Nachdem wir die Präzession des Spins als wichtige Beobachtungsgröße in der Messung eines elektrischen Dipolmoments ausgemacht haben, müssen wir auch in der Lage sein die Richtung dieses Spins verfolgen zu können. Bisher ist in meinen Beiträgen der Drehimpuls eines Teilchens immer nur als blauer oder schwarzer Pfeil aufgetaucht. So einfach macht es uns die Natur aber natürlich nicht. Wenn man wissen will, in welche Richtung der Spin zeigt, muss man Messungen durchführen – und die haben natürlich auch einen Einfluss auf das System, dass ich beobachten will.
Zunächst einmal: Mit einem Proton (oder Deuteron) alleine ist es bei unseren Messungen nicht getan. Ein Beschleuniger wird immer mit einer größeren Anzahl von Teilchen gefüllt, in unserem Fall zwischen 109 und 1010. Im Normalfall zeigen die Spins dieser Teilchen in unterschiedliche Richtungen: das nennen wir dann „unpolarisiert“. Man kann die Teilchen aber auch so präparieren, dass ein Großteil der Spins in die gleiche Richtung zeigt: das Teilchenensemble ist „polarisiert“. Dabei gibt man noch an, welcher Anteil der Teilchen so „gleichgeschaltet“ ist: zeigen wirklich alle Spins in die gleiche Richtung, liegt der Polarisationsgrad bei 100%.
Sub-atomare Teilchen – und über die reden wir hier – können nur durch ihre Wechselwirkung mit anderen Teilchen oder Feldern untersucht werden. Eine gängige Vorgehensweise ist die Durchführung von sogenannten Streuexperimenten: das zu untersuchende Teilchen wird mit einem anderen zur Kollision gebracht und aus dem Ergebnis werden dann die entsprechenden Rückschlüsse gezogen.
Eine vereinfachte Darstellung, was bei der Streuung von polarisierten Teilchen passiert, findet sich rechts (Experten auf dem Gebiet mögen jetzt bitte nicht versuchen den Verlauf der Schattierung zu analysieren …). Wenn sowohl Strahlteilchen als auch die Kollisionsobjekte („Target“) unpolarisiert sind, werden genausoviele Teilchen nach links wie auch nach rechts abgelenkt, ist das Strahlteilchen jedoch vertikal polarisiert, gibt es hier eine Asymmetrie: die Stärke der Asymmetrie hängt vom Polarisationsgrad des Strahles und dem Targetmaterial ab. Das soll durch die unterschiedlichen Grautöne auf dem Schirm ausgedrückt werden. Genauso verhält es sich bei einem seitwärts polarisierten Strahl: hier entsteht eine Asymmetrie oben gegen unten.
Allerdings handelt es sich bei diesem Vorgang – wie bei eigentlich allen, die auf quantenphysikalischer Ebene ablaufen – um einen stochastischen Prozess. Das bedeutet, dass man aus einer Einzelstreuung alleine nichts lernen kann, sondern dass man viele Streuvorgänge beobachten muss, um dann das Verhältnis von nach links bzw. nach rechts gestreuten Teilchen zu bilden. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen:
- Man muss eine gewisse Zeit messen um ein Ergebnis zu erhalten, und je länger man misst und umso mehr Streuprozesse man beobachtet, desto genauer wird das Ergebnis. (Das ist wie beim Münzwurf: erst wenn man genügend oft geworfen hat, nähert sich das Verhältnis von Kopf zu Zahl dem theoretischen Wert von 1:1.)
- Wenn man ein Strahlteilchen für einen Streuprozess „benutzt“ hat, ist es weg und steht für den weiteren Ablauf des Experimentes nicht mehr zur Verfügung. Man muss also sicherstellen, dass sich alle Teilchen im Strahl auch ansonsten möglichst identisch verhalten – nur so lässt sich aus einer Untermenge Rückschlüsse auf das Ganze ziehen.
Und noch etwas anderes folgt daraus: Wenn man auch die Richtung des Spins bzw. der Polarisation des Teilchenensembles messen möchte, sollte das Gerät, mit dem man die gestreuten Teilchen nachweist, am besten rotationssymmetrisch um die Achse des Teilchenstrahls sein. Hierzu zwei Beispiele:
Oben ist der EDDA Detektor zu sehen, den wir z.Zt. standardmäßig für unsere Polarisationmessungen verwenden. Der Teilchenstrahl läuft in dem links und rechts sichtbaren horizontalen Vakuumrohr, das Target befindet sich links vom Detektor im Kreuzungspunkt des dünnen, vertikalen Rohres mit dem Strahlrohr (ein Blick von der Seite durch ein Schauglas auf das Target ist rechts zu sehen). Der Teilchenstrahl läuft von links nach rechts, sodass die gestreuten Teilchen in den Detektor fliegen, der in dieser Richtung rund um das Strahlrohr gebaut ist. Er besteht einerseits aus Streifen, die parallel zum Strahl am Strahlrohr liegen und an beiden Enden ausgelesen werden (das sind die senkrecht zum Strahlrohr hervorstehenden, kreisförmigen Anbauten), andererseits auch aus Ringen, die um das Strahlrohr gehen und oben und unten ausgelesen werden. Über die Kombination eines Ringes mit einem Streifen kann die genaue Richtung eines Teilchens bestimmt werden.
Das Bild auf der rechten Seite zeigt einen Teil des WASA Detektors, nämlich den Teil, der die nach vorne gestreuten Teilchen misst. Auch hier läuft der Strahl von links nach rechts und das Strahlrohr ist im Zentrum der am weitesten vorne liegenden Detektorebene zu sehen. Im Gegensatz zum EDDA Detektor handelt es sich hier um mehrere scheibenförmige Detektorlagen, die alle in Tortenstücke aufgeteilt sind (24 bzw. 48 pro Lage). Dadurch kann die Richtung des Teilchens relativ zur Strahlebene bestimmt werden. Auch ist der Detektor im Durchmesser wesentlich größer, da die Entfernung zum Targetpunkt größer ist. Im Moment wird der Detektorplatz umgebaut. Es ist geplant, diesen Teil des Detektors im Herbst wieder in Betrieb zu nehmen um die Charakteristika verschiedener Streuexperimente auszumessen, die wir für unsere eigentliche EDM Messung in Bedracht ziehen.
Für ein Präzissionsexperiment braucht man aber auch einen Detektor, der speziell auf dieses Experiment zugeschnitten ist. Daher gibt es innerhalb der JEDI Kollaboration auch ein Projekt, dass das Design und die zu verwendenden Komponenten zum Bau eines solchen dedizierten Gerätes untersucht. Dafür laufen im Moment gearde einige Testmessungen an COSY. Ich denke, das ist etwas für den nächsten Beitrag in der Kategorie „Aktuelles“.
Gratulation,
das ist die bisher einfachste und beste Erläuterung, die ich bisher gefunden habe, vielen Dank.