„Ich kann da mitmachen und einen Blogbeitrag schreiben“, war meine spontane Antwort auf die Frage, wie das Forschungszentrum dieses Jahr den „Tag der kleinen Forscher“ kommunikativ begleitet. So einfach, wie mir dieser Satz in unserer Redaktionssitzung über die Lippen ging, so wenig wusste ich, auf was ich mich da einlassen. Klar, ich würde in die Kita meiner Kinder gehen und mit den angehenden Schulkindern experimentieren. Was aber tatsächlich hinter der Aktion steckt, sickerte nur langsam bei mir durch.
Konzept und Material
Spätestens als ich eine Woche vor meinem Kita-Besuch im Schülerlabor JuLab des Forschungszentrums sitze und das 27-seitige „Lernbegleitheft“ aufblättere, wird mir klar: Das wird kein Spaziergang. Entsprechend des diesjährigen Mottos „Klein aber oho“ hatten die Didaktik-Experten des JuLab Versuche für Kinder im Vorschulalter zusammengestellt. In der zweistündigen Vorbereitung gibt Anne Fuchs-Döll uns „Lernbegleitern“ zunächst praktische Tipps zum Experimentieren mit Kindern und einen Kurzabriss des „ko-konstruktivistischen Lernens“. Klingt ganz plausibel, denke ich und nehme mir vor, den Kindern möglichst viele offene Fragen zu stellen.
Die fachlichen Hintergründe zu den Experimenten mit Babywindeln, Alginatkügelchen und Gummibärchen finde ich doch recht fordernd und sie erinnerten mich irgendwie an die Chemievorlesungen im Studium. Soll ich mich da wirklich reinarbeiten? „Nein, dies sind nur wichtige Infos zum Hintergrund“, so die Info. Ein kleiner Stein kullert von meinem Herzen und ich konzentriere mich aufs Praktische. Als wir die Versuche dann probehalber durchführen, atme ich auf. Es macht Spaß, gefärbtes Wasser auf sogenannte Superabsorber zu gießen und sie beim Quellen zu beobachten. Langsam kann ich mir vorstellen, dass die Kinder ebenfalls Freude an den Experimenten haben werden. Vollgepackt mit Chemikalien, Labor-Material sowie Urkunden für 20 kleine Forscher verlasse ich das JuLab und fühle mich für den Tag in der Kita gut gerüstet.
Letzte Vorbereitungen
Am Abend vor meinem Besuch studiere ich zur Sicherheit noch einmal das Begleitheft und gehe die Versuche durch. Außerdem muss die Alginat-Lösung für die Bubble-Tea-Saftkugeln vorbereitet werden. Gar nicht so einfach, wenn man keine passenden Behälter hat. Zum Glück hat meine Frau – gegen meinen Rat („Die brauchen wir nie wieder“) – einige alte Babygläschen aufgehoben. Ich befülle sie mit warmem Wasser, drücke Lebensmittelfarbe hinein und kippe das Alginat-Pulver dazu. Schraubdeckel drauf und gut geschüttelt… „Soll das so klumpen?“ Beim Probeversuch im JuLab sah es anderes aus. „Vermutlich der Grund, warum man die Mischung am Vortag ansetzen soll“, denke ich und lege noch ein paar Gummibärchen in Wasser ein und esse den Rest auf.
Am Morgen sind die Alginat-Klumpen tatsächlich weg und die Gummibärchen haben mächtig an Größe zugelegt. „Das hat also schon einmal geklappt.“ Ich packe alles zusammen und mache mich mit meinen Kindern auf den Weg zur integrative Kindertagesstätte Himmelszelt in Mönchengladbach. Ich muss ehrlich sagen, dass ich etwas aufgeregt bin. Vor rund 20 angehenden Schulkindern zu stehen und ihnen Spaß am Experimentieren und an Wissenschaft allgemein zu vermitteln, ist eine völlig neue Erfahrung für mich. Während man z. B. bei Vorträgen vor Kollegen über die Jahre eine gewisse Routine entwickelt hat und abschätzen kann, mit welchen Fragen zu rechnen ist, habe ich keine Vorstellung, was mich in der Kita erwartet. „Verstehen die Kinder, was ich erkläre? Haben sie Lust, mitzumachen? Oder fragen sie mir vielleicht sogar Löcher in den Bauch? Keine Ahnung!“
Der Tag beginnt
Beim Eintreffen in der Kita ist Henry ganz aufgeregt. Er erzählt Hinz und Kunz, dass sein Papa heute mit den Schulkindern forschen wird. Ein wenig stolz macht mich das schon und die Anspannung weicht einer angenehmen Vorfreude.
Während die Kinder in ihren Gruppen mit einem Morgenkreis den Tag beginnen, bereite ich im Werkraum die Experimente vor. Windeln hier, Pipetten und Messbecher dort, alles findet seinen Platz. Schnell noch den Forscherkreis für das Vorgehen beim Experimentieren aufhängen und den weißen Kittel überziehen. Schon tröpfeln nach und nach die Kinder ein und setzen sich in einem Halbkreis vor mich auf den Boden. Die beiden Betreuerinnen, die mich während der Experimente unterstützen, geben mir ein Signal. Ich lege los.
„Heute ist ein ganz besonderer Tag“, beginne ich und erkläre, dass die Kinder in die Rolle echter Forscher schlüpfen können. Ich frage, ob jemand einen Wissenschaftler kennt. „Die graben nach Dinosauriern“, lautet die erste Antwort. „Klassiker“, denke ich und frage weiter. Die Kinder bleiben noch eine Zeit bei den Urechsen und nähern sich dann dem Bereich Schatzsuchen an. Wir einigen uns schließlich, dass Forscher Fragen beantworten, auf die es bisher keine Antworten gibt und dass sie, je nach Fragestellung, auch Versuche und Experimente machen. Dass auch im Forschungszentrum Jülich an unterschiedlichen Fragen gearbeitet wird, lässt die Kinder mehr oder weniger kalt. Dass der Campus jedoch so groß wie eine kleine Stadt ist und sogar eine eigene Kita hat, sorgt schon eher für große Augen.
Das Experiment: Wie viel Pipi passt in eine Windel
Weil die Gruppe recht groß ist, teilen wir sie. Während die ersten 10 Kinder experimentieren, beginnen die übrigen ihr „Forscherheft“ aus dem JuLab zu befüllen. Nach einer Stunde tauschen wir.
Zu Beginn präsentiere ich das Versuchsobjekt: eine Windel. Unter anhaltendem Gekicher sprechen wir über Vorzüge und Nachteile von Windeln und vergleichen sie mit Mullwindeln, die es zu Omas Zeiten gab. Den Forscherkreis vor Augen, überlegen wir, warum es heute andere Windeln gibt und stellen die Hypothese auf, dass in die heutige Version mehr Pipi passt. Die Versuchsanordnung ist schnell gefunden und die Kinder stürmen los, um die Messzylinder mit Wasser zu füllen. Nach und nach kippen sie immer mehr Wasser in die Windel, beobachten ihr Anschwellen und prüfen sie auf Nässe. Ich achte darauf, dass die Kinder die vollgesogenen Windeln nicht zerquetschen und das Innere herausquillt. Nicht überall komme ich rechtzeitig. Neben dem Zählen der hineingegossenen Messzylinder ist für die Kinder das möglichst genaue Befüllen der Gefäße (bis zur 50-Milliliter-Marke) die größte Herausforderung. Ich bin beeindruckt, wie gut dies gelingt.
Experiment mit Superabsorbern
Nachdem wir feststellen haben, dass heutige Windeln die besseren Flüssigkeitsspeicher sind, nehmen wir sie genauer unter die Lupe. Wir schneiden einige Exemplare auf und packen die Stücke in Gefrierbeutel. Die Kinder schütteln und schlagen auf die Beutel, um die Bestandteile zu trennen. Schnell wird klar, dass das Wort „schlagen“ an dieser Stelle fehl am Platz ist. „Bitte behutsam klopfen“, berichtige ich mich. Es funktioniert bedingt.
Neben Watte kommt immer mehr weißes Pulver zum Vorschein. Mit dem Begriff „Superabsorber“ können die Kinder allerdings gar nichts anfangen. „Na gut“, denke ich. „Ich habe ihn zumindest ins Spiel gebracht.“ Um herauszufinden, ob entweder Watte oder das Pulver das Pipi besser aufnimmt, begießen wir beides mit gefärbtem Wasser. Das Tränken und Auswringen der Watte mit der grünen Flüssigkeit ergibt eine schöne Sauerei. Die Erzieherin und ich sind gut beschäftigt, das Labor mit Hand- und Papiertüchern wieder trockenzulegen. Sauberer und eindrucksvoller ist das Aufquellen des Superabsorbers im Plastikbeutel. Die Kinder sind fasziniert, wie das zugegebene grüne Wasser immer wieder vom Gel gebunden wird. Zu acht drücken und quetschen sie den Beutel und ich muss schauen, dass es nicht oben rausquillt.
„Das hat Spaß gemacht“
Die Stunde vergeht schnell, und so bleibt nur Zeit für ein weiteres Experiment. Ich spare mir die Vorrede und lasse die Kinder einfach machen. Jedes Team bekommt eine präparierte Alginat-Lösung. Nach und nach tröpfeln sie mit Pipetten die rote, zähe Flüssigkeit in Calcium-Lösung und lassen bunte Gelkapseln entstehen. Die eigentlich geplante Suche nach dem längsten Alginat-Wurm ist spätestens dann hoffnungslos, als alle Schälchen komplett mit Alginat-Geknäuel gefüllt sind – maßhalten ist also noch keine Stärke der jungen Forscher. Aber, und das ist mir das Wichtigste an diesen Tag, sie sind bis zum Schluss mit Leidenschaft und Freude dabei.
„Das hat Spaß gemacht“, hör ich zwei Jungs sagen, als sie aus dem Werkraum stürmen, um den Rest des Vormittags auf dem Spielplatz zu verbringen. „Was für eine schöne Rückmeldung“, denke ich und mache mich irgendwie erleichtert ans Aufräumen. Jetzt merke ich erst, wie anstrengend die beiden Stunden waren. Experimente erklären, Fragen stellen, Eifer einfangen, Wasser aufwischen und nebenbei noch ein paar Fotos machen. Die Zeit war sehr intensiv und ohne die Unterstützung der Betreuerinnen wäre ich krachend untergegangen. Es ist bemerkenswert, mit wie viel Ruhe und Mühe sie die Kinder betreuen und sie fördern. Toll!
Der Tag der kleinen Forscher
Ich bin mir sicher, dass die Kinder etwas von den Experimenten mitgenommen haben – die einen mehr, die anderen weniger. Und wer weiß, vielleicht haben einige Kinder das nächste Mal, wenn das kleine Geschwisterchen gewickelt wird, sogar eine Idee, wohin das Pipi verschwunden ist.
Ich finde es toll, dass Aktionen wie der Tag der kleinen Forscher angeboten und von Einrichtungen wie dem Forschungszentrum mit Freistellung, Schulungen und Materialien unterstützt werden. Konkret hat das Büro für Chancengleichheit (BfC) und das Schülerlabor JuLab in diesem Jahr 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgestattet und vorbereitet, die dann als Lernbegleiter mit rund 3000 Kindern experimentierten. Veranstaltet wird der Tag der kleinen Forscher übrigens von der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ in Partnerschaft mit der Helmholtz-Gemeinschaft und findet hoffentlich auch im kommenden Jahr wieder statt.
Bilder, wenn nicht anders gekennzeichnet: Forschungszentrum Jülich / Marcel Bülow
Ich finde so eine Aktion echt klasse. Experimentieren ist das A und O für Kinder. Daher sollten wir Erwachsene das wirklich fördern. Das habe ich mir für die nächsten Monate auch hinter die Ohren geschrieben. Seit kurzem experimentiere ich mit meiner Tochter Anna mit dem Experimentierkasten von KOSMOS (https://kinderprogrammieren.de/spielsachen/experimentierkaesten/easy-coding-kosmos-experimentierkasten-fuer-kinder-testbericht/). Dadurch machen wir etwas zusammen, Anna und ich lernen was und es macht echt viel Spaß. Ich merke so richtig, dass durch das Experimentieren unser Verhältnis verbessert wird. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir mit Leidenschaft und ganz viel Spaß an die Sache gehen. Kann ich jedem empfehlen. LG
Vielen Dank für diese schöne Rückmeldung! 🙂