Wie ein Biochemiker die Neurobiologie entdeckte
Reisen erweitert den Horizont, so sagt man. Doch wichtig für neue Erfahrungen und eine größere Weltsicht ist die Einstellung zum Reisen. Ein passionierter Reisender sagte einst: ‚Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt.‘ Das kleine Zitat von Mark Twain beschreibt recht gut, wie Cole Wilson ans Forschungszentrum Jülich gekommen ist. Das Ziel ist in diesem Vergleich ganz klar: Auslands- und Forschungserfahrungen zu sammeln, der Umweg ist das Forschungsfeld, das auf den jungen Biochemiker in Deutschland wartete. Doch beginnen wir am Anfang.
Neue Länder, neue Forschungsbereiche
Ein Fulbright Stipendium ermöglichte es Cole Wilson, ein Jahr in Deutschland zu leben und zu forschen. Der junge Amerikaner hatte zuvor bereits mit einem DAAD RISE Internship einen Auslandsaufenthalt am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam verbringen können. Deutschland entdeckte er bei dieser Gelegenheit als interessantes Land: „Die Arbeit während des Internships hat mir nicht nur Forschungserfahrung gebracht, sondern auch mein Interesse am Sprachenlernen und an anderen Kulturen neu entfacht. Danach habe ich sowohl alleine als auch an der Universität weiter Deutsch gelernt“, erinnert sich Cole. Einen weiteren Forschungsaufenthalt im entfernten Deutschland anzutreten und mit dem Forschungszentrum Jülich eine weitere Forschungseinrichtung kennenzulernen, war für ihn daher sehr interessant. Doch die Sache hatte einen Haken. Am Forschungszentrum sollte er im Bereich der Neurobiologie forschen und arbeiten, ein bis zu dem Zeitpunkt vollkommen unbekanntes Terrain für Cole. „Ich hatte Bedenken wegen meiner mangelnden Vorerfahrung und Ausbildung in diesem Bereich. Meine früheren Forschungserfahrungen betrafen Hefe, Pflanzen und Lipidvesikel“, berichtet er von seinen Gedanken im Vorfeld der Reise und setzt schmunzelnd hinzu „Ich verbrachte also den Sommer damit, über die Elektrophysiologie von Zellen zu lesen und zu lernen, wie man Schaltpläne liest. Am Ende war ich immer noch sehr verwirrt von all den Informationen und der Forschung am Institut.“ Doch dies hielt den Biochemiker zum Glück nicht von seiner Reise ab. Am Institut für Biologische Informationsprozesse, Bioelektronik (IBI-3) angekommen, fand er schnell einen Zugang zum Forschungsthema.
Ein kleine Geschichte über Neurobiologie und Interdisziplinarität
Mark Twain wäre über Cole Wilson erfreut gewesen, denn von dem Umweg oder besser gesagt, dem neuen Weg in die Neurobiologie hatte er sich nicht von seiner Reise abhalten lassen und seinen Wissenshorizont erweitert. Seine Forschungsarbeit in Deutschland richtete er daher auch an dem neuen Forschungsthema aus. „In meinem Projekt untersuchte ich neuronale Netze in vitro, das heißt, Neuronen, die sich außerhalb eines Organismus zum Beispiel auf einem Deckglas befinden. Das Ziel war der Aufbau von Logikgattern aus Neuronen, die in vitro überwacht und manipuliert werden können“, erklärt Cole seine Forschung. Dabei verfolgte er den Ansatz, die Zellen mit Hilfe von Proteindrucken auf Glas dazu zu bringen, in einem bestimmten Muster zu wachsen. Mit Hilfe von Viren wurden die Zellen so verändert, dass sie zwei Proteine exprimieren: eines zur Aktivierung der Zellen und eines zur Überwachung dieser Aktivität. Sein Projekt konnte er dabei eigenständig organisieren und durchführen. Doch natürlich wurde er am Institut nicht alleine gelassen und konnte von der Interdisziplinarität profitieren. „Die Mitarbeitenden am IBI-3 kommen aus den unterschiedlichsten akademischen Disziplinen und arbeiten gemeinsam an komplexen Aufgaben“, berichtet Cole „Das war zwar anfangs überwältigend, hat mir aber auch die Möglichkeit gegeben, mein Wissen über das hinaus zu erweitern, was ich in einer typischen biochemischen Abteilung hätte tun und lernen können.“ Den Aufenthalt in Deutschland nimmt der junge Biochemiker daher als gute Vorbereitung für seine weitere Zukunft mit nach Hause. An der Northwestern University möchte er seinen PhD beginnen. Das Programm dort ist interdisziplinär biowissenschaftlich. Die Neurobiologie soll Cole auch in dieser Phase seiner Karriere begleiten. „Ich plane in der Rotationsphase meines PhD-Programms in einigen Labors mit Ausrichtung auf molekulare Neurobiologie zu arbeiten“, erzählt Cole. Seine Fähigkeiten, die er sich in Jülich aneignen konnte, hofft er dort einbringen zu können.
Auslandsaufenthalt? Ja gerne!
Zu jedem längerfristigen Auslandsaufenthalt gehört natürlich immer auch ein Quäntchen Mut, doch in der Regel wird man mit neuen Erfahrungen und tollen Erlebnissen belohnt. Für Cole waren sicherlich die Berufserfahrungen ein wichtiges Element seines Aufenthalts in Jülich, doch auch die Unterschiede innerhalb eines Landes können aufschlussreich sein. Während seines DAAD RISE Internships in Potsdam lernte er die Einrichtungen und Arbeitsweisen am Max Planck Institut sehr gut kennen: „Abgesehen von der Größe der Gelände in Potsdam bzw. Jülich unterscheiden sich die beiden Forschungseinrichtungen vor allem in ihrer Ausrichtung. Mir gefiel das breite Forschungsspektrum am Forschungszentrum sehr gut, was damit auch die Arbeit sehr vielfältig machte“, erklärt Cole und setzt amüsiert hinzu „Seltsamerweise haben die beiden Abteilungen, in denen ich gearbeitet habe, beide eine Sekretärin namens Susanne und eine Technikerin namens Tina.“ Ob dies in weiteren deutschen Forschungseinrichtung anzutreffen ist, kann nur in weiteren Forschungsaufenthalten erkundet werden.
Vielleicht verschlägt es Cole wieder einmal nach Deutschland Stipendien und Forschungsförderungen sind hierfür in jedem Fall eine gute Basis. Manchmal bedarf es jedoch eines kleinen Schubses, um überhaupt auf die Idee zu kommen, sich für ein solches Programm zu bewerben. Bei Cole war es eine Freundin, die ihm den Schubs in die richtige Richtung gab: „Sie erzählte mir von ihrem DAAD-RISE Praktikum in Deutschland. Als jemand, der bereits auf der Suche nach Praktika war und schon immer mal über den Tellerrand schauen wollte, bewarb ich mich und hatte das Glück, eine Stelle zu bekommen“, erzählt er. Corona verhinderte einen zweiten Aufenthalt mit einem DAAD-RISE Stipendium in 2020, das Cole bereits nach Jülich geführt hätte. Ein weiterer Tipp aus seinem Bekanntenkreis führte dann zur erfolgreichen Bewerbung für das Fulbright-Stipendium.
Eine gute Zeit in der Arbeitsgruppe während einer Winter School. Foto: © privat
Stipendien, eine gute Grundlage
Stipendien schaffen hervorragende Rahmenbedingungen, um einen Aufenthalt an einer ausländischen Forschungseinrichtung zu absolvieren. Doch den Schritt in das andere Land muss jeder selbst gehen. Dieser Schritt beginnt in der Regel mit einer Bewerbung, die Voraussetzungen hierfür sind dabei von Programm zu Programm unterschiedlich. Ein Fulbright-Stipendium ist beispielsweise auf Master-Niveau, forschungsbasiert und erfordert die Zusammenarbeit mit der Gastinstitution. Die Studierenden erwartet bei erfolgreicher Beantragung ein Auslandsaufenthalt von ein bis zwei Semestern. DAAD-RISE Worldwide richtet sich an Studierende in einem natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Bachelorstudium und ermöglicht ein mehrmonatiges Auslandspraktikum.
Cole Wilson zieht ein positives Resümee bezüglich seines Stipendiums und der Auslandsaufenthalte: „Ich bin froh, dass ich dieses Stipendium erhalten habe und die Möglichkeit hatte, in den letzten Monaten am Forschungszentrum zu forschen. Da ich mein eigenes Projekt und mein eigenes Stipendium hatte, wurden an mich ungefähr die gleichen Erwartungen gestellt wie an einen Junior-Doktoranden. Diese Zeit hat sich fast wie ein Probelauf für die Arbeit als Doktorand angefühlt.“ Der junge Biochemiker kehrt bald zurück in seine Heimat und nimmt das positive Gefühl und die Erfahrungen mit.
Weiterführende Informationen
Website des Instituts für Biologische Informationsprozesse, Bioelektronik (IBI-3): https://www.fz-juelich.de/de/ibi/ibi-3
Informationen über DAAD-RISE Worldwide: https://www.daad.de/rise/de/rise-weltweit/ueber-das-programm/
Informationen zu Fulbright im Internet: https://www.fulbright.de/startseite
Stipendien- und Förderprogramme am Forschungszentrum Jülich: https://intranet.fz-juelich.de/de/organisation/ue/leistungen/nationale_internationale_beziehungen_ue-b/foerderungen-stipendien
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