Claudia Frick leitet den Fachbereich Literaturerwerbung (Schwerpunkt Wissenschaftliches Publizieren) in der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich. Im Mai nahm sie als Mentorin bei Jugend hackt in Köln teil. In den Jülich Blogs erzählt sie von dem Hackathon und den Prototypen der Jugendlichen.

von Claudia Frick

Am zweiten Wochenende im Mai fand das vierte Mal Jugend hackt Köln statt. Jugend hackt, das ist ein Hackathon für programmierbegeisterte Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren, die ein ganzes Wochenende gemeinsam Prototypen, Webseiten und Konzepte für ihre Vision einer besseren Gesellschaft entwickeln und umsetzen. Dabei werden sie nicht nur organisatorisch und pädagogisch unterstützt, sondern es stehen ihnen auch ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren bei technischen Fragen und Problemen aller Art zur Seite. Eine von letzteren bin ich und das bereits zum vierten und ganz sicher nicht zum letzten Mal.

Claudia Frick als Mentorin bei Jugend hackt in Köln. Foto: Anna Henatsch (CC-BY 4.0)

Hackerinnen und Hacker sind Menschen, die genau verstehen wollen, wie technische Systeme funktionieren, um ihre Grenzen zu überwinden, sie zu verbessern und Probleme mit ihnen zu lösen. Sie sind Abenteurer, Visionäre und Künstler oder wie Steven Levy schreibt: „I would like to introduce you to these people who not only saw, but lived the magic in the computer and worked to liberate the magic so it could benefit us all.“ Es ist diese ursprüngliche Bedeutung von „hacken“, die bei Hackathons und bei Jugend hackt gemeint ist. Jugend hackt ist ein Programm der Open Knowledge Foundation Deutschland und mediale Pfade und wird in Köln von der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW ausgerichtet.

Die Ruhe vor dem Sturm

Im Makerspace gab es unter anderem einen rege genutzten Lasercutter. Foto: Anna Henatsch (CC-BY 4.0)

In den Veranstaltungsräumen stehen leere Tischgruppen, die mit jeder Menge Mehrfachsteckdosen ausgestattet sind, um die bald ankommenden Laptops, Minicomputer und Lötkolben mit ausreichend Strom zu versorgen. Bunt dekorierte Wände, Raumteiler, Deckenventilatoren gegen die Hitze und Whiteboards rahmen die Szenerie ein. Gemeinsam mit anderen Mentorinnen und Mentoren klebe ich mühevoll Kabel um Kabel mit Panzertape am Boden fest, um alles stolpersicher zu machen. Und irgendwann ist es geschafft. Alles steht. Die Popcornmaschine produziert ihre ersten Portionen, die Pizza ist bestellt und die Mate, ein in Hackerkreisen beliebtes koffeinhaltiges Kaltgetränk, steht kistenweise bereit. Der Makerspace mit Lasercutter, 3D-Druckern und jeder Menge Bastelmaterial wartet auf hardwarenahe Projekte und andere Ideen.

Rund 50 junge Hackerinnen und Hacker kommen an diesem heißen Freitagnachmittag in Köln zusammen, um sich kennenzulernen und in den nächsten zwei Tagen gemeinsam zu hacken. Alles startet mit einer Brainstormingphase. Hier überlegen sich die Jugendlichen gemeinsam Projektideen zu Themen wie Umwelt, Diversität, Netzpolitik und Bildung. Die Projektideen stammen ausschließlich von den Jugendlichen selbst. Wir Mentorinnen und Mentoren müssen uns dabei immer wieder zurückhalten, den Enthusiasmus der Jugendlichen nicht durch zu viele „aber“ zu bremsen. Auch in diesem Jahr werden sie, das wissen wir inzwischen, auch aus der ambitioniertesten Projektidee zumindest einen beeindruckenden Prototyp bauen. Freitagabend stellen die Jugendlichen dann ihre Ideen in einer Art Postersession vor und jede und jeder kann sich überlegen, woran sie oder er dieses Wochenende mitarbeiten will. Der Freitag endet mit jeder Menge Popcorn und einem von einigen Jugendlichen aus dem Equipment vor Ort improvisierten Public Viewing des Starts der Bangabandhu Satellite-1 Mission von SpaceX.

Vorstellung der Projektideen in einer Postersession. Foto: Anna Henatsch (CC-BY 4.0)

Es lebe das Chaos

Am Samstagmorgen geht es dann los. Die Gruppen finden sich nach und nach, Tische werden verschoben, Trennwände fliegen raus und meine mühevoll am Boden festgeklebten Kabel werden abgerissen und neu verlegt. Kurzum, das kreative Chaos ist in vollem Gange. Wer das erste Mal als Mentorin oder Mentor dabei ist, wird vielleicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sich fragen, wie so neue Software oder Hardware entstehen soll, aber man sollte die Rechnung nie ohne die Jugendlichen machen. So sitze ich schweigend neben meinem Team „Coffe Time“, das es sich zur Aufgabe gemacht hat eine Webseite zur Bewertung von Kaffeeautomaten zu bauen. Denn wer wüsste nicht gerne wo man nachts um zwei am Kölner Hauptbahnhof den besten Kaffee herbekommt? Ich lausche andächtig, wie sich die sechs Jugendlichen dazu entschließen „das Backend mit MariaDB und Node.js auf einem Raspberry Pi“ zu realisieren, obwohl noch niemand von ihnen jemals etwas mit Node.js gemacht hat, aber „das soll ganz einfach sein.“ Für das Frontend wollen sie Bootstrap verwenden, da könne man sich nämlich „alles ergoogeln“ was man bräuchte. Mir bleibt nichts außer Nicken übrig und dem Einwand, dass ich ebenfalls weder Node.js noch Bootstrap könne, aber ein zusätzlicher Mentor mit dem passenden Know How ist schnell gefunden. Und dann legt das Team los.

Das Team „Coffee Time beim Coden.“ Anna Henatsch (CC-BY 4.0)

Wer vom umgebenden Chaos auf die Arbeitsweise schließt, der liegt weit daneben. So sehe ich den sechs Jugendlichen erst dabei zu, wie sie detailliert die Datenbankstruktur mit Metadatenschema, ein Thema zu dem ich als Bibliothekarin sehr viel beitragen kann, und die Webseite auf Papier planen und sich dann in zwei Teams aufteilen. Jede Stunde gibt es ein Stand-up-Meeting, bei dem jede und jeder den Laptop zuklappt und in einer Minute berichtet, was sie oder er bisher getan hat und was als nächstes kommt. So programmiert niemand aneinander vorbei. Da habe ich im privaten und im beruflichen Umfeld schon in deutlich schlechter organisierten Projekten gearbeitet. So kämpfen wir uns durch den Samstag und durch unzählige Merge-Konflikte auf GitHub, denn natürlich ist alles genau dokumentiert und Open Source. Wir Mentorinnen und Mentoren beraten bei all dem nur. Bei einigen Teams haben wir dabei mehr zu tun, bei anderen weniger, aber in allen Fällen gilt: „Die Tastaturen sind aus Lava.“ Die Jugendlichen sollen ihre Projekte selbständig entwickeln, programmieren und auch dabei auftretende Probleme selbst lösen. Also schaue ich den Jugendlichen bei jedem Merge-Konflikt nur über die Schulter und helfe mit Tipps, wann immer sie gebraucht werden. Am Ende des Wochenendes wird das GitHub-Repositorium dann 128 Commits zählen.

Von der Hacker-Ethik

Ein spannendes Rahmenprogramm gibt dem Hackathon eine lockere Struktur und haucht dem Motto von Jugend hackt „Mit Code die Welt verbessern“ Leben ein. In einer Keynote zieht die aus Nordrhein-Westfalen stammende Netzaktivistin Jasna Strick einen roten Faden vom Hass im Netz bis hin zur Hacker-Ethik, in der es heißt: „Beurteile einen Hacker nach dem, was er tut, und nicht nach üblichen Kriterien wie Aussehen, Alter, Herkunft, Spezies, Geschlecht oder gesellschaftliche Stellung.“ Sie erinnert die Jugendlichen dadurch auch an das Jahresmotto „Wir sind nicht alle“ und sagt: „Denkt bei Euren Projekten auch an Leute, die vielleicht nicht bei Veranstaltungen wie diesen sein können.“

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In einem Live-Hack zeigt der Mentor Marcel Kassuhn wie man Server auf ihre Sicherheit hin überprüft, begleitet von einer Diskussionsrunde zur Hacker-Ethik. Auch hier wird den Jugendlichen nochmal bewusstgemacht, dass sie mit ihren Fähigkeiten auch Verantwortung tragen. Aber natürlich kommen auch technische Themen nicht zu kurz. So gibt es Lightning Talks zu Open Data, Git, Robotern und künstlicher Intelligenz. Außerdem erhält jedes Team ein Rhetorik-Coaching für die Projektvorstellung bei der Abschlussveranstaltung.

Alles wird gut

Am Sonntag ist dann Endspurt. Die letzten Zeilen Code werden gehackt, die letzten Bauteile der Prototypen zusammengelötet und die Projektvorstellungen in einer Generalprobe geübt. Und dann ist es so weit, die Jugendlichen stellen die Ergebnisse ihres Wochenendes vor. Gekommen sind nicht nur alle Jugendlichen, sondern auch Familie, Freundinnen und Freunde. Aber auch das Internet schaut zu, denn es gibt einen Livestream und das Video landet später auf Youtube.  Man kann nur den Hut ziehen vor den Jugendlichen und ihren Projekten. So hat beispielsweise das Team „True News“ eine Webseite entwickelt, die Nachrichtenbeiträge auf ihren Wahrheitsgehalt hin bewertet (ab Minute 5, Open Source: https://github.com/Jugendhackt/TrueNews). Das Team „Lupo in cool“ hat sich mit der offenbar nicht mehr zeitgemäßen und nicht funktionalen Oberfläche von Lupo, kurz für „Laufbahnberatungs- und Planungstool Oberstufe“, des Landes Nordrhein-Westfalen auseinandergesetzt und kurzerhand eine neue, coolere Variante entwickelt (ab Minute 22, Open Source: https://github.com/Jugendhackt/lupo-in-cool-backend). Natürlich in einem Docker-Container. Wie auch sonst? Jedes Team hat an diesem Wochenende gemeinsam etwas neues geschaffen und stellt stolz das Ergebnis vor. So beweisen die Jugendlichen, dass das Klischee vom einsamen Programmierer im dunklen Zimmer längst überholt ist und hier jede und jeder so akzeptiert wird, wie sie oder er ist.

Die Teams präsentieren ihre Projekte. Foto: Anna Henatsch (CC-BY 4.0)

Wir Mentorinnen und Mentoren sitzen übermüdet aber stolz im Publikum und sind uns alle einig, dass es dieses Format schon in unserer Jugend hätte geben sollen. Gleichzeitig bin ich froh, in einer Einrichtung zu arbeiten, die sich mit dem JuLab und anderen Konzepten, bereits aktiv an dieser Art von Wissenstransfer in die Gesellschaft und insbesondere an Jugendliche beteiligt. Ich freue mich, durch meine Teilnahme an Jugend hackt meinen eigenen ganz privaten Beitrag dazu leisten zu können. Denn wie Peter Grünberg schon sagte: „Gut ausgebildeter Nachwuchs ist für unsere Gesellschaft lebenswichtig.“ In diesem Sinne werde ich auch nächstes Jahr wieder bei Jugend hackt Köln dabei sein. Was die Jugendlichen an diesem einen Wochenende geleistet, was sie gebaut, wie sie sich gegenseitig geholfen und unterstützt haben, welche Visionen von einer besseren Zukunft sie entwickeln und wie sie miteinander umgehen, das macht mir Mut für die Zukunft. Ich bin mir sicher: Diesen Hackerinnen und Hackern gehört die Zukunft.

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* Webseite von Jugend hackt: https://jugendhackt.org/

* Offizielles Fotoalbum zu „Jugend hackt Köln 2018“ auf Flickr: https://www.flickr.com/photos/okfde/albums/72157696920331345 (alle Bilder CC-BY 4.0)

 

 

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