Das ganze ist ein sog. Conceptual Design Report (CDR) und stellt auf ca. 100 Seiten das grundlegende Konzept unserer NOVA ERA-Typ Neutronenquellen vor. Dabei steht NOVA ERA für Neutrons optained via accelerator for education and research activities und Nicolo, der beim internen Nameswettbewerb den ausgelobten Erdbeerkuchen gewonnen hat, hat auch schon ganz gut beschrieben, was hier passieren soll. Ein Teilchenbeschleuniger soll Neutronen erzeugen, die dann für Bildung und Forschung eingesetzt werden … und gleichzeitig soll das ganze dann auch noch eine neue Era für die Neutronenforschung einleiten, weil er dann in Zukunft nicht mehr nur an großen Forschungsreaktoren (wie bisher), sondern auch in jeder besseren Universität betrieben werden kann.

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Mein Kollege Paul (der Kerl aus dem Pyramidenbild mit der Sichel) mit dem ersten frisch gedruckten Exemplar des CDR.

Der CDR stellt, wie der Name schon sagt, das Konzept vor und beantwortet vor allem die Fragen “Was soll hier gemacht werden?” und “Warum brauchen wir das?”. Gleichzeitig ist es aber auch schon eine Plausibilitätsprüfung und Machbarkeitsstudie, die durch Simulationen und ausgewählte Experimente (z.B. meine *g*) zeigt, dass das Konzept in dieser Form nicht nur sinnvoll, sondern auch möglich ist. Dazu gehören dann z.B. Simulationen zur Leistung von bestimmten Experimenten aber auch so konkrete Dinge wie Abschirmungsrechnungen der Targetstation im Strahlenschutz und die Nuklidproduktion im Target bzw. die anfallende Entsorgung von aktivierten Bestandteilen. Grundsätzlich könnte man sich damit schon eine eigene Quelle zusammen bauen, aber man müsste immer noch sehr viel Eigenleistung reinstecken. Zum Beispiel steht da über den Teilchenbeschleuniger einfach nur drin: “Bitte hier aufbauen, anschließen und mit dieser Pulsstruktur schießen.” und der Inhalt meiner Promotion, über die ich euch hier seit Jahren auf dem laufenden halte, wird in drei Seiten abgehandelt mit dem Verweis: “Für mehr Informationen Tobi fragen.”

Das ist auch erst mal OK so, denn der CDR ist nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer solchen Neutronenquelle und auch wenn wir sehr darauf hoffen, dass einige Leute mit diesem Stück Literatur in der Hand anfangen werden herumzuschrauben und auch mal ein paar Komponenten auf eigene Faust ausprobieren, so ist uns allen klar, dass jetzt nicht in den nächsten zwei Jahren die Neutronenquellen wie Pilze aus dem Boden sprießen werden. Dafür braucht es den nächsten Schritt, den Technical Design Report (TDR). Dieser ist dann wirklich wie eine Anleitung mit ganz konkreten Daten, wie Fließgeschwindigkeit des Kühlwassers im Targetsystem und Phasenraumkartierung des moderierten Neutronenstrahls in der Quelle. Damit könnten sich Leute mit dem entsprechenden KnowHow und den benötigten Ressourcen (denn so um die 4M€ wird der ganze Spaß immer noch kosten) tatsächlich eine NOVA ERA in den Keller stellen.

Ich habe das ganze hier reingestellt, nicht weil ich denke, dass es irgendeiner der Leser nachbauen wird … obwohl … , sondern weil ich ziemlich stolz auf das bin, was wir erreicht haben und auch wirklich dahinter stehe. Ich denke, dass wir die Welt besser machen können, wenn die ein oder andere Universität so ein Gerät im Keller stehen hat und dann vielleicht der Nobelpreis 2035 für den neuen Mensch-Maschine-Interface-Chip oder den neuen Quanten-Computer an einer solchen Maschine erarbeitet wurde. Ansonsten möchte ich natürlich wie sonst auch immer einen möglichst authentischen, “live” Einblick in die aktuelle Wissenschaft in Deutschland und der ganzen Welt liefern und vielleicht guckt sich ja der ein oder andere Interessierte mal unseren CDR in Rohform ohne meine geschwurbelten Erklärungen an.

Download des CDR unter diesem langen Link:

http://wwwzb1.fz-juelich.de/verlagextern1/redirect.asp?id_schriften=48709&URL_DMS=http%3A%2F%2Fdmssrv%2Ezb%2Ekfa%2Djuelich%2Ede%2Fw2p2%2Fautologin1%2Easp%3Faction%3DExpDownload%26Path%3D%255CPublic%2520FZJ%255CPublikationen%255CSchriftenreihen%255CAllgemeines%5F07%2Epdf&online=online&

Ich bin der hässliche Kerl da rechts im Bild.

Ich bin von Zeit zu Zeit ja immer mal auf Science Slams unterwegs und darüber hinaus habe ich auch schon das ein oder andere Mal auf der Theaterbühne gestanden. Da lag es natürlich nahe, nicht nur schriftlich meine Stimme in die Weiten des Internet zu tragen, sondern dies eben auch verbal zu machen. Ich glaube, heutzutage nennt man das Podcast oder so und genau darin besteht jetzt auch mein Problem. Ich selber konsumiere kaum Podcasts (eigentlich nur zwei Stück regelmäßig) und habe daher nur sehr begrenzt Ahnung, wie da die “Szene” überhaupt funktioniert.

Da mich Unwissenheit noch nie davon abgehalten hat etwas zu tun, will ich auch diesmal einfach loslegen und mal sehen, was dabei herauskommt. Daher habe ich mir meinen Mitbewohner Lars und unseren Kumpel Thomas Michalski geschnappt und wir haben etwas aufgenommen, was einmal ein Podcast werden soll und damit auch alle Zuhörer eingeladen mitzumachen. Ich werde ab jetzt regelmäßig einmal im Monat einen halbstündigen Podcast veröffentlichen und das ganze drum herum (Themenauswahl, Webhosting etc. pp.) dann im laufenden Verfahren anpassen und verbessern.

Diese maximale Transparenz hat natürlich einen Preis, denn hier ist noch nichts durchoptimiert. Wir haben natürlich unsere erste Folge vorher probehören lassen (danke an Skubbi und alle anderen an dieser Stelle), aber uns letztendlich dafür entschieden die konstruktive Kritik erst in den kommenden Folgen einzubauen und zu beherzigen und die erste Folge so fehlerbehaftet zu lassen, wie sie eben “produziert” wurde.

Auf der anderen Seite heißt das natürlich, dass ihr bei der Evolution von unserem Podcast quasi live dabei sein und es auch selber mit eurer Kritik und Verbesserungsvorschlägen hier im Blog mitentwickeln könnt. Aber ohne jetzt zu viel Einleitung zu geben hier einfach mal unser erster NeutronCast vom November 2017. Viel Spaß!

NeutronCast 001 – Na dann machen wir doch mal nen Podcast … oder so

JAIME steht für „Jülich Accelerator for In-situ Material Experiments“ und ist ein Projekt mehrerer Jülicher Institute, einen Teilchenbeschleuniger für die Materialforschung  mit geladenen Teilchen (H, D, He, Li und N) und Neutronen aufzubauen und zu betreiben. Dazu haben sich mehrere Jülicher Institute, die sowieso schon einen starken Schwerpunkt und entsprechende Kompetenzen in der Materialforschung haben, zusammen geschlossen. Ganz konkret sind das IKE-1, IEK-2, IEK-4, PGI-4, PGI-9 und das JCNS, das Jülich Centre for Neutron Science, dem ich angehöre.

Dadurch, dass so viele Institute zusammen arbeiten, entstehen viele Synergien und es können Ressourcen genutzt werden, die sonst viel Geld kosten würden. Zum Beispiel betreiben mehrere der Institute bereits jetzt einen kleineren Tandem-Beschleuniger, so dass die Fähigkeiten und Ausbildungen (z.B. im Strahlenschutz) bereits vorhanden sind. Dazu steuert das IEK-4 die alte, aktuell leerstehende, Textor-Halle (des alten Tokamak-Fusionsreaktorprototypen) bei, die nicht nur über entsprechend viel Platz, sondern auch über eine gute Stromversorgung verfügt und (am wichtigsten) noch ein radioaktiver Kontrollbereich ist, so dass mit minimalstem Aufwand direkt mit ionisierender Strahlung gearbeitet werden kann.

Einen Teilchenbeschleuniger haben wir uns auch bereits ausgeguckt. Es soll ein Tandembeschleuniger mit 16 MeV (P und D) werden, der mit einer geeigneten Quelle auch im gepulsten Modus betrieben werden kann und nicht, wie für einen Tandem üblich, in kontinuierlichem Modus. Aktuell kann ich noch nicht viel über die Projekte der anderen Institute sagen, da ich mich mit den Themen “Fusionsforschung”, “Plasmaphysik” und „Nano- Halbleitertechnik“ nicht wirklich gut auskenne. Aber das Ganze wird sich spätestens am 26.Oktober ändern. Da haben wir den ersten JAIME-Workshop, wo die ganzen teilnehmenden Institute zusammen kommen und ihre jeweiligen Spezialgebieten den anderen vorstellen. Ion Beam Analysis“ steht genauso auf dem Plan, wie Solid State Batteries und unsere ganzen geplanten Neutronenanwendungen. Spätestens über die letzteren kann ich jetzt schon mal an dieser Stelle berichten.

Derzeit betreibt das JCNS sehr gute Neutroneninstrumente an den besten Quellen weltweit… aber halt leider nicht in Jülich, weil es hier keine Neutronen mehr gibt. Das heißt, dass wir auch für alle Detektorentests, Weiterentwicklungen von Instrumenten, Ausbildung von Doktoranden und normalen, durchschnittlichen Messungen nach Garching bei München oder nach Grenoble in Frankreich oder OakRidge in den USA fahren müssen. Um langfristig eine große Neutronenquelle hier nach Jülich zu bekommen, haben wir das HBS-Projekt ins Leben gerufen, von dem ich hier schon oft erzählt habe. Aber das ganze hat auch einen Zwischenschritt, die NOVA ERA (Neurons Obtained Via Accelerator for Education and Research Analysis). Dies soll eine Neutronenquelle sein, die so kompakt ist, dass sie auch an einer Universität betrieben werden kann. Also etwas, dass wir innerhalb des JAIME-Projektes realisieren können.

Hier ist schon mal eine grobe Skizze des Aufbaus zu sehen. Auf der linken Seite werden die Strahlen der geladenen Teilchen auf die einzelnen Experimente aufgeteilt, die sich eben mit Ionen beschäftigen und auf der rechten Seite steht das Target, in dem die Neutronen für die Neutronenstreuexperimente produziert werden. Da man Neutronen nicht wirklich ablenken kann, müssen dann auf der rechten Seite alle Neutroneninstrumente mehr oder weniger in direkter Sichtlinie zu dem neutronenproduzierenden Target positioniert werden. Dabei wollen wir die neue Möglichkeit dieser Art von Neutronenquellen ausnutzen und die Beamlines in allen drei Dimensionen (also auch nach oben und unten) um das Target herum positionieren und nicht, wie aktuell üblich, nur in der Horizontalen.

Aktuell planen wir mit 5-6 Instrumenten, die zum Standardrepertoire einer Neutronenquelle gehören. Beim Imaging werden Bilder mithilfe eines Durchleuchtungsverfahrens aufgenommen – so wie mit Röntgen am Flughafen, nur mit dem Unterschied, dass Neutronen durch Blei hindurchgehen wie ein heißes Messer durch Butter und man vor allem Energiematerialien der Zukunft, wie Lithium oder Wasserstoff hervorragend sehen kann. Mit der prompten Gamma-Analyse können Materialien auf ihre chemische Zusammensetzung hin untersucht werden und mit der Pulver-Diffraktometrie erhalten wir Informationen über die Kristallstruktur unserer Probe. Mit dem Reflektometer und dem Small Angle Scattering schließlich erhalten wir wichtige Informationen über Nanomaterialien, dünne Schichten und biologische Systeme komplementär zu denselben Techniken mit Röntgenstrahlen, die wir zur Zeit schon hier in unserem Institut durchführen.

Also ich hoffe, nach dem Workshop noch wesentlich mehr berichten zu können und wenn bis dahin irgendwelche Fragen bestehen, freue ich mich natürlich immer über Kommentare und Anregungen unter dem Artikel.


 

PS: Folien aus dem Beitrag von Johannes Baggemann zu unserem Unkel Workshop letzte Woche, von dem ich auch schon berichtet hatte.

PPS: Mehr Informationen gibt es dazu im aktuellen Newsletter des FZ, der heute erschienen ist.

Ab dem dritten Mal wird es eine gut etablierte Tradition, sagt man. In dem Sinne angewendet treffen sich traditionell alle europäischen Partner, die CANS (Kompakte Beschleuniger-getriebene Neutronenquellen) entwickeln und bauen wollen, mit ausgewählten internationalen Partnern in dem kleinen beschaulichen Dörfchen Unkel am Rhein bei Bonn, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen und die nächsten koordinierten Schritte zu planen. Wie die letzten beiden Male war ich diesmal auch wieder mittendrin und werde die Gelegenheit nutzen, davon zu berichten.

Also, was gibt es Neues? “Die Ungarn” haben ein Wirtschaftsförderprogramm zugesprochen bekommen und werden für ca. 4M€ eine CANS in Budapest bauen. Das Grundstück ist gekauft, das Gebäude vom Architekten geplant und die Ausschreibung für den Teilchenbeschleuniger läuft. Laut Plan soll die Quelle bis Ende 2020 stehen und dann primär für Tests von kommerziellen Neutronenleitern genutzt werden. Das ganze ist nämlich ein Wirtschafts- und keine Wissenschaftsprojekt. Derzeit werden Neutronenleiter an den großen Reaktorquellen getestet, was ca. 10-15k€ pro Tag kostet. Wenn man nun das ganze an eine eigene Quelle auslagern würde, dann spart man ca. 100k€ pro Monat, so dass sich die Quelle in weniger als 10 Jahren rentiert hat… aus Wirtschaftssicht eine gute Investition.

A propos gute Investition: “Die Franzosen” haben aus mehreren verschiedenen Projekten ein wissenschaftliches Budget eingeworben, was nun die Startfinanzierung des SONATE-Projektes darstellt. SONATE soll ihren Dienst als Prototyp mit reduzierter Leistung bis 2020 aufnehmen, um dann einigen ausgewählten Anwendungen einen direkten Übergang nach dem Abschalten des Pariser Forschungsreaktors Orphé zu gewährleisten. Je nachdem, ob in diesem Zeitraum dann die entsprechenden Gelder für den weiteren Ausbau aufgetrieben werden können, würde dann der Teilchenbeschleuniger IPHI ausgebaut werden und in eine neues Gebäude umziehen (müssen), in dem dann genug Platz ist, um mehrere Targetstationen und Instrumente aufzubauen.

Gruppenphoto des 3. CANS Workshop

Gruppenphoto des 3. CANS Workshop

“Die Deutschen” waren auch nicht untätig, haben wahrscheinlich die Partikelfrage geklärt und schon mal einen kalten Moderator gebaut und in Betrieb genommen. Was finanzielle Unterstützung angeht, haben wir leider noch nichts Nennenswertes vorzuweisen, außer hier und da ein paar neue Stellen und Mitarbeiter. Aber es gibt das JAIME-Projekt mit dem auch Deutschland eine nennenswerte Chance hätte, noch in 2020 eine eigene CANS zu bekommen. Doch davon werde ich auch auf jeden Fall noch mal in einem eigenen Artikel berichten.

Die Spanier, Schweizer und Dänen hatten auch kleine Fortschritte zu berichten und die Japaner, die wir ja gerade erst besucht hatten, haben ebenfalls eine neue kalte Quelle in Betrieb genommen. Es geht also voran.

Was nicht geklappt hat, war unser gemeinsames EU-Projekt CANS4EU, welches nicht unter den Top10-EU-Kooperationsprojekten gelandet ist und damit erst mal nicht mit EU-Geldern gefördert wird. Das ist schade, aber eine Chance gibt es noch. Wegen des großes Zuspruches zu dem Projekt (mehr als 40 Bewerbungen) wird derzeit überlegt, den Finanzrahmen auszubauen (zu verdoppeln) und dann noch die nächsten 10 Projekte auf der Liste ebenfalls zu fördern. Da wären wir auch mit dabei und das entsprechende Budget wäre sicher hochwillkommen. Währenddessen haben wir beschlossen auf welche weiteren Projekte wir uns gemeinsam (mit 7+ europäischen Teilnehmern) bewerben wollen, so dass es bald wieder heißt: Anträge schreiben (Urgs).

Tja, also erst mal nichts wirklich Weltbewegendes und keine richtig großen Ankündigungen, aber weitere wichtige Schritte in die Zukunft der Neutronennutzung in Europa. In den letzten beiden Jahren haben wir den Wagen ins Rollen bekommen und dieses Jahr freudig feststellen können, dass er ordentlich Geschwindigkeit und Schwung aufnimmt. Ich freue mich sehr, an vorderster Front mit dabei sein zu können, auf dem Kutschbock sozusagen, und werde mein Möglichstes tun, um auch weiter live von der Fahrt zu berichten.

Vor zwei Jahren hatte ich ja ein ziemlich düsteres Bild der europäischen Neutronenlandschaft gezeichnet und es mit der bröckelnden Neutronenpyramide bebildert, aus deren Innenraum ein finsterer böser alter Gott hervorgekrochen kommt. Nun finde ich, ist es Zeit mal ein wenig positiver in die Zukunft zu schauen und auch dafür hat der gute Jacob Müller mal wieder tief in die Trickkiste gegriffen, den Griffel gespitzt und ein Stück Kunst aufs digitale Papier gebracht. Diesmal ist es ein Wimmelbild geworden, vor dem auch der langjährige Neutronenphysiker ein paar Minuten sitzen und immer wieder neue kleine Details entdecken kann.

Diese Neutronenpyramide steht ein paar Jahre in der Zukunft, was man daran erkennen kann, dass die Europäische Spallationsquelle, die ESS, der große Leuchtturm der Neutronenforschung, die leistungsstärkste Quelle der Welt, ihren Betrieb schon aufgenommen hat. Also muss es irgendwo im Jahre 2025-2030 spielen. Wie vorher angekündigt, wurden die Forschungsreaktoren in Berlin und Paris (LLB Saclay) abgeschaltet und stehen nicht länger zur Verfügung, damit internationale Forscher mit ihrer Hilfe forschen könnten. Aber anders als zuvor befürchtet wurde die entstehende Lücke mit Säulen und Stützstreben gefüllt, die die Namen der neuen hochbrillianten CANS Neutronenquellen tragen. Der Verlust der Basis, der Arbeitstiere, der Mittelflussreaktoren aus den 60er und 70er Jahren wurde von einer neuen Art Neutronenquelle auf Basis von Teilchenbeschleunigern kompensiert. Außerdem wurde zeitgleich der nächste Schritt auf der Evolutionsleiter gegangen und die ägyptische Architektur der Pharaonen hat Elemente erhalten, die schon eher an die griechische Antike erinnern und den Weg für neue Gebäudeformen eröffnen.

Die Namen stehen dabei für die aktuellen Projekte von Frankreich (SONATE), Spanien(HBS Bilbao) und Deutschland (HBS Jülich), aber das ist nur der aktuelle Stand. Eigentlich versuchen wir noch viel mehr Länder und Organisationen davon zu überzeugen, den Schritt zu den Neutronenquellen der Zukunft zu gehen und es gibt bereits mehr als eine erfolgsversprechende Idee (z.B. in Italien und Ungarn).

Aber jetzt möchte ich euch nicht weiter mit den politischen Plänen in der europäischen Neutronenlandschaft langweilen, sondern ein wenig das tolle Bild von Jacob erkunden lassen, auf dem so einige Details für den aufmerksamen Beobachter versteckt sind. Denn frei nach dem Motto aktuelle Themen der Wissenschaft anders zu kommunizieren als in staubtrockenen Papern hinter Journal-Paywalls, haben wir hier mal mindestens eine Neutronenquelle der nächsten Generation grafisch untergebracht. Ich will jetzt auch nicht zu viel verraten, aber in Ägypten gab es offensichtlich schon Teilchenbeschleuniger, Neutronentargets und kalte Quellen für die Kristallographie…

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Ich bemühe mich ja immer mal wieder, unorthodox zu kommunizieren und die Neutronenpyramide ist eine der Möglichkeiten dies zu machen. Dieses Blog ist eine weitere und danach gibt es noch Science Slams und ähnliche Veranstaltungen. Ich freue mich in einer Zeit zu leben, wo so eine Art der Wissenschaftskommunikation möglich ist und es betrübt mich in einer Zeit zu leben, wo so eine Kommunikation noch wichtiger und noch notwendiger geworden ist, als sie es normalerweise schon wäre. In einer Zeit der alternativen Fakten, wo es wichtiger ist, wie viele Leute zu der politischen Veranstaltung kommen, als eine wilde Behauptung aus dem Internet vernünftig zu hinterfragen und zu belegen.

Naja, falls ich mich vor wilden Verschwörungstheorien hätte retten wollen, dann hätten wir uns wahrscheinlich ein anderes Motiv als eine Pyramide aussuchen sollen. Zumindest haben wir kein Auge ins Zentrum gesetzt… also neben den Stein, auf dem ISIS (also die englische Spallationsquelle) steht. Ähem, also erst mal viel Spaß mit der zweiten Pyramide und sobald wir uns wieder das nächste visuelle Projekt ausdenken (und davon wird es bestimmt noch einige geben) dann werde ich euch natürlich wieder hier live (mehr oder weniger) davon berichten.

Eine Auswahl der aktuellen Doktorantinnen

Eine Auswahl der aktuellen Doktorantinnen

Na, wer will meinen Job haben? Viel Arbeit, viel Herumgereise durch die Weltgeschichte, Arbeiten mit radioaktiven Materialien und geregelte Arbeitszeiten kenne ich nur vom Hörensagen. Dafür gibt es dann die einzigartige Möglichkeit an einem brandneuen Projekt mitzuarbeiten, das es auf der Welt in dieser Form noch nicht gegeben hat und kompakte Neutronenquellen als mikroskopische Sonde in der Materialforschung einem breiten Universitätspublikum zugänglich zu machen.

Der zukünftige engste Kollege ist ein Idiot und diskutiert im Internet mit Bananen, aber der Chef ist toll und die Arbeitsgruppe und das Institut sowieso.

Oder anders gesagt: Meine Zeit als Doktorandin ist vorbei und ich suche eine Nachfolgerin für eine Promotionsstelle in der Physik, konkret der Neutronenstreuung bzw. Moderation. Noch konkreter soll ein kryogener ortho/para Wasserstoffmoderator, den irgendeine Idiotin mit zwei linken Händen zusammengestöpselt hat, in Dauerbetrieb genommen und weiterentwickelt werden. Als Anforderungsprofil für die Stelle gäbe es diesen Ansatz:

  • Die Schrauberin: Abschluss in Physik, physikalische Chemie, Materialwissenschaften oder als Physikingenieurin mit einem starken experimentellen Schwerpunkt in Kryotechnik, Festkörper- oder Kernphysik. Grundlagenkenntnisse in Quantenmechanik sind Voraussetzung. Experimentelle Erfahrung in einem der folgenden Gebiete: Raman-Spektroskopie, Neutronen- (ggf. Röntgen)streuung oder Kryotechnik ist erforderlich, sowie die Bereitschaft sich in die anderen einzuarbeiten. Grundlagenkenntnisse in CAD, ANSYS und/oder LabView wären hilfreich, können aber auch “on the job” erworben werden. „Handelsübliche“ Kenntnisse in Programmierung und elektronischer Datenverarbeitung werden vorausgesetzt. Ach ja, und das Wichtigste ist natürlich die Lust an einem komplexen Gerät, das es in dieser Form noch nicht auf der Welt gibt, so lange herumzuschrauben und zu basteln (und darauf einzuschlagen), bis es vernünftig funktioniert und eine neue Ära in der Erforschung kondensierter Materie einleitet.

Für diese, zugegebenerweise nicht ganz einfachen Anforderungen, gibt es dann die üblichen Doktorandinnenleistungen: Dreijahresvertrag, ein Gehalt von dem man nicht verhungert (75% von dem, was ein Lehrer verdient (¾ E13) ) und eine Promotion an der RWTH Aachen (Fakultät Physik, Lehrstuhl Festkörperphysik Dr. rer. nat. oder bei Bedarf auch Dr. ing. möglich). Dazu kommt der Bonus des Forschungszentrums Jülich d.h. gute Fortbildungsprogramme, Konferenzen und logistische Unterstützung, wenig Lehrverpflichtung (nur Spezialvorlesungen, bei denen man selber noch was lernt) und exzellente Forschungsinfrastruktur (Geräte, Ausstattung und Techniker, Elektriker, Ingenieure etc.).

Dienstort ist das malerische Jülich inmitten von Rübenäckern und Bergbaulöchern, aber Wohnen in Aachen, Köln oder… notfalls auch… urgs… Düsseldorf funktioniert erfahrungsgemäß auch ganz gut, obwohl ich in meinen drei Jahren wohl maximal die Hälfte der Zeit vor Ort und den Rest an irgendwelchen externen Forschungsorten verbracht habe.

Bei Fragen könnt ihr euch gerne hier oder per Mail melden. Die Bewerbung bitte über den offiziellen Weg über das Forschungszentrum Jülich.

… und übers Weitersagen an Freunde und Bekannte, die dafür in Frage kommen würden, würde ich mich natürlich freuen.

Die Offizielle Stellenausschreibung gibt es hier: http://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Stellenangebote/_common/dipldok/d129-2017-jcns-2.html?nn=718260

Wer erfolgreich eine tolle Kandidatin für uns einwirbt bekommt von mir wahlweise einen persönlichen Artikel über ein Thema der Wahl, ein Waffeleisen oder einen Eisbecher ausgegeben.

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Einbau des kryogenen Wasserstoffmoderators. In der kleinen Alu-Koladose auf der linken Seite wird später der Wasserstoff einkondensiert werden.

Am 23. August 2017 war es so weit, nach über 2 Jahren Vorbereitung haben wir es endlich geschafft und am Ausbildungskernreaktor der TU-Dresden mit einem Moderator, mit flüssigem Wasserstoff, ausreichend Neutronen kalt gemacht. Wie ich hier ja schon mal öfter geschrieben habe sind kalte Neutronen für die Wissenschaft extrem interessant, weil man damit (wie mit Röntgen, nur besser) sehr gut Materialien in der Physik, Biologie und Chemie untersuchen kann. Doch leider sind Neutronen bei der Produktion erst mal sehr schnell (10% Lichtgeschwindigkeit) und müssen auf Schrittempo abgebremst (moderiert) werden. Dabei wird ihre Temperatur von mehreren Millionen Grad Celsius auf -250°C, nahe am absoluten Nullpunkt, verringert. Das geht am besten mit flüssigem Wasserstoff bei -250°C denn da verlieren die Neutronen beim “Antitschen” am meisten Energie. Die Königsdisziplin ist dabei der sog. Para-Wasserstoff. Das Wassertoffmokekül besteht aus 2 Protonen, die jeweils einen Spin Up oder Down haben. Ist der Spin symmetrisch heißt er Ortho (Triplett) und ist er antisymmetrisch heißt er Para (Singulett). Der Trick ist nun, dass für thermische und heiße Neutronen beide Spin Zustände gleich aussehen, aber für kalte Neutronen der Para-Wasserstoff nahezu durchsichtig wird und keine Neutronen mehr streut. Durch geschickte Anordnung können wir also nun einen Extraktionsmeschanismus bauen, der thermische Neutronen weiterhin heruntermoderiert, kalte Neutronen aber heraus lässt, damit wir sie an unseren Experimenten benutzen können.

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Das Kernteam nach dem ersten erfolgreichen Betrieb einer niedrigdimensionalen kalten paraH2-Quelle an einem Reaktor

Genau das haben wir von zwei Wochen zum ersten mal erfolgreich getestet, indem wir am AKR-2 Reaktor der TU-Dresden ca. 200 ml flüssigen Para-Wasserstoff bei kryogenen Temperaturen verflüssigt und mit Neutronen gefüttert haben. Dabei heißt “zum ersten Mal” tatsächlich, dass wir die ersten Menschen waren, die einen niedrigdimensionalen Para-Wasserstoffmoderator an einer Reaktorquelle betrieben konnten. Das ganze ist halt auch gar nicht soooo einfach… hauptsächlich wegen des “Hindenburg-Syndroms”, durch dass alle Betreiber von Forschungsreaktoren immer so einen komischen Gesichtsausdruck bekommen haben, wenn ich sie fragte, ob ich denn nun mit meiner Knallgasbombe an den Kern ihres Reaktors dran darf.

Daher haben wir uns den Ausbildungskernreaktor der TU-Dresden für unsere erste Tests ausgesucht. Der hat nur 2 Watt thermische Leistung (noch nicht mal genug um eine Glühbirne zu betreiben) und steht in einer großen Halle, die wir während den Wasserstoffexperimenten ganz für uns alleine haben können. Trotz der geringen Leistung produziert er allerdings immer noch 10^8 Neutronen pro Sekunde, die unsere Moderatoroberfläche erreichen, was für viele Messungen vollkommen ausreichend ist. Da der AKR-2 aber immer noch ein richtiger Reaktor ist mussten wir für die Experimente mit dem Wasserstoff erst einmal einen längeren Genemigungsprozess durchmachen und viele Sicherheitsmaßnahmen einbauen, die verhindern, dass irgendwo in unserer ganzen Anordnung explosionsfähige Gemische entstehen. Das ganze wird noch mal dadurch erschwert, dass Wasserstoff (bei unseren Drücken von ca. 1,5 bar(A)) unter ca. 11 Kelvin fest und über 22 Kelvin gasförmig wird und wir mit flüssigem Helium bei 4 Kelvin kühlen müssen. Sprich wenn wir außerhalb dieses, für die Praxis doch recht kleinen, Temperaturintervalls arbeiten, dann frieren wir uns entweder eine der Wasserstoffleitungen mit einem Wasserstoff-Eis Propfen zu oder schaffen es nicht genug flüssigen Wasserstoff in unser Gerät herein zu bekommen. Also eine ganz spannende Sache.

Lange Rede kurzer Sinn, nach viel Arbeit (also essentiell meiner Doktorarbeit) haben wir es geschafft ein System aufzubauen, in dem ein kryogener Moderator mit flüssigem Para-Wasserstoff Neutronen durch kinetische Stöße (und Spin-Flip) abkühlt und gerichtet zu einem Detektor führt, wo ich sie messen kann. Ich bin sehr glücklich, dass es alles (mehr oder weniger) geklappt hat und wollte euch alle nur mal kurz hier mit diesem Artikel an meinem Glück teilhaben lassen. Eine ausführliche Beschreibung (ca. 200-300 Seiten) werde ich dann demnächst hier auch mal hochladen, wenn die Veröffentlichungen raus sind 😉

3K0A0129Wenn wir schon mal auf der anderen Seite der Welt sind, dann können wir ja auch noch gerade mal in Korea vorbeischauen und dort auf eine Konferenz gehen. Naja, ehrlich gesagt haben wir unsere Japanreise natürlich schon so geplant, dass sie mit der größten Neutronenstreukonferenz der Welt, die alle vier Jahre stattfindet, zusammenfällt und diesmal war es eben im Sommer 2017 in Daejeon, Korea.

Konferenz für Neutronenstreuung heißt hierbei, dass es sich hauptsächlich um die Anwendung von Neutronenstrahlen dreht. Also die Instrumente, die an einer solchen Quelle betrieben werden können und die konkrete Wissenschaft, die damit gemacht werden kann. Ich saß z.B. in einem Vortrag zu dem Multiferroikum MnWO4 (bzw. Hübnerit), wo neue Erkenntnisse zu dessen magnetischer Struktur vorgestellt wurden. Denn wie manch andere multiferroische frustrierte Spinsysteme auch, erzeugt dieses Material eine Spinspirale, die besonders gut mit polarisierten Neutronen erforscht werden kann und mit der man z.B. elektronische Speicher und Quantencomputer der Zukunft herstellen könnte – Grundlagenforschung also.

3K0A1142Aber auch wir hatten mit unserer neuen Art Neutronenquelle dort einen festen Platz und waren recht beliebt bei den ganzen Forschern, die sich fragen, wo sie denn in Zukunft ihre Neutronen herbekommen sollen. Bei den vielen Beiträgen sind die Vortrags-Slots entsprechend hart umkämpft und ich hatte diesmal leider keinen Vortrag bekommen, sondern musste mich mit einem Poster begnügen. Nur einer aus unserem Team durfte letztendlich unsere Neutronenquelle dort auf der Bühne vorstellen und wir anderen mussten auf Laufkundschaft an unseren Postern warten. Davon gab es dann allerdings recht viele und mein Poster hat dann letztendlich auch den “Best Poster Award” gewonnen. Eine Tatsache, die ich aber wohl wesentlich mehr Jakob Müller und seinen tollen Zeichnungen zu verdanken habe als meinen bescheidenen “Grafik-zusammenstöpsel”-Kenntnissen. Da das Poster sowieso schon seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat, will ich es euch natürlich auch nicht vorenthalten und habe es daher der Vollständigkeit hier noch einmal hochgeladen (ICNS2017PP).

Blick in die Neutronenleiterhalle des HANARO Forschungsreaktors

Blick in die Neutronenleiterhalle des HANARO Forschungsreaktors

Zu der Konferenz selber gehörte auch noch eine Tour durch den Forschungsreaktor HANARO in Daejeon, der eigentlich, genauso wie der FRM-2 in Garching, hauptsächlich als Neutronenquelle für Streuexperimente von Physikern, Chemikern und Biologen dient. Im Gegensatz zu Garching ist der Reaktor aber ein Jahr nach dem Reaktorunfall von Fukushima abgeschaltet und seitdem nicht wieder hochgefahren worden. Wer also Angst vor Kernreaktoren für eine typisch deutsche Errungenschaft gehalten hat so wie ich z.B., der kann an diesem Beispiel lernen, dass dies vor allem im asiatischen Raum in China, Japan und eben Korea auch ein großes politisches Thema ist. Teilweise sogar wesentlich mehr als in Deutschland, wo mMn nach dem beschlossenen Atom(energie)ausstieg eine Menge Dampf aus dem Kessel gelassen wurde.

sticker

Anti-Spionage-Sticker der koreanischen Atomenergiebehörde

Dies war wahrscheinlich auch einer der Gründe für die wirklich erhöhten Sicherheitsrichtlinien, die wir für den Besuch über uns ergehen lassen mussten. Eine vorherige Akkreditierung mit Backgroundcheck war genauso nötig wie ein Überkleben aller Handykameras mit entsprechenden Stickern und das in dem Land, in dem gefühlt jeder Kühlschrank über ein Touchpad mit WLAN und Kamerafunktion verfügt. Die Chinesen waren da bei unserem Besuch ein halbes Jahr vorher wesentlich entspannter – hmm, so what.

Ich fürchte, mit dem Land Korea werde ich nicht so wirklich warm. Die Dichte an amerikanischen Fastfoodläden von McDonalds über Starbucks bis hin zu PizzaHut ist gefühlt größer als in Miami und Bier und Chicken (im KFC-Style) als aktuell beliebtestes Essen ist auch nichts, mit dem ich mich wirklich anfreunden kann… oder für das ich zumindest nicht um die halbe Welt reisen muss. An den wenigen Abenden, an denen wir nicht auf der Konferenz versorgt wurden, haben wir zwar schon traditionell Koreanisch gegessen (in den entsprechenden Restaurants, wo wir die einzigen Ausländern waren), aber besser (oder exotischer) als im Bulgogi Haus in Köln-Weidenpesch war das jetzt auch nicht. Das selbstgemachte Kimchi, das ich hier in meinem Kühlschrank habe, ist genauso gut wie das in Korea und der einzige Unterschied ist offensichtlich, dass ich es zuhause nicht mit der Schere schneide.

Ich habe noch in einem koreanischen Brautmodengeschäft einen Gat (traditioneller dummer Hut) gekauft, den dann aber leider im Hochgeschwindigkeitszug nach Seoul (die echt überall auf der Welt besser sind als in Deutschland) liegen lassen. Die Herausforderung mit dem Reiskocher habe ich lieber direkt sein gelassen und versuche mein Glück dann wohl lieber in Japan, wenn bzw. falls ich da noch mal hinkomme.

Gerade war ich in Japan bei unseren Kollaborationspartnern am Forschungsinstitt RIKEN, um zu fragen, ob ich mir mal ihren Teilchenbeschleuniger ausleihen darf… Irgendwie scheint das ein regulärer Teil meiner Arbeit zu werden, bei fremden Leuten aufzutauche,n um mit großen Kulleraugen um Strahlzeit zu betteln. Naja, gibt Schlimmeres, aber fangen wir mal vorne an zu erzählen.

Also RIKEN ist ein Forschungszentrum – ganz ähnlich wie Jülich – das sich auf Kernphysik spezialisiert hat. Vor kurzem haben sie mit dem extrem starken Teilchenbeschleuniger dort das neue Element Nihonium gefunden… naja eigentlich haben sie (innerhalb von mehreren Jahren) “drei Ereignisse” nachgewiesen (also sie konnten insgesamt 3 Atome produzieren und messen), was unter Kernphysikern offensichtlich ausreicht, um ein neues Element zu entdecken.

Aber ich bin ja Festkörperphysiker und habe davon nur sehr wenig Ahnung und war deswegen auch gar nicht da. Ich war vor Ort, um mit der Neutronengruppe zusammenzuarbeiten und ihren kleinen Teilchenbeschleuniger samt Neutronenquelle zu benutzen. Diese Neutronenquelle, RANS (RIKEN Accelerator-driven Neutron Source), ist eigentlich genau das, was wir im HBS-Projekt in Deutschland auch für Universitäten bauen wollen. Teilchenbeschleuniger, Neutronentarget und Instrument sind zusammen nur ca. 15 Meter lang und ca. 2m breit. Trotzdem produzieren sie ca. 10^9 n/s, von denen 10^5 n/s an der Probe ankommen und genutzt werden können. Das reicht für spezialisierte Fragestellungen durchaus aus, um aktuelle Wissenschaft zu betreiben und genau dies wollen wir, wie schon öfter hier erwähnt, auch an deutschen Universitäten verbreiten.

Nun gehen an der Stelle unsere Absichten aber schon etwas auseinander. Wir in Jülich wollen immer präzisere Neutronenquellen bauen, so dass wir viel mehr Neutronen auf eine Probe fokussieren können. Die Leute von Riken allerdings wollen ihre Quelle mit dem Teilchenbeschleuniger sogar noch weiter verkleinern, um sie auf einen LKW bauen zu können. Denn falls so eine Quelle transportabel wird, dann könnte man sie benutzen um Brücken und ähnliche Betonkonstruktionen damit zu durchleuchten. Dies ist nämlich einer der weiteren großen Vorteile von Neutronen. Während Röntgenstrahlen – vor allem die von Laborquellen – nur wenige mm in Materialien eindringen können, so können Neutronenstrahlen ohne größere Probleme auch durch meterdicke Beton oder Stahlkonstruktionen hindurchgehen.

Konzept einer Neutronenquelle zum Durchleuchten von Brücken und ähnlichen Strukturen

Die Japaner haben nämlich ein Problem. Während des japanischen Wirtschaftswunders nach dem 2. Weltkrieg wurden sehr viele Brücken gebaut, die nun, nachdem die entsprechenden Jahrzehnte ins Land gegangen sind, Risse, Wassereinlagerungen und andere Schwachstellen bekommen. Dabei ist die Diagnose erstaunlich schwierig, denn Ultraschall und Röntgen kann man nur sehr lokal einsetzen und ansonsten kann man nur gucken, ob sich auf der Oberfläche irgendwelche Risse bilden. Daher hatte die Gruppe aus RIKEN eben die tolle Idee dafür Neutronenstrahlen einzusetzen, woran jetzt seit einigen Jahren gearbeitet wird.

Naja, langer Rede kurzer Sinn, ich darf gerne ihre Neutronenquelle für meine Versuche benutzen und muss jetzt nur noch meinen Chef davon überzeugen mich mit meinem ganzen Equipment um die halbe Erde zu karren… obwohl dort alles voll von aggressiven Rehen ist.

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Mein Votrag im japanischen Theater mit der neuesten Pyramide von Jacob Müller

Das ist dann auch schon direkt die Überleitung zu dem anderen Grund meiner Reise nach Japan: Eine Spezialistenkonferenz über Neutronenoptiken, oder kurz NOP. Die fand in Nara/Japan in einem malerischen Tempelbezirk mit japanischem Garten und besagten heiligen Rehen (eigentlich Sikahirsche s.u.) statt und beschäftigte sich nahezu ausschließlich mit der gezielten Extraktion und Verwendung von Neutronen. Kalte Neutronen haben nämlich einen riesigen Vorteil gegenüber thermischen Neutronen und vielen anderen Partikelstrahlen. Wenn ihre Energie abnimmt, dann bekommen sie gewisse Eigenschaften, die man sonst eher nur von sichtbarem Licht kennt wie z.B. die Totalreflektion. Neutronen kann man z.B. an einem Spiegel unter einem bestimmten Einfallswinkel spiegeln und wenn man nun einen Leiter aus solchen spiegelnden, beschichteten Glasflächen produziert, kann man Neutronen quasi wie bei Lichtwellenleitern und Glasfasern transportieren. Darüber hinaus kann man auch Sammellinsen einsetzen und die Neutronen polarisieren, aber das führt an dieser Stelle ein wenig zu weit. Unter anderem auch, weil diese Techniken wirklich die “leading edge” Technologie in der Neutronenphysik sind und sich da noch vieles erst etablieren muss, bevor ich hier sicher davon reden kann.

Kurz bevor wir nach Tokyo gefahren sind, haben es mein Kollege und ich es auch noch geschafft auf den Fujisan, Japans höchsten (Vulkan)Berg, zu klettern. Wir haben den Aufstieg am ersten Tag der Saison gewagt, als der Weg gerade aufgemacht wurde und wurden dafür mit eisigen Temperaturen am Nullpunkt (in Tokyo 35°C), eisigen Winden und geschlossenen Schreinen belohnt 😉 . Aber es hat sich trotzdem sehr gelohnt und der Pilgerweg dort hinauf ist auf jeden Fall eine Erfahrung wert.

Als Deutscher habe ich mich in Japan auf jeden Fall sehr wohl gefühlt und auch (oder vor allem) auf Wissenschaftsebene haben wir dieselben Einstellungen. Ich hoffe sehr, dass wir auch in Zukunft unsere Zusammenarbeit wie geplant fortsetzen können und zusammen die brillianten Neutronenquellen der Zukunft für Jedermann bauen können

PS:

Eins
Zwei
Drei
Vier