Nach unserer heutigen Vorstellung besteht das Universum nur zu etwa 5% aus Materie wie wir sie mit dem Standardmodell der Teilchenphysik beschreiben. Die restlichen 95% sind Dunkle Materie (ca. 23%) und Dunkle Energie (ca. 72%). Die Notwendigkeit von Dunkler Materie wurde schon in den 1930er Jahren erkannt, als man erkannte, dass für die Geschwindigkeitsverteilung der Sterne in der Milchstraße und dem Zusammenhalt des Coma-Galaxienhaufens die leuchtende Materie alleine nicht ausreicht. Heute wissen wir, dass auch vorhandenes Gas und Staub nicht ausreicht diese Diskrepanz zu erklären. Die Natur der Dunklen Materie ist allerdings noch ungeklärt. Die letzte Komponente, die Dunkle Energie, wurde eingeführt, um die beschleunigte Expansion unseres Universums erklären zu können. Diese ist aber noch unverstandener als die Dunkle Materie.

Für Dunkle Materie gibt es einige mögliche Kandidaten. In diesem Beitrag geht es um Axionen und Axion-ähnliche Teilchen (axion-like particles, ALPs). Das Axion wurde ursprünglich vorgeschlagen, um zu erklären, warum die in der Quantenchromodynamik (QCD) mögliche CP-Verletzung in der Realität nicht beobachtet wird. Über ihre Masse würden Axionen auch mit der restlichen Materie wechselwirken und könnten so die fehlende Gravitationskomponente erklären. Bis heute konnten Axion oder ALPs noch nicht nachgewiesen werden.

Für unsere Untersuchungen mit polarisierten Strahlen in Speicherringen ist nun relevant, welchen Einfluss das Axion/ALP auf das elektrische Dipolmoment (EDM) auf die gespeicherten Teilchen hat. Im Gegensatz zu den statischen Dipolmomenten, denen unsere Suche gilt, induzieren Axionen/ALPs ein oszillierendes elektrisches Dipolmoment, wobei die Oszillationsfrequenz proportional zur Masse des Axions/ALPs ist. Wie ich in einem früheren Artikel beschrieben habe, nutzen wir einen Wien Filter mit oszillierenden Feldern um durch das mit dem Spin präzedierende, elektrische Dipolmoment eine messbare Spinrotation zu erzeugen. Bei der Suche nach Axionen/ALPs können wir uns diesen Schritt sparen: wenn die Frequenz der Spinpräzession mit der der induzierten EDM-Oszillation übereinstimmt (Resonanz) erzeugt das automatisch eine Spinrotation.

Nun gibt es da natürlich einen kleinen „Haken“: wir kennen die Masse des Axions/ALPs nicht und daher auch nicht Frequenz des oszillierenden EDMs. Wir müssen also so viele Frequenzen wie möglich testen. Hierbei hilft uns die Beschleunigerphysik: die Frequenz der Spinpräzession hängt von der Geschwindigkeit der gespeicherten Teilchen ab. In einem rein magnetischen Ring präzedieren sie schneller je schneller die Teilchen sind. Nimmt man noch elektrische Felder hinzu, kann man die Präzession mit geeigneten Feldkombinationen in einem weiten Bereich einstellen.

Beobachtbarer Effekt auf die vertikale Polarisation des Teilchenstrahls, wenn die Präzessionsfrequenz die EDM Oszillationsfrequenz kreuzt.
Beobachtbarer Effekt auf die vertikale Polarisation des Teilchenstrahls, wenn die Präzessionsfrequenz die EDM Oszillationsfrequenz kreuzt.

COSY ist ein rein magnetischer Speicherring. Für unsere Suche sind wir daher wie folgt vorgegangen. Nach jedem Füllen des Rings haben wir die Teilchen (hier Deuteronen) ganz langsam über ca. 5 Minuten von einer Startgeschwindigkeit auf eine Endgeschwindigkeit beschleunigt. Sollten wir dabei irgendwann die richtige Frequenz kreuzen, würde sich das in einer Änderung der vertikalen Strahlpolarisation bemerkbar machen. DIe Größe des Effekts ist dann ein Maß die „Stärke“ des Axionfeldes. Jedes Intervall haben wir einige Male wiederholt. Danach haben dann das Intervall zu einer höheren Geschwindigkeit verschoben. Insgesamt haben wir damit einen Bereich von etwa 1,5 kHz um eine mittlere Frequenz von ca. 120 kHz gescannt. Das sieht nach wenig aus, allerdings handelt es sich hier auch nur um ein kurzes Experiment von wenigen Tagen effektiver Messdauer, das im Wesentlichen auch eine Demonstration der Machbarkeit sein sollte.

Unsere Ergebnisse sind aktuell als Veröffentlichung eingereicht. Ein Preprint des Papiers ist unter https://arxiv.org/abs/2208.07293 verfügbar.

Oder auch: Wie hütet man eine Herde Deuteronen? In jedem Messzyklus arbeiten wir mit einigen Milliarden Deuteronen, die im Beschleuniger kreisen – also etwa so viele wie es Menschen auf der Erde gibt.  Für unsere Messungen ist es notwendig, dass sich möglichst viele diese Deuteronen über den gesamten Messzyklus genau gleich verhalten. Für die Präzession des Spins bedeutet das in unserem Fall, dass die Deuteronen völlig synchron etwa 100 Million Pirouetten drehen müssen.

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Wer meine Beiträge bis hier aufmerksam gelesen hat, dem wird vielleicht etwas aufgefallen sein. Einerseits habe ich geschrieben, dass wir elektrische Dipolmomente messen wollen und dass man hierzu starke elektrische Felder braucht, andererseits ist der Beschleuniger und Speicherring COSY – an dem wir unsere technischen Entwicklungen testen und erste Messungen am Deuteron durchführen wollen – ein rein magnetischer Ring. Wie passt das zusammen?

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Da ich so langsam auch mal bei dem ankommen möchte, was wir so an Experimenten an COSY machen, will ich diesen Beitrag dazu nutzen ein wenig darauf einzugehen, wie denn ein Beschleuniger funktioniert. Und weil ich selbst kein Beschleunigerphysiker bin, sondern mich besser mit Teilchendetektoren und Streuexperimenten auskenne, verspreche ich, dass das ganze auch nur unwesentlich komplizierter wird als Bömmels Erklärung der „Dampfmaschin“. Experten mögen mir meine starken Vereinfachungen verzeihen.

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Nachdem wir die Präzession des Spins als wichtige Beobachtungsgröße in der Messung eines elektrischen Dipolmoments ausgemacht haben, müssen wir auch in der Lage sein die Richtung dieses Spins verfolgen zu können. Bisher ist in meinen Beiträgen der Drehimpuls eines Teilchens immer nur als blauer oder schwarzer Pfeil aufgetaucht. So einfach macht es uns die Natur aber natürlich nicht. Wenn man wissen will, in welche Richtung der Spin zeigt, muss man Messungen durchführen – und die haben natürlich auch einen Einfluss auf das System, dass ich beobachten will.

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So ein Kreisel ist schon ein seltsames Ding. Wenn man seine Achse in eine bestimmte Richtung drehen will, wird sie nicht einfach folgen. Stattdessen wird der Kreisel mit seiner Achse zur Seite ausweichen. Das widerspricht zwar irgendwie unseren naiven Erwartungen, aber jeder Fahradfahrer nutzt genau dieses Prinzip intuitiv zum Kurvenfahren – und wir nutzen es zur Messung elektrischer Dipolmomente.

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