von Jens Jäger
Wissenschaft braucht Freiheit. Diese mühsam errungene Freiheit droht jedoch an vielen Orten unter die Räder zu kommen: Zu oft werden Forscherinnen und Forscher bei ihrer Arbeit behindert, sie werden bedroht, weil sie Wahrheiten aussprechen, die den „alternativen Fakten“ der Regierenden widersprechen, ihre Institute werden geschlossen, manchen wird sogar körperliches Leid angetan. Die Ergebnisse ihrer Wissenschaft – oft mühsam recherchiert, tadellos dokumentiert und zweifelsfrei nachprüfbar – werden zerstört, ignoriert oder diskreditiert.
Auch bei uns gibt es Grund zur Sorge: Politische Akteure leugnen den Klimawandel, Empfehlungen der Geschlechterforschung werden als „Wahn“ abgetan, die Diskussionen über gentechnisch veränderte Lebensmittel und Schadstoffe aus Dieselmotoren werden mit hysterischem Kreischen statt analytischem Denken geführt.
Natürlich müssen nicht immer alle einer Meinung sein: Gesellschaftliche und politische Entscheidungen basieren auf dem Abwägen von Alternativen. Wenn eine Seite des Streits den Argumenten der anderen allerdings von vornherein jegliche Legitimität abspricht, kann keine gute Diskussion entstehen. Die Ergebnisse sind entsprechend.
Wir brauchen eine Diskussionskultur, in der Argumente auf nachprüfbaren Fakten basieren. Die Wissenschaft kann in vielen Fällen diese Fakten liefern – wenn sie nicht durch restriktive Regierungen daran gehindert wird oder schieres Misstrauen seitens der Bevölkerung diese Wirkung blockiert.
Das Thema ist leider in diesem Jahr noch genauso aktuell wie 2017, als zum ersten Mal weltweit hunderttausende Menschen auf die Straßen gingen, um für die Freiheit der Wissenschaft und ihre Bedeutung für gesellschaftliche Debatten zu demonstrieren. Anlass für den March for Science 2017 war die Wahl des neuen amerikanischen Präsidenten, der auf rabiate Weise die Grundlagen für eine freie Wissenschaft bedrohte. Der weltweite March for Science ist jedoch keine Demonstration gegen jemanden, sondern für etwas: für eine Gesellschaft, in der Entscheidungen auf der Basis von fundierten Argumenten getroffen werden.
Im Jahr 2018 gehen wir dafür in Köln auf die Straße: Das Organisationsteam, zu dem ich gehöre, wird gemeinsam mit allen Teilnehmenden ab 11 Uhr von der Domplatte durch die Innenstadt zum Rudolfplatz marschieren. Ab 12 Uhr werden dort einige Menschen über die Bedeutung der Freiheit der Wissenschaft aus ihrer Sicht sprechen. Julitta Münch moderiert, wenn neben der nordrhein-westfälischen Ministerin für Kultur und Wissenschaft Studierende der Unis Köln und Düsseldorf und die Leiterin des Zentrums für LehrerInnen-Bildung die Freiheit der Lehre beleuchten. Die Prorektorin der Universität zu Köln und der Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung sprechen über die Bedeutung der Wissenschaft in Köln und im internationalen Kontext. Der ESA-Astronaut Reinhold Ewald, der ehemalige Jülicher Physiker Ranga Yogeshwar und der Kriminalbiologe Mark Benecke stellen ihre Sicht auf die Folgen des Missbrauchs der Wissenschaft dar. Der Philosoph Thomas Grundmann und der Science-Slammer und -Blogger Reinhard Remfort werden uns Hinweise darauf geben, was jeder einzelne von uns tun kann, um die Freiheit der Wissenschaft und ihre Bedeutung in der Gesellschaft zu vergrößern.
Ich engagiere mich beim March for Science, weil ich nicht hinnehme, dass wissenschaftliche Erkenntnisse an Bedeutung verlieren, bloß weil sie schwerer verdaulich sind als die Parolen der Vereinfacher und der Ewiggestrigen. Ich hoffe, dass der March for Science in Köln, in Deutschland und im Rest der Welt die Begeisterung und die Wertschätzung für die Wissenschaft und ihre Wirkung erhält und vergrößert – und uns allen zeigt, was wir dafür tun können. Denn Freiheit entsteht nicht von selbst.