Große Träume für eine bessere Zukunft
Wissenschaft und wissenschaftlicher Austausch können den Grundpfeiler für eine friedliche Gesellschaft schaffen. So sieht es auch Dr. Sabreen Hammouda. Die Physikerin lebt in Garching und arbeitet als Postdoktorandin im Rahmen des PGSB-Rückkehrer-Programms am Jülich Centre for Neutron Science, Neutronenmethoden (JCNS-4) . Während eines Doktorstudiums in Deutschland forschte die junge Wissenschaftlerin in Jülich. Nach ihrer Zeit in Garching hat sie die Möglichkeit, nach Palästina zurückzukehren, doch schon jetzt setzt sie sich für die Förderung der palästinensischen Studierenden ein und gestaltet die Forschungslandschaft ihrer Heimat aktiv mit.
Physik erklärt alles
Physik war nicht immer ihr erklärtes Studienfach, doch der Karriereweg von Dr. Sabreen Hammouda führte irgendwann dennoch zu diesem Themenbereich. Lächelnd erzählt die junge Wissenschaftlerin: „Ursprünglich wollte ich Medizin studieren, als dies nicht klappte, musste ich etwas anderes finden und entdeckte die Physik für mich.“ Eine gute Entscheidung, wie sich schnell herausstellte, denn sie entwickelte eine tiefe Leidenschaft für das naturwissenschaftliche Fach. „Ich glaube, ich habe mich selbst gefunden“, berichtet Sabreen „Die Physik erklärt meiner Meinung nach alles und das gefällt mir sehr.“ Inzwischen forscht sie im Bereich der Quantenmaterialien. Mit Hilfe der internen Einkristall-Röntgenbeugung und der Synchrotronstrahlungsmethoden möchte sie ein umfassendes und mikroskopisches Verständnis der miteinander verflochtenen Quantenordnungen und emergenten Phänomene in den topologischen Kagome-Supraleitermaterialien gewinnen. Für ihre Untersuchungen kann sie dabei die großen europäischen Synchrotronstrahlungsanlagen sowie SESAME in Jordanien und die Neutronenbeugung an den Kernreaktoren nutzen. Ziel ist es, energieeffiziente Anwendungen zu entwickeln. „Hochtemperatur-Supraleitermaterialien kommen bereits in der Elektrizitätswirtschaft zum Einsatz, um den Verlust beim Stromtransport in Stromnetzen zu minimieren. Aber auch bei der Erzeugung von Magnetfeldern für beispielsweise Fusionsexperimente werden sie angewendet. Ich möchte meinen Teil zu dieser Entwicklung beitragen“, berichtet Sabreen über ihren Forschungsfokus.
SESAME: ein Synchrotron, keine Straße
Bei dem Begriff ‚Sesame‘ wird der eine oder andere eine Kinderserie mit Handpuppen assoziieren. Doch das Wort bezeichnet viel mehr als nur eine fiktive Straße. SESAME (Synchrotron-light for Experimental Science and Applications in the Middle East) ist der Name der neuaufgebaute Synchrotron beziehungsweise Elektronenspeicherring mit insgesamt fünf Beamlines in Jordanien. Das Gerät ist die erste Synchrotronlichtquelle im Nahen Osten und in den Nachbarländern sowie das erste große internationale Exzellenzzentrum der Region. Wissenschaftler:innen und Doktoranden:innen von Universitäten und Forschungsinstituten können SESAME nutzen, um Experimente durchzuführen. Die Untersuchungen werden häufig in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen aus anderen Zentren oder Ländern durchgeführt. Damit fördert die Beamline die Weiterentwicklung der Forschung und Lehre sowie die Kooperationen regional und international.
Auch Sabreen möchte zukünftig die HESEB Beamline für ihre Forschungen. Während einer Veranstaltung zur Eröffnung der Helmholtz SESAME Beamline in the soft x-ray regime (HESEB) wurde sie ermutigt ihre Forschung an der Beamline zu forcieren. „Es war eine große Ehre für mich, an der Veranstaltung teilnehmen zu dürfen. Es waren viele hochrangige Persönlichkeiten anwesend“, berichtet Sabreen von ihren Eindrücken „Es hat mich sehr bestärkt, dass ich ermutigt wurde, als erste ein Experiment an der neuen Helmholtz-SESAME-Beamline durchzuführen. Dass etablierte Wissenschaftler:innen Potenzial in mir sehen, macht mich glücklich und stolz.“
Palästina ist als eines von den acht Mitgliederländern im Mittlerenosten an SESAME beteiligt. Mit ihrer Arbeit und Forschung möchte Sabreen einen Beitrag dazu leisten und die wissenschaftliche Rolle ihres Heimatlandes stärken. „Wissenschaft und wissenschaftliche Zusammenarbeit sind die Grundlage für die Entwicklung der Gesellschaft, sie schaffen Beschäftigungsmöglichkeiten und helfen den Menschen, eine Perspektive in ihrem eigenen Land zu haben“, sagt die junge Physikerin. Mit ihrem Engagement möchte sie daher junge Forschende dazu animieren, in ihre Ausbildung zu investieren und dem Heimatland treu zu bleiben, um die Entwicklung voranzubringen.
Während der Eröffnung hatte Sabreen Gelegenheit Prof. Astrid Lambrecht kennenzulernen. Bei der ganzen Wissenschaft darf ein wenig Sightseeing nicht fehlen.
An der neuen HESEB Beamline möchte Sabreen ihre Experimente durchführen.
Neue Wege für Forschung und Karriere
Nach ihrer ersten großen Reise, die Sabreen unternahm, um ihre Masterarbeit in Deutschland zu schreiben, führte sie ihre Promotion wieder ins Ausland, ans Forschungszentrum Jülich. Die fremde Kultur, die neue Regeln und Gepflogenheiten des anderen Landes waren dabei im Vorfeld ein Grund für Sorgen. Doch dies ist auch ein wichtiger Aspekt, der das Reisen so interessant macht. Auch für die junge Physikerin verflüchtigten sich alle Sorgen und Bedenken, sobald sie ihre neuen Kolleg:innen im Jülich Centre for Neutron Science JCNS und Peter Grünberg Institut PGI Quantum Materials and Collective Phenomena kennengelernt hatte. „Ich war selbst überrascht, dass ich mich schnell eingewöhnen konnte, und ich denke, der Grund dafür war die nette Atmosphäre auf der Arbeit“, berichtet Sabreen von ihrer Anfangszeit in Jülich „Meine Kollegen und mein Chef waren sehr hilfsbereit und unterstützten mich. Darüber hinaus war der Umgang sehr respektvoll. Wir haben uns gegenseitig unsere Kulturen nähergebracht.“ Deswegen ermutigt die junge Wissenschaftlerin auch andere Studierende dazu, einen Auslandsaufenthalt einzuplanen. Für eine gewisse Zeit in einem anderen Land zu leben hat schon so manchem Reisenden zu neuen Erkenntnissen verholfen. So konnte Sabreen in Jülich erste Erfahrungen mit wissenschaftlichen Großgeräten sammeln. Diese Erfahrung hilft ihr nun im Umgang mit SESAME.
Doch die junge Frau möchte neben ihrer Wissenschaft noch weitere Themen voranbringen. Sie engagiert sich im Rahmen des PGSB-Rückkehrerprogramms, um junge Bachelor- und Masterstudierende sowie Doktorand:innen auf ihrem Weg in die wissenschaftliche Karriere zu fördern. Eine gute Ausbildung ist die Grundlage für eine erfolgreiche Karriere. Auch das von ihr initiierte Forschungscluster trägt zur Verbesserung der Bildungs- und Forschungsbedingungen in Palästina und dem Nahen Osten bei. Thematisch ist das Cluster auf die Energiematerialien ausgerichtet. Wichtige Elemente sind der Wissensaustausch, der Wissensgewinn und die Ausbildung durch School-Formate. „Im Rahmen dieses Clusters bringen wir erfahrene palästinensische und deutsche Forscher:innen zusammen, um einen umfassenden Austausch von Ideen und Fachwissen sowie den Zugang zu Materialien und experimenteller Infrastruktur sowie den Supercomputern zwischen den Partnereinrichtungen zu ermöglichen. Daraus entstehen Synergien, zumal es in Palästina an Forschungsinfrastruktur fehlt. Dieser Cluster bietet eine Plattform für den interdisziplinären Austausch und die Zusammenarbeit in einem breiten Forschungsgebiet, das der Energieanwendung dient“, erläutert Sabreen die Idee hinter ihrem Forschungscluster. In Zukunft möchte sie ein Labor für die Probenvorbereitung und -charakterisierung unter Beibehaltung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit deutschen Einrichtungen in Palästina einrichten.
Mut, harte Arbeit und ein wenig Unterstützung
Dr. Sabreen Hammouda kann sehr stolz auf sich sein. Sie hat ihr Studium und die Promotion gemeistert, in einem fremden Land gelebt, hervorragende Forschungsideen und viele positive Dinge für die Menschen in ihrer Heimat auf den Weg gebracht. Rückblickend resümiert sie: „Meine Schwester ist Mathematikerin, mein Bruder hat Genetik studiert und ich bin Physikerin, wir sind sozusagen eine ‚integrative wissenschaftliche Familie‘. Ich bin jedoch überzeugt, dass jeder in jedem Bereich Erfolg haben kann, wenn die Lust dazu vorhanden ist und man bereit ist, hart dafür zu arbeiten. Manchmal müssen Ängste und bürokratische Hindernisse überwunden werden, doch am Ende lohnt sich der Aufwand.“ Sabreen hat nicht aufgegeben und bereits jetzt viel erreicht. Bei der Umsetzung der eigenen Träume helfen Angebote wie zum Beispiel die Palestinian-German Science Bridge (PGSB), aber auch ein bisschen Mut und Durchhaltevermögen. Um es mit Sabreens Worten zu sagen „The higher your goals, the more you achieve. Don’t be afraid and get on with it“.
Weiterführende Informationen:
Profil von Dr. Sabreen Hammouda: https://palast.ps/en/profile/sabreen-hammouda
Palestinian-German Science Bridge: https://www.fz-juelich.de/ue/pgsb
Jülich Centre for Neutron Science (JCNS), Quantenmaterialien und kollektive Phänomene: https://www.fz-juelich.de/jcns/jcns-2/DE/Home/home_node.html
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