Teilchenbeschleuniger sind irgendwie wie Modelleisenbahnen: im Prinzip möchte jede(r) damit spielen, aber meistens darf immer nur eine(r) ran. Was man dafür tun muss, um auch mal an die Reihe zu kommen, und wie das abläuft, möchte ich hier kurz beschreiben.

Mein letzter Beitrag ist nun doch schon über ein Jahr her. Das liegt nicht daran, dass ich keine Lust hatte, was zu schreiben, sondern an der Zahl der Experimente und den Vor- und Nacharbeiten, die dafür nötig waren. In dieser Zeit habe ich zwei Fragen aus dem nicht-wissenschaftlichen Umfeld immer wieder gehört: „Wer entscheidet eigentlich, welche Experimente durchgeführt werden?“ und „Wie läuft so ein Experiment am Beschleuniger eigentlich ab?“. Heute will ich die erste Frage etwas näher beleuchten.

Den „am Anfang hat irgendjemand eine Idee“-Schritt lasse ich jetzt mal weg: die Idee ist da und wir auch wissen genau, was wir messen möchten. Das muss dann erst einmal alles in einem Experimentvorschlag, dem sogenannten Proposal, zusammengefasst werden. Da steht drin, (i) wieso man etwas messen möchte, d.h. wieso das Ergebnis interessant ist und was man daraus lernen kann, (ii) wie die Messung durchgeführt werden soll, d.h. welche Geräte man braucht und welche Beschleunigereinstellungen nötig sind und (iii) wie lange man messen muss, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten. Das alles muss natürlich mit bereits vorhandenen Messungen verglichen und durch entsprechende Computersimulationen unterstützt werden. Die für das JEDI Projekt erstellten Experimentvorschläge finden sich für Interessierte auf unserer Kollaborationswebseite.

In unserem Fall findet dann zweimal im Jahr eine Sitzung des COSY Beamtime Advisory Committee  (CBAC) statt. Das CBAC besteht aus einer Reihe von externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich mit den Themen, die wir bearbeiten, besonders gut auskennen. Etwa sechs Wochen vorher müssen die erstellten Proposal abgegeben werden. Der oder die Vorsitzende des CBAC weist die einzelnen Vorschläge  den passenden Mitgliedern des Kommittees zu, die diese bis zur Sitzung durcharbeiten und sich eine Meinung darüber bilden. Im Falle von Unklarheiten besteht natürlich die Möglichkeit bei den Sprecherinnen oder Sprechern der Experimente nachzufragen.

Am Sitzungstag wird jeder Experimentvorschlag nochmal in einem Vortrag dargestellt und im Anschluss diskutiert. Am nächsten Tag berät das CBAC in einer geschlossenen Sitzung über die Vorschläge und einigt sich jeweils auf eine Empfehlung, wie es damit weitergehen soll. Diese Empfehlung kann alles mögliche beinhalten: von einer Akzeptanz ohne Änderung über eine Kürzung oder Verschiebung der Messzeit bis zu Wiedervorstellung beim nächsten Mal – oder natürlich auch einer Ablehnung. Am Abend des ersten Tages gibt es auch noch ein gemeinsames Abendessen von Sprecherinnen, Sprechern und CBAC, das meist intensiv dazu genutzt wird, offene Fragen zu klären, für die die Zeit in der Sitzung nicht gereicht hat.

Wenn die Empfehlungen feststehen, versucht der COSY Strahlzeitkoordinator in den Tagen nach der Sitzung diese in einen Strahlzeitplan für (etwa) das nächste halbe Jahr umzusetzen. Das ist nicht immer einfach, da verschiedene Experimente verschiedene Randbedingungen haben, sei es wegen nötiger Ein- und Umbauten an Experiment oder Beschleuniger, ausstehende technische Entwicklungen, für das „ok“ des CBAC notwendig waren, oder Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Messungen. Die finale Version des Strahlzeitplans wird dann in einer Sitzung mit den Sprecherinnen und Sprechern der Experimente festgelegt. Auch diesen Strahlzeitplan können Interessierte einsehen. Man findet ihn auf der Webseite des IKP.

Ich hoffe, ich konnte damit einen kleinen Einblick geben. Bei der Gelegenheit möchte ich auch schon einmal auf den „Tag der Neugier“ hinweisen (also unseren Tag der offenen Tür im Foschungszentrum), der dieses Jahr am 7. Juli stattfindet. Alle Neugierigen sollten sich den Termin schon jetzt im Kalender vormerken.

About Volker Hejny

Volker Hejny ist Wissenschaftler am Institut für Kernphysik und arbeitet seit einiger Zeit innerhalb der JEDI Kollaboration an der Möglichkeit permanente elektrische Dipolmomente (EDMs) von Protonen und Deuteronen mit der Hilfe von Speicherringen zu messen, um damit zu erklären, wieso es im Universum fast nur Materie, aber kaum Antimaterie gibt.

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