Von Tobias Schlößer und Marcel Bülow *
Erst Software-Updates, jetzt Fahrverbote, die überhöhten Stickoxid-Werte in den Städten sorgen immer wieder für neue Schlagzeilen. Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich haben nun einen Stickoxid-Rechner vorgestellt, mit dem man die Stickoxid-Belastung an jeder deutschen Messstelle im zeitlichen Verlauf ganz einfach selbst herausfinden kann. Das Online-Tool ist unter https://stickoxid-rechner.de frei zugänglich und ermittelt zudem, um wie viel die Stickoxid-Emissionen aus dem Verkehr zurückgehen müssen, damit der gesetzliche Grenzwert eingehalten wird. Datengrundlage sind die offiziellen Messwerte des Umweltbundesamts.
Letzte Woche verschickten wir eine Pressemitteilung zu dem Tool, die umgehend von der Deutschen Presseagentur (dpa) aufgegriffen und über zahlreiche Medien weiter verbreitet wurde. Um die Mittagszeit erreichten uns die ersten Hinweise, dass der Rechner nicht (mehr) funktioniert. Anfragen lieferten nur noch einen „Internal Server Error 500“. Was war passiert?
Die Entwickler des Webtools am Forschungszentrum begaben sich direkt auf Fehlersuche. Der erste Verdacht fiel auf Wartungsarbeiten, die regelmäßig an den Servern durchgeführt werden, auf denen ein Teil der Anwendung läuft. Unser Hinweis „nach draußen“:
Doch auch nachdem die Wartungsarbeiten beendet waren, zeigte der Rechner den bekannten Serverfehler 500 an. Die Fehlersuche ging also weiter. Die kommenden Stunden waren geprägt von E-Mails und Telefonaten quer durch die IT-Landschaft des Forschungszentrums, mehrere Ansprechpartner wurden gefunden und befragt, mehrere Optionen lagen zwischenzeitlich auf dem Tisch, bis am späten Nachmittag schließlich eine Erklärung für den Fehler gefunden wurde. Die Fehlermeldung lautete: „IP nach zu vielen Anfragen gesperrt“.
Stickoxid-Rechner zeigt Werte für jede Station in Deutschland an
Das Besondere am Stickoxid-Rechner ist, dass man sich die Jahreswerte für jede Messstation in Deutschland anzeigen lassen kann. Die gesuchte Stadt wird dazu ganz bequem in ein Formularfeld eingetippt. Der Stickoxid-Rechner zeigt daraufhin Messstationen in der Nähe an. Für die Bestimmung der Geo-Koordinaten des eingegebenen Orts zog der Rechner die Dienste eines externen Anbieters heran. Über einen Service der freien Wiki-Weltkarte OpenStreetMap (OSM) wird der Ortsname, den der Benutzer eingibt, in Längen- und Breitengrade umgewandelt, Genau diese Schnittstelle wurde der Anwendung zum Verhängnis.
Aufgrund der Berichterstattung wurden binnen kurzer Zeit sehr viele Anfragen – über 100.000 Zugriffe wurden an dem Tag registriert – an den Stickoxid-Rechner und damit auch an den Dienst zur Ortsbestimmung gestellt. Doch der ist für massenhafte Anfragen einer einzigen Anwendung – verständlicherweise – nicht ausgelegt. 1.000 Anfragen pro Tag sind maximal möglich. Danach wird die IP-Adresse für viele Stunden gesperrt. Fortan wurde Nutzern des Stickoxid-Rechners nach der Eingabe eines Ortes nur noch ein Serverfehler angezeigt.
Durch einen Wechsel des Anbieters zur Ortsbestimmung gelang es den Entwicklern am Forschungszentrum, den Stickoxid-Rechner am nächsten Tag wieder zum Laufen zu bringen. Diese Lösung verkleinerte allerdings nur das Problem, gänzlich behoben wurde es dadurch nicht. Der neue Dienst ermöglichte nun einige Tausend Anfragen pro Tag.
Lokaler Server am Forschungszentrum
Um die Beschränkung völlig aufzuheben, musste eine lokale Instanz eines OpenStreetMap Servers am Forschungszentrum installiert und in Betrieb genommen werden. Nach dem Download des entsprechenden Datensatzes, der in der globalen Abdeckung immerhin 1 TB umfasst, musste die entsprechende Software installiert und mit dem Stickoxid-Rechner verknüpft werden. Wir sind den Entwicklern von OpenStreetMap sehr dankbar, dass sie diese Möglichkeit vorgesehen haben und das Aufsetzen eines entsprechenden Servers relativ problemlos vonstattengeht. Diese Vorgänge machen deutlich, dass es gar nicht so leicht ist, dem oft propagierten Prinzip von „FAIR and Open Data“ (siehe z. B. https://ec.europa.eu/research/openscience/index.cfm) vollständig gerecht zu werden, und wie wichtig es ist, gute und vollständige Tests für neue Software und Webanwendungen durchzuführen.
Am Mittwochvormittag war es dann soweit. Orts- und Städtenamen werden nun direkt auf den Servern des Forschungszentrums in Koordinaten aufgelöst. Der wachsenden Beliebtheit des Stickoxid-Rechners sind nun fast keine Grenzen mehr gesetzt. Einer normalen Nutzung sollte jetzt nichts mehr im Wege stehen. Natürlich haben uns auch schon einige Verbesserungsvorschläge erreicht. Wir werden diese nun sichten und möglichst zeitnah umsetzen.
* Die Autoren danken den verantwortlichen Wissenschaftlern Jan Vogelsang, Martin Schultz und Franz Rohrer für ihren zeitintensiven Einsatz rund um den Ausfall des Rechners sowie ihr bereitwilliges Engagement, den Kollegen der Unternehmenskommunikation immer wieder die technischen Hintergründe zu erklären.
One Response to “Wieder mal was gelernt – oder wie eine Pressemitteilung unseren Stickoxid-Rechner lahmlegte”