Ich habe ja schon einmal geschrieben, wie ein (mein) neues physikalisches Großprojekt entsteht… mit einer Idee und einer Konferenz. Direkt danach kommen dann auch schon die ersten Schritte, sprich eine Machbarkeitsstudie, um zu demonstrieren, dass wir die Techniken beherrschen und die ganze Methode… naja, eben machbar ist.

Das geschieht heutzutage (obwohl ich dieses Wort eigentlich sehr hasse) mit Simulationen am Computer. In unserem Fall sind das sog. Monte-Carlo-Simulationen, bei denen für eine bestimmte Anzahl an Teilchen ein (wahrscheinlichkeitsabhängiger) Weg berechnet wird. Das heißt, ein Proton trifft auf unser simuliertes Be-Target, bleibt da stecken und macht nichts weiter. Ein weiteres Proton trifft auf das Be-Target und schlägt dort ein Neutron raus. Dieses Neutron kollidiert mit 5 weiteren Be-, 100 D- und 20 H-Atomen, verliert dadurch Energie und landet schließlich in unserem (ebenfalls simulierten) Detektor. Dies wird mit zigtausenden Teilchen wiederholt und benötigt dann auch ab einem bestimmten Zeitpunkt schon einen Großrechner, um die Rechenkapazität bereitzustellen. Aber kann man diesen Simulationen vertrauen? Naja, nur bis zu einem gewissen Punkt. Danach muss man eben nachmessen, ob das auch so alles stimmt und die Sache experimentell überprüfen.

Werkstatt

Ein großer Teil der Werkstatt. Wie man sieht (gelbes shirt) falle ich mal wieder unangenehm auf, bin aber glücklich.

Mein Gebiet ist die thermische und kalte Neutronenmoderation und dafür haben wir einen ersten Prototypen gebaut. Mit “wir” meine ich dabei die Mädels und Jungs aus der JCNS- Werkstatt (PGI-JCNS-TA), denn die haben kiloweise Aluminium (neutronenharte Legierung) geschweißt, gedreht, gefräst und gebohrt und mich dabei beraten, was fertigungstechnisch überhaupt möglich ist und mir auf dem Weg eine Menge Flausen ausgetrieben, wenn mir wieder irgendwelche Ideen im Kopf herumschwirren, die zwar im 3D-Programm gut aussehen, aber gar nicht vernünftig umsetzbar sind. Dabei habe ich extrem von der Erfahrung der Kollegen profitiert. Denn wenn ich jetzt wirklich ehrlich bin, dann bin ich ja erst seit ca. 3-4 Jahren im Gebiet der Neutronenstrahlung unterwegs, während in der Werkstatt viele Leute sitzen, die zu Hochzeiten des DIDO-Reaktors FRJ-2 viele Arbeiten daran betreut hatten und dieses erlernte Wissen natürlich auch an die Lehrlinge der nächsten Generation weiter gegeben haben.

Eine der wichtigsten Kompetenzen (für mich) ist dabei die Bearbeitung von Aluminium. Al ist für Neutronen nahezu unsichtbar, aber trotzdem verhältnismäßig leicht zu bearbeiten, so dass in der Regel alle unsere Werkstoffe aus Aluminium gefertigt werden (falls es möglich ist). “Verhältnismäßig leicht zu bearbeiten“ gilt hier aber auch erst mal nur für das Drehen und Fräsen, falls die entsprechenden Materialstärken möglich sind. Denn obwohl Aluminium zwar “unsichtbar” für Neutronen ist, hat es doch Auswirkungen und eine messbare Aktivierung im Neutronenstrahl. Das heißt, wir wollen auch unsere Strukturmaterialien so dünn wie möglich haben und trotzdem müssen sie Temperaturen von 300 bis 4K (bei meiner Anwendung) und Druckunterschiede von mehreren Bar aushalten. Die eierlegende Wollmilchsau halt. Zeitgleich ist reines Aluminium sehr weich und kaum als Strukturmaterial zu gebrauchen, so dass in der Regel mit Legierungen gearbeitet werden muss, die allerdings natürlich auch wieder kein Kobalt oder andere Zusätze enthalten dürfen, die für Probleme im Neutronenstrahl sorgen. Tja.

Als ob das alles nicht schon genug wäre, müssen dann auch oft Teile geschweißt werden… und dann wird es richtig kompliziert. Motiviert von verschiedenen Leichtbauweisen (vor allem im Flugzeugbau) hat es da in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gegeben, aber “mal eben schnell gemacht” ist es auch nicht und ein erfahrener Schweißer ist Gold wert.

NorbertBernard

Norbert Bernard bei Feldversuchen zum Schweißen des Wasserstoffbehälters für unseren kalten Finger.

Diesen hat die JCSN-Werkstatt (PGI-JCNS-TA) in Norbert Bernard gefunden, der nicht nur die ganzen verschiedenen Schweißtechniken mit extrem viel Erfahrung beherrscht (deren genaue Wiedergabe ich mir aufgrund fehlender Fachkompetenz nicht zutraue), sondern auch eigenständig Verfahren wie eine Dichtigkeitsprüfung mit UV-lumineszentem Kontrastmittel eingeführt hat. Hier ist er gerade dabei, das Herzstück des kalten Finger Prototypen zu schweißen, mit dem ich dann zwei Monate später in Dresden zum ersten Mal kalte Neutronen produziert habe.

Aber das Schweißen steht natürlich nur stellvertretend für die ganzen anderen Werkstücke und Handwerksdisziplinen, die in die Fertigung des Prototypen eingehen und für deren Anfertigung und kompetente Hilfe ich mich an dieser Stelle bei der Werkstatt-Crew von Jens Schnitzler ganz herzlich bedanken möchte. Dieses Bild ist spontan vor meiner Abreise zur Messzeit nach Dresden entstanden, weshalb nicht alle anwesend sind, die bei den ersten Schritten der HBS mitgewirkt haben (und weshalb nicht jeder das Werkstück in der Hand hält, das von ihm angefertigt wurde). Aber es wird sicher noch weitere Fotos geben, auf denen dann die Leute auch mit drauf sind, die es nicht auf dieses Bild geschafft haben.

Mein Traum ist es, dass im Jahre 2030, wenn die ersten Neutronen an der neuen Jülicher Neutronenquelle produziert werden, bei der Eröffnungszeremonie diese Bilder gezeigt werden und dann darunter steht: “HBS-Jülich, so hat damals alles angefangen.”