Über das Wagnis, in einem anderen Land zu leben und die Rückkehr in die Heimat

So vielfältig wie die Länder dieser Erde, so unterschiedlich sind auch die Menschen, die sie bewohnen. Der Spruch: ‚Andere Länder, andere Sitten‘ fasst dies kurz und knapp zusammen. Natürlich kann dieses Anderssein Sorgen hervorrufen, vor allem dann, wenn man vorhat, eine gewisse Zeit in einem anderen Land zu leben. So erging es Dr. Nour Maraytta. Die junge Wissenschaftlerin hatte den Mut, ihre Heimat Palästina zu verlassen, um für drei Jahre nach Deutschland zu ziehen und hier ihre Promotion zu absolvieren.

Manchmal muss man springen und darauf vertrauen, dass man fliegen kann: So in etwa hat sich die Entscheidung, das eigene Heimatland für einige Zeit zu verlassen, wohl für Dr. Nour Maraytta angefühlt. Ziel ihres Auslandsaufenthalts sollte Deutschland sein. Damit verbunden waren einige Sorgen: „Am Anfang hatte ich natürlich Bedenken. Wie würde es sein, wenn ich in ein völlig fremdes Land ziehe, in dem ich niemanden kenne und nicht mal die Sprache spreche“, gesteht die junge Wissenschaftlerin ihre gemischten Gefühle „Zudem wusste ich, dass ich für meine Forschung viele verschiedene Instrumente benutzen sollte, deren Handhabung ich erst erlernen musste. Das war schon ein wenig einschüchternd.“ Gleichzeitig lockte die Aussicht, ihren Doktor am Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen absolvieren zu können und diese Aussicht ließ sie den Mut fassen, ihren Plan in die Tat umzusetzen.

Physik und Motivation, was braucht es mehr?
Nour Maraytta ist eine zielstrebige junge Frau, angetrieben von dem Wunsch, etwas in der Welt und in ihrem Heimatland Palästina zu verändern. Die Basis für dieses Vorhaben setzte sie mit einem Physikstudium sowie ihren Bachelor- und Masterabschlüssen, die sie in Palästina an der Al-Quds-Universität absolvierte. Ab 2017 folgte ihre Doktorarbeit, die sie in Deutschland im Bereich der magnetokalorischen Kühlung ablegte.

Dr. Nour Maraytta ist in ihrem Heimatland Palästina inzwischen Assistenzprofessorin im Fachbereich Physik an der Birzeit-Universität . Photo: © Privat

Im Rahmen ihres Promotionsprojekts untersuchte Nour die Dynamik und Struktur einiger magnetokalorischer Materialien, die in der magnetokalorischen Kühlung eingesetzt werden können. Dabei handelt es sich um eine neuartige energieeffiziente und umweltfreundliche Kühlmethode, die das Potenzial hat, herkömmliche Dampfkompressionstechnologien zu ersetzen. „Der Gedanke, eine kleine Rolle bei der Suche nach einer effizienteren Energienutzung und der Reinhaltung des Planeten zu spielen, motivierte mich für mein Forschungsprojekt“, erzählt Dr. Nour Maraytta.
Die Ausstattung und Infrastruktur in Jülich und Aachen boten der Wissenschaftlerin die Umgebung, um diese Motivation in Ergebnisse umzusetzen.

Aktuell sind die Forschungsbedingungen in Nours Heimatland Palästina nicht die besten. Doch auch hieran möchte Nour Maraytta etwas ändern. Nach ihrem Aufenthalt und ihrem Doktorabschluss in Deutschland ist die Nachwuchswissenschaftlerin daher in ihre Heimat zurückgekehrt und ist inzwischen Assistenzprofessorin im Fachbereich Physik an der Birzeit-Universität. In dieser Position engagiert sie sich dafür, andere Studierende durch ihre eigenen Erfahrungen zu motivieren.

„With a little help from my friends“
Neben den Vorlesungen in Physik hält Dr. Maraytta auch ihre Forschung im Auge. „Ich arbeite an einem Plan, wie ich meine Forschung in Palästina fortsetzen kann“, berichtet sie. „Hierfür möchte ich mit meiner Gruppe in Deutschland in Kontakt bleiben.“
Diese Kontakte nach Deutschland sind ein wertvolles Geschenk, das Dr. Nour Maraytta in ihre Heimat mitnahm. „Während meines Aufenthalts in Jülich habe ich viele nette Leute kennengelernt, von denen einige zu meinen engsten Freunden wurden. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht und viele Erinnerungen geschaffen“, erzählt sie „Ich hatte auch die Möglichkeit, viele Forschungszentren zu besuchen und viele interessante Forschungsinstrumente kennenzulernen.“ Diese Freunde und Forschungskontakte unterstützen ihre Arbeit nun auch in Palästina.

Ihre Promotion feierte Dr. Nour Maraytta mit ihren Freunden und Kolleg:innen in Deutschland. Photo: © Privat

Rückblickend war für Nour die anfängliche Skepsis gegenüber einem Auslandsaufenthalt unbegründet. Die unterschiedlichen Menschen, die sie während ihres Aufenthalts in Deutschland kennengelernt hatte, zeigten ihr, dass die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Menschen und Kulturen wunderbare Dinge sind, die es zu erkunden gibt. Ihre jetzigen Studierenden möchte die Wissenschaftlerin daher ermuntern, eine Promotion zum Beispiel am Forschungszentrum Jülich zu wagen. „Ich habe gelernt, dass ich alles erreichen kann, was ich will, solange ich hart dafür arbeite. Genau das möchte ich auch meinen Studierenden vermitteln“, resümiert Nour.

Eine Wissenschaftsbrücke zwischen den Ländern
Wissenschaftliche Kontakte sind dabei wie eine Brücke zwischen den Ländern. Sie verbinden nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Völker. Zwischen Palästina und Deutschland gibt es die „Palestinian-German Science Bridge (PGSB)“, eine kooperative Wissenschaftsbrücke, die es Forschenden erleichtert, ihren Horizont im jeweils anderen Land zu erweitern. Auch Dr. Nour Maraytta konnte von der Zusammenarbeit zwischen den Ländern profitieren. „Ohne die PGSB wäre es für mich viel schwieriger gewesen, einen solchen Auslandsaufenthalt zu realisieren“, ist sich Nour sicher und ergänzt, „über diese Brücke kann ich bis heute als Gastwissenschaftlerin mit Jülich zusammenarbeiten. Zudem betreue ich einige Studierende, die in diesem Zusammenhang ihren Masterabschluss machen.“ Auf diese Weise kann die junge Wissenschaftlerin als gutes Beispiel vorangehen und ihren Studierenden unterstützend zur Seite stehen. Dieselbe Unterstützung wurde auch ihr zuteil. Dr. Maraytta ist ihren Betreuern, die sie während ihrer Masterarbeit und Promotion begleitet haben sehr dankbar. „Die Unterstützung, die ich erfahren habe war einfach großartig“, erinnert sie sich, „Und ich danke der PGSB für die Möglichkeit zur Promotion und für ihre finanzielle Unterstützung.“

Die Palestinian-German Science Bridge ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziertes und vom Forschungszentrum Jülich sowie der Palestinian Academy for Science and Technology PALAST gemeinsam durchgeführtes Pilotprojekt zur Entwicklung eines gemeinsamen Forschungs- und Bildungsprogramms in Palästina.
Die PGSB bietet begabten Absolvent:innen naturwissenschaftlicher und technischer Studiengänge an palästinensischen Universitäten Zugang zu modernsten Geräten für den experimentellen Teil ihrer Bachelor- oder Masterarbeit und die Möglichkeit, ein Promotionsprojekt in Jülich durchzuführen. Nach erfolgreichem Abschluss kehren die PGSB-Absolvent:innen an eine palästinensische Universität zurück, um dort eigene Forschungsgruppen im Bereich Wissenschaft und Technologie zu gründen. Die Nachwuchswissenschaftler:innen können so zur Entwicklung neuer Doktorandenprogramme beitragen und den Grundstein für eine palästinensische Wissenschafts- und Technologieinfrastruktur schaffen.

Kontakt PGSB:
Dr. Caitlin Morgan
Projektkoordinatorin
Tel.: +49 2461 61-85216
c.morgan@fz-juelich.de

Prof. Dr. Ghaleb Natour
Wissenschaftlicher Direktor
Tel.: +49 2461 61-5045
g.natour@fz-juelich.de

Weiterführende Links zum Thema
Palestinian-German Science Bridge: https://www.fz-juelich.de/ue/pgsb
Birzeit University, Palestine: https://www.birzeit.edu/
Jülich Centre for Neutron Science (JCNS), Quantenmaterialien und kollektive Phänomene: https://www.fz-juelich.de/jcns/jcns-2/DE/Home/home_node.html

About Sabine Clemens

Sabine Clemens ist Pressereferentin für den Fachbereich Nationale und Internationale Beziehungen in der Unternehmensentwicklung. Daher schreibt sie in diesem Blog über die verschiedensten Themen der Internationalität. --- Sabine Clemens is press officer for National and International Relations in the department of Corporate Development. She therefore writes about a wide variety of topics relating to internationality in this blog.

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