Gastbeitrag von Ulrich Ivens, Leiter der Jülicher Berufsausbildung.
Insgesamt 42 Auszubildende und junge Fachkräfte aus Deutschland haben es geschafft: Sie treten ab Sonntag bei der Berufsweltmeisterschaft WorldSkills in Abu Dhabi an. Monatelang haben sie sich vorbereitet – jetzt kommt es darauf an, punktgenau das Beste zu geben. Mit dabei ist auch Philipp Winterscheid aus unserem Forschungszentrum.
Es ist diese Mischung aus Anspannung und Vorfreude. Es ist diese Atmosphäre in der großen Halle, der Gegensatz zwischen der Geräuschkulisse von vielen tausend Menschen und der eigenen Konzentration, der Fokus auf die Aufgabe. Es ist der Wille, es zu schaffen und die geforderten Aufgaben zu bewältigen. Vor allem aber ist es der Ehrgeiz, der Philipp Winterscheid immer wieder antreibt – der Ehrgeiz, wieder einen Wettbewerb zu gewinnen.
Der 19-Jährige ist Auszubildender im dritten Ausbildungsjahr zum Elektroniker für Betriebstechnik bei uns am Forschungszentrum Jülich. Sein Ausbilder hat ihn vor einiger Zeit gefragt, ob er sich vorstellen könne, an Berufswettbewerben teilzunehmen. Natürlich hat Philipp ja gesagt. Er wollte sich der Herausforderung stellen. Dann folgte eine steile „Karriere“: Im Herbst 2016 wurde er schon Deutscher Meister im Bereich Anlagenelektrik, jetzt tritt er bei der Weltmeisterschaft WorldSkills in Abu Dhabi gegen die Besten der Welt an. Man muss sich schon sehr gut vorbereiten. Es reicht nicht aus, einfach die Kenntnisse aus der Berufsschule und praktischen Ausbildung mitzubringen – bei solchen Wettbewerben wird viel mehr verlangt. Das Niveau ist knackig und die Konkurrenz hat genauso hart trainiert wie Philipp.
Freiwillige Weiterbildung
Lernen im Wettbewerb ist anders als Lernen in Projekten oder am „klassischen“ Arbeitsplatz, WorldSkills und die Vorbereitungswettbewerbe bieten exzellente Lernchancen für die teilnehmenden Azubis, aber auch die Ausbilder/innen oder mich als Ausbildungsleiter. Expertenwissen bei industriellen Technikkomponenten, Programmierung und Stressbewältigung. Das fachliche Repertoire ist breit.
Die Teilnahme an Wettbewerben ist in den Elektrotechnik-Berufen mittlerweile in das Ausbildungskonzept integriert. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Die Auszubildenden, die teilnehmen möchten, entwickeln besonderen Ehrgeiz. Sie lernen freiwillig und mehr als andere, außerdem verbessern sich die oben genannten fachlichen und überfachlichen Kompetenzen. Auch die oft zitierten sozialen Kompetenzen werden positiv beeinflusst. Sprache ist dann allerdings wieder ein Schlüssel, um sich international zurecht zu finden. Expertenbriefings, Aufgaben, Konversation: Alles findet auf Englisch statt. Fachwörter lernen ist da ein Muss. Das ist für die Azubis am Anfang ungewohnt, wenn sie es nicht schon ihrem Heimatinstitut kennen. Philipp meinte aber, dass man gut reinkommt.
Intensives Training im Vorfeld
Innerhalb von drei Wettkampftagen muss jeder der Teilnehmer bei den WorldSkills berufsspezifische Aufgaben bearbeiten. Während die einen Fliesen in komplizierten Mustern legen, frisieren oder mauern andere, wieder andere – wie unser Philipp – bauen komplexe elektrische Anlagen – und zwar fachlich richtig, schnell, kreativ und perfekt in der Ausführung.
Die deutsche Nationalmannschaft reist in diesem Jahr mit 42 Auszubildenden bzw. jungen Fachkräften aus dem ganzen Land an, die sich zuvor auf nationaler Ebene in 38 Disziplinen – den sogenannten Skills – qualifiziert haben. Begleitet werden sie von Betreuern, Experten, Jurymitgliedern und einem Nationaltrainer für jeden Skill. Mit ihnen haben die Teilnehmer vorher intensiv trainiert, sich zu Workshops getroffen und an internationalen Vorbereitungstreffen teilgenommen – Mental-Training inklusive. Es ist wichtig, dass man Praxis in Wettbewerbssituationen bekommt. Denn es ist etwas Anderes, ob man in einer ruhigen Werkstatt, einer Fertigungshalle oder an einem Experiment arbeitet oder Höchstleistung unter großem Druck – permanente Beobachtung, Zeitnot und einem lauten Umfeld in einer großen Messehalle – abliefern muss. Das ist Leistungssport im beruflichen Kontext.
Internationale Netzwerke
Gerade das Zusammentreffen mit Fachleuten aus aller Welt gehört zu den Gründen, warum sich das Forschungszentrum Jülich bei WorldSkills engagiert – auch, indem es als Mitglied im Verein „WorldSkills Germany“ Experten und Trainer stellt. Natürlich ist dieses Engagement aufwendig, kostet Geld und bindet Personalkapazität. Doch es lohnt sich, und zwar nicht nur für den einzelnen Azubi, sondern auch für die Ausbilder/innen. Wir profitieren beispielsweise von den internationalen Kontakten, die im Rahmen der Wettbewerbe entstehen. Mit diesen Kontakten können wir später im Bereich der Internationalisierung der Berufsausbildung zusammenarbeiten. Es ist mit bestehenden Kontakten beispielsweise viel einfacher, Azubis im Rahmen ihrer Ausbildung länger ins Ausland zu entsenden. Ein Teil der Ausbildung kann schon heute im Ausland absolviert werden und immer mehr Azubis fragen das nach. Bei solchen Wettbewerben lernen wir genau die richtigen Menschen kennen, um solche Kooperationen zu starten – Menschen die ein ähnliches Verständnis von guter Ausbildung haben, wie wir es erwarten. Außerdem können wir im internationalen Vergleich gut erkennen, wo wir als Ausbildungsbetrieb und auch die deutsche Nationalmannschaft stehen.
Es wird spannend
Philipp Winterscheid ist jetzt schon Unterwegs nach Abu Dhabi, ich fliege am Freitag hinterher. Wir konzentrieren uns ganz auf den Wettbewerb und hoffen darauf, gut abzuschneiden. Eine Medal of Excelence ist für Philipp das Ziel. Eine gute Platzierung wären richtig super. Mal sehen, ob wir auch ein wenig Zeit dafür finden, Land und Leute kennenzulernen. An den Wettbewerbstagen liegt der Fokus auf den anstehenden Aufgaben – und weil das so anstrengend ist, ist man abends richtig müde. Wir werden berichten, wie es gelaufen ist! Drücken Sie uns doch die Daumen. Wer mag kann uns unter dem Hashtag #WSFZJ twittern und Philipp Glück wünschen.
Diesen Gruß schickte Philipp Winterscheid über seinen Instagram-Account vom Flug nach Abu Dhabi.
Abgewandelter Beitrag zuerst abgedruckt in wirAUSBILDER 5/2017 S. 8 mit freundlicher Genehmigung des Kiehl-Verlages.
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