Jeder sollte wissenschaftliche Resultate nachlesen können – und zwar kostenlos. Über diesen „Open Access“ verhandeln Wissenschaft und Verlage seit Jahren. Knackpunkt: Die Verlage müssen ihr Geschäftsmodell umstellen.

Bibliotheken von Forschungseinrichtungen und Universitäten haben aus Kostengründen begonnen, Fachzeitschriften abzubestellen. Forschende und Studierende vor allem an finanzschwächeren Einrichtungen haben dadurch nur noch eingeschränkten Zugriff auf die Welt des Wissens. Hinzu kommt: Viele Forschungsergebnisse werden durch Steuergelder ermöglicht. Deutsche Wissenschaftsorganisationen beanstanden, dass die Öffentlichkeit nicht ein weiteres Mal für den Zugriff auf diese Erkenntnisse zahlen sollte. Sie fordern seit der „Berliner Erklärung“ im Jahr 2003, das Publikationswesen auf Open Access umzustellen, was jedoch bis heute nur unvollständig vollzogen wurde.

Open Access bedeutet, die Kosten umzuverteilen: Bei diesem Modell zahlen nicht die Leser, sondern die publizierenden Wissenschaftler oder ihre Arbeitgeber für eine Veröffentlichung. Sie finanzieren so die Kosten für Internet-Plattformen, die aufgebaut und gepflegt werden müssen, sowie die Qualitätsprüfung der Artikel, beispielsweise mithilfe von Gutachtern. Die Abonnementsgebühren entfallen.

Vertrag abgeschlossen

Nach fast dreijährigen Verhandlungen haben die deutschen Wissenschaftsorganisationen unter dem Dach des Projekts DEAL mit dem großen Wissenschaftsverlag Springer Nature einen bundesweiten Publish&Read-Vertrag abgeschlossen.

Was das für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland bedeutet, erläutert Dr. Bernhard Mittermaier, Leiter der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich sowie Mitglied der Projektgruppe und der Verhandlungsgruppe von DEAL, im Interview.

Dr. Bernhard Mittermaier leitet die Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich und ist Mitglied der DEAL-Verhandlungsgruppe. Quelle: Forschungszentrum Jülich

 

Herr Dr. Mittermaier, was müssen Forschende in Deutschland wissen, die künftig bei Springer Nature publizieren wollen?

Das Wichtigste ist, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ab sofort in Zeitschriften des Verlags Springer Nature ohne Zusatzkosten für das Forschungszentrum als Open Access publizieren können. Voraussetzung dafür ist, dass der Forschende, der die Publikation beim Verlag einreicht („corresponding author“), von einer DEAL-Teilnehmereinrichtung wie etwa unserem Forschungszentrum Jülich stammt.

Ausgenommen sind dabei die Zeitschriften der „Nature“-Familie, für die wir mit DEAL weiterhin über einen Publish&Read-Vertrag verhandeln. Doch das bislang Erreichte ist bereits ein großer Erfolg – auch für das Forschungszentrum: Weitere rund zehn Prozent der Jülicher Publikationen werden damit künftig zusätzlich als Open-Access-Veröffentlichung erscheinen. Das ist ein wichtiger Schritt für unser Ziel, zum Jahresende mindestens 70 Prozent aller Publikationen aus Jülich Open Access zu veröffentlichen – 2019 waren 57 Prozent der Veröffentlichungen unseres Zentrums im Open Access verfügbar.

Was ändert sich für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Zeitschriften von Springer Nature lesen möchten?

Beim Lesen ändert sich für Mitglieder der DEAL-Teilnehmereinrichtungen mit dem unterschriebenen Vertrag erst einmal nichts, denn durch einen Übergangsvertrag aus den DEAL-Verhandlungen waren wir hier schon seit 2018 bestens aufgestellt.

Durch die erfolgreichen Verhandlungen bleibt diese Regelung nun weiterhin gültig. Konkret heißt das: Alle Zeitschriftenartikel von Springer Nature, die zwischen 1997 und Ende 2022 – also dem Ende der Vertragslaufzeit – publiziert wurden bzw. werden, können  in den DEAL- Teilnehmereinrichtungen auch über 2022 hinaus unbegrenzt ohne Zusatzkosten eingesehen werden.

In welchem Zeitraum gilt der neue Vertrag?

Springer Nature und DEAL haben den Vertrag am 8. Januar unterzeichnet, er gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2020. Der Vertrag läuft erst einmal bis Ende 2022, dann müssen wir einen neuen Vertrag aushandeln.

Wie ist der Stand bei den Open-Access-Verhandlungen mit anderen Verlagen?

Mit dem Wiley-Verlag hatten wir ja nach erfolgreichen DEAL-Verhandlungen bereits im Januar 2019 einen ersten bundesweiten Publish&Read-Vertrag abgeschlossen.

Einen Vertrag mit Elsevier, dem größten Wissenschaftsverlag weltweit, gibt es weiterhin noch nicht. Wir gehen aber davon aus, dass sich nach den Vertragsabschlüssen mit Wiley und nun Springer Nature auch bei Elsevier etwas bewegt und die schon seit 2016 andauernden Verhandlungen wieder an Fahrt gewinnen.

 

Weitere Informationen

Das DEAL-Projekt: DEAL ist ein von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen initiiertes und finanziertes Projekt mit der Aufgabe, mit den drei großen Verlagen Elsevier, SpringerNature und Wiley Lizenzverhandlungen zu führen. In einer Projektgruppe mit sechs Mitgliedern (darunter Dr. Bernhard Mittermaier) werden die vorbereitenden Arbeiten einschließlich einer bundesweiten Datenerhebung und -analyse durchgeführt.

OPEN ACCESS MONITOR: Effzett-Artikel zum OPEN ACCESS MONITOR, ein frei zugängliches, webbasiertes Computerprogramm, das künftig das gesamte Publikationswesen deutscher akademischer Einrichtungen erfassen soll. Das Tool verknüpft etwa Informationen über die Zeitschriftenbestände von Einrichtungen oder darüber, welche Artikel nur kostenpflichtig zu lesen sind.


Text: Hanno Schiffer, Frank Frick, Marcel Bülow

 

About Marcel Bülow

Marcel Bülow, a science journalist by training, became a part of Forschungszentrum Jülich in 2012. He took on the role of social media manager within the corporate communications department, where he serves as the editor of the "Jülich Blogs" and represents Forschungszentrum Jülich's voice across various social media platforms.

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