Das Bild zeigt einen Ständer aus Holz, in dem mehrere Reagenzgläser mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten stehen.

Equity, Diversity & Inclusion im Kontext der Wissenschaft können von verschiedenen Ansätzen aus betrachtet werden. In erster Linie mag man vielleicht daran denken, wie die Wissenschaftscommunity sich vielfältiger und chancengerechter aufstellen könnte und insbesondere in den Naturwissenschaften ist eine der großen Fragen: Wie schaffen wir es, weibliche Personen zu begeistern und anzuwerben? Weiterhin ist #ichbinhanna ein Dauerbrenner (zu Recht!) und es ist wichtig, über die oftmals prekären Arbeitsbedingungen in academia zu sprechen, diese anzuprangern und dafür zu kämpfen, dass das System überarbeitet wird. Denn auch hier trifft es wieder diejenigen überproportional, die unterrepräsentierten Gruppen angehören und nicht dem lange tradierten Blick eines Normwissenschaftlers entsprechen: weiß, männlich, akademischer Hintergrund.

Doch dies soll kein Beitrag zu dieser wichtigen Diskussion sein. Vielmehr möchte ich heute über ein Arbeitspaket berichten, das wir im Rahmen des D&I-Projekts am FZJ etablieren und das EDI noch aus anderen Blickwinkeln betrachtet. Diversity-Aspekte können (und tun es oftmals auch) von den ausführenden Wissenschaftler:innen getrennt eine wichtige Rolle in der Forschung spielen: als Bestandteil der Forschung selbst. Genderbezogene Forschung ist jedoch ein Thema, das leider noch viel zu wenig Aufmerksamkeit erfährt und auch immer noch nicht so sehr im Fokus steht, wie es eigentlich notwendig wäre.
Carolin Criado-Perez hat ein meiner Meinung nach augenöffnendes Buch dazu geschrieben: Unsichtbare Frauen.[1] Im Prinzip führt sie anhand zahlreicher Fallbeispiele auf, wie sehr Frauen (von anderen unterrepräsentierten Gruppen wollen wir gar nicht erst reden), von und in der Forschung nahezu vollständig ignoriert und damit diskriminiert werden und das, obwohl sie nahezu 50%[2] der Weltpopulation ausmachen! Wusstet ihr z.B., dass in den meisten medizinischen Lehrbüchern nach wie vor keine geschlechtsspezifischen Informationen zu Themen zu finden sind, bei denen längst nachgewiesen ist, dass es Unterschiede gibt, wie z.B. Depressionen oder Auswirkungen von Alkohol auf den Körper? Oder dass Studien der Pharmaindustrie nicht notwendigerweise an weiblichen Probanden durchgeführt werden, die Ergebnisse aber als allgemeingültig für beide Geschlechter gelten? Dabei ist es kein erst soeben gelüftetes Geheimnis, dass Geschlechtsunterschiede in der Funktionsweise von Organen bestehen.[3] Oder wusstet ihr, dass der Crashtest an Autos, der zu einem so sicher wie möglichem Fahrerlebnis beitragen soll, an nach dem männlichen Standardkörper angelehnten Dummies durchgeführt wird und damit stellvertretend für die erwachsene Gesamtbevölkerung verwendet wird? Und die „weiblichen Dummies“, die es bisweilen gibt, sind einfach nur kleinere Varianten der männlichen und berücksichtigen in keiner Weise die weibliche Physiognomie; zum allem Überfluss werden sie nur auf dem Beifahrersitz getestet.[4] Ziemlich unfair und exkludierend, oder?

Beispiele wie diese gibt es zuhauf, aber glücklicherweise rückt diese Schieflage mehr und mehr in den Fokus und Forschung bezieht vermehrt Genderaspekte ein. Und damit komme ich auf unser Arbeitspaket zurück, denn was nützt die spannendste und innovativste Forschung, wenn sie nicht auch sichtbar ist. In den unzähligen Papern, die Tag für Tag veröffentlicht werden den Überblick zu behalten, ist quasi unmöglich. Glücklicherweise gibt es Möglichkeiten des Austauschs unter Wissenschaftler:innen und im FZJ hat sich mit den vom Wissenschaftlich-Technischen Rat (WTR) ausgerichteten Jülicher Kolloquien solch ein Format etabliert. Im Projekt war uns schnell klar, dass dieses Format einen exzellenten Rahmen darstellen würde, D&I-Aspekte-Aspekte in der Forschung einem größeren (Fach-)Publikum zugänglich zu machen. Von Seiten des WTR war man derselben Meinung und so ist es uns in enger Zusammenarbeit und unter Einbeziehung der Wissenschaftler:innen am FZJ gelungen, verschiedene Speaker zu identifizieren, die entweder über D&I-relevante Aspekte in ihrer Forschung berichten oder Best Practice Beispiele liefern können, wie sie in ihren Institutionen EDI fördern. Zukünftig soll ein Vortrag pro Jahr stattfinden, in dem sich den genannten Aspekten gewidmet wird.


[1] Carolin Criado-Perez, Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert, München 2020.

[2] https://countrymeters.info/de/World

[3] Criado-Perez, 2020, 265 f. 

[4] Criado-Perez 2020, 252 f.

Die in diesem Post beschriebenen Daten wurden im Rahmen des Diversity & Inclusion Projekts „Entwicklung und Implementierung einer D&I Strategie für das FZJ“ erhoben.

Im letzten Post sind wir die auf die qualitative Erhebung mittels halbstrukturierter Interviews eingegangen. Neben den persönlichen Erfahrungen der Angehörigen marginalisierter Gruppen, stand natürlich auch eine eingehende Betrachtung des FZJ und seiner Fähigkeiten, Diversity- und Inclusion-Perspektiven in alle seine Hauptfunktionen zu integrieren, im Fokus. Daher möchten wir heute über einen weiteren wichtigen Baustein innerhalb der Initiierungsphase des Projekts eingehen: das D&I Audit.

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Die in diesem Post beschriebenen Daten wurden im Rahmen des Diversity & Inclusion Projekts „Entwicklung und Implementierung einer D&I Strategie für das FZJ“ erhoben.

Nachdem das Diversity & Inclusion Projekt im August 2020 grünes Licht durch den Vorstand bekommen hatte, wurde im Januar 2021 in der ersten Sitzung des Lenkungsausschusses als erstes Ziel eine umfassende Sachstandserhebung festgelegt.
Um ein ausführliches Bild der aktuellen D&I Fähigkeiten des FZJ zu erhalten, wurden verschiedene Methoden gewählt. So wurde beispielsweise eine Mitarbeitendenumfrage durchgeführt, um quantitative Aussagen zu Erfahrungen und Sichtweisen zum Arbeitsumfeld Forschungszentrum erhalten. Ein weiterer Ansatz, auf den wir heute näher eingehen möchten, ist die qualitative Methode mittels halbstrukturierter Interviews. Besonderes Augenmerk lag hierbei auf der Perspektive von Mitarbeitenden, die einer marginalisierten Gruppe angehören und ihre Erfahrungen zu In- und Exklusion am FZJ. Eine Frage, auf die wir uns durch diese Interviews Antworten erhofften war: „Wie erleben unterrepräsentierte und Minderheiten angehörende Mitarbeitende ihr Arbeitsleben am FZJ?“

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