Alle wissenschaftlichen Großprojekte fangen einmal damit an, dass sich eine Gruppe Leute irgendwo trifft und einer Idee (die vorher bestimmt schon durch so einige Köpfe gegeistert ist) einen entsprechenden Rahmen und eine Plattform gibt.
Meistens wird dann auch ein Photo gemacht und die berümtestens bleiben dann für hunderte von Jahren (https://en.wikipedia.org/wiki/Solvay_Conference) in Erinnerung und werden später im Schulunterricht durchgenommen. Einen so riesigen Quantensprung (Badabum) wie die oben verlinkte Konferenz habe ich zwar nicht zu bieten, aber seit kurzem bin ich auch auf einem solchen Photo zu sehen.
Im Oktober waren diese kleine Schar Leute allesamt Direktoren mehrerer internationaler Zentren der Neutronenforschung, die sich in Unkel am Rhein (mit Ausblick auf den Drachenfels) getroffen und eine Partnerschaft beschlossen haben, um ein Netzwerk an mittelgroßen, beschleunigerbasierten Neutronenquellen zu bauen, die alte Forschungsreaktoren ablösen sollen. Ich habe dort einen Vortrag über mein Spezialgebiet (die Moderatorentwicklung der HBS-Neutronenquelle) gehalten, vorher das Hotel (mitsamt Essen und Aussicht) ausgekundschaftet und einzelne hochkarätige Wissenschaftler durch Köln gefahren und ihnen die Sehens- und Merkwürdigkeiten des Rheinlandes näher gebracht.
Das wirklich schockierende dabei ist (mMn), dass selbst bei einem solchen Projekt, deren Teilnehmer sich per Berufsdefinition zur Logik und rationalem, unemotionalem Denken und Handeln verpflichtet haben, rein menschliche Beziehungen und Beweggründe dominieren. Auch wenn diese Wissenschaftler miteinander reden, sind die Atmosphäre und die zwischenmenschlichen Beziehungen mindestens genauso wichtig wie der Fachinhalt. In weiser Vorraussicht (meines Chefs) hat bei diesem Treffen alles gestimmt und die Konferenz (das Klausurtreffen) wurde zu einem vollen Erfolg, sowohl in menschlicher (Thema Zusammenarbeit) als auch in fachlicher Hinsicht. Aber ich muss tatsächlich immer daran denken, wenn schon wissenschaftliche Meetings so stark von menschlichen Beweggründen und Eigenheiten dominiert werden, dann muss das ganze in Wirtschaft und Politik doch noch wesentlich schlimmer sein, oder?
Aber noch mal zurück zum Thema der Konferenz. Wie schon öfters hier beschrieben sind Neutronen eine total tolle Sache und am besten sollte jede Uni (analog zu diversen Röntgengeräten) eine Neutronenquelle im Labor haben. Der feine Unterschied dabei ist leider nur, dass Neutronen nicht so ganz einfach produziert werden können und die meiste Forschung bislang mit Forschungsreaktoren durchgeführt werden musste. Diese sind nun in die Jahre gekommen und werden nach und nach abgeschaltet, so dass die armen Neutronenphysiker auf dem Trockenen sitzen würden, wenn sie sich nicht darum bemühten, eine neue Art von Quellen zu bauen. Die größte Quelle, die jemals gebaut wurde, ist die ESS, von der ich ja hier auch schon öfter berichtet habe. Aber neben dem einen großen Leuchtturm der Neutronenforschung muss es natürlich auch noch eine breite Basis geben, die dieser herausragenden Einrichtung zu einer breiten Basis verhilft…. und deswegen gab es die oben beschriebene Konferenz.
Besonders schön (und voll im europäischen Gedanken) finde ich die Idee, dass nationale Quellen mit einem gemeinsamen Konzept auf europäischen Niveau als Zusammenarbeit von mehreren internationalen Partnern realisiert wird. In Zeiten, in denen Europa eher auseinander zu driften scheint, ist das ein schönes Kontrastprogramm, auch gegenüber der europäischen Zusammenarbeit mit den russischen Neutronenquellen (über die ich sicher auch noch mal schreiben werde). Derzeit arbeite ich an einem vernünftigen Artikel über unsere geplante Neutronenquelle im Allgemeinen (Was ist die HBS-Jülich?) aber da dieser Beitrag einem wesentlich höheren Standard genügen muss (und die Alltagsarbeit leider auch nicht weniger wird) braucht das leider noch ein paar Tage.
Schöner Beitrag, der Lust auf mehr macht. Ich bin gespannt. 😉