Dr. Stephan Binder promovierte am Forschungszentrum Jülich im Jahr 2013. Schon während der Promotion am Institut für Bio- und Geowissenschaften – Biotechnologie (IBG-1) beschäftigte er sich mit der Fragestellung, wie er die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit anwendungsorientiert weiterverfolgen kann. Mittlerweile baut er mit seinem Kollegen Dr. Georg Schaumann das StartUp SenseUp auf, das bereits 2015 aus dem Forschungszentrum Jülich ausgründete. In folgenden Interview berichtet Stephan Binder über den Weg bis hierher, die Herausforderungen und gibt Einblick in die Zukunftspläne des jungen Unternehmens.

Zwei Wissenschaftler – eine Geschäftsidee: Dr. Stephan Binder (rechts) und Dr. Georg Schaumann gründeten 2015 SenseUp aus dem Forschungszentrum aus. Bild: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

 

Ein Interview von Andrea Bosten

Was genau macht euer Start-Up aus? Was ist das Besondere an eurer Geschäftsidee?

Mit SenseUP sind wir im Bereich der industriellen Biotechnologie tätig. Das ist die Industrie, die aus nachwachsenden Rohstoffen mit Hilfe von Mikroorganismen wertvolle Produkte erzeugt, die dann z.B. als Bestandteil von Pharmazeutika, als Nahrungsmittel oder Basischemikalie für die chemische Industrie genutzt werden können. Solche Mikroorganismen müssen allerdings sehr aufwendig entwickelt werden. Eine große Herausforderung dabei ist, dass immer wieder die produktivsten Organismen unter Millionen Anderen gefunden werden müssen. Das ist mit herkömmlichen Methoden sehr aufwendig. Bei SenseUP entwickeln wir nun Biosensoren, die dazu führen, dass die produktivsten Organismen leuchten und so sehr schnell von uns gefunden werden können.

Wann und wie ist die Gründungsidee entstanden?

Im Rahmen unserer Promotionen (2013) am IBG-1 in der Arbeitsgruppe von Dr. Lothar Eggeling und unserem Doktorvater Prof. Michael Bott haben wir uns bereits mit dem Biosensorkonzept befasst. Die Frage, wofür man das denn nun nutzen kann, kam dann schnell auf. Ursprünglich dachten wir, dass so eine Technologie doch gut an größere Chemiekonzerne verkauft werden könnte. Dem war aber nicht so. Allerdings gab es in dieser Zeit einen Schlüsselmoment, als man mir sagte „Gründet doch eine Firma, dann geben wir euch Aufträge!“. Damit war die Idee zur Gründung geboren. Die enge Verknüpfung mit dem IBG-1 war damals für uns sehr wichtig, da dies Sicherheit in einer für uns neuen Welt bedeutete. Wir konnten intern von umfangreichem wissenschaftlichem Know-how, aber auch von Netzwerken und Hinweisen bezüglich Fördermittel usw. profitieren.

Direkt nach Abschluss unserer Promotionen haben wir dann die Helmholtz Enterprise Förderung eingeworben, die uns über ein Jahr die Möglichkeit gab unsere Geschäftsidee zu prüfen und das Gründungsprojekt in Gang zu bringen. Daran schlossen sich nahtlos zwei Förderphasen der GO-Bio Gründungsoffensive des BMBF an, die der entscheidende Faktor für den erfolgreichen Aufbau der Firma waren. Die erste Förderung hatte zum Ziel, aus den grundlegenden Bausteinen, die Georg und ich ja in unseren Promotionen gelegt hatten, eine halbwegs marktreife Technologie zu entwickeln, mit der wir auch wirklich reale Aufträge bearbeiten können. Hier ging es darum, unsere Technologie einzusetzen, um existierende Produktionsstämme, die bereits für großtechnische Produktionen verwendet werden, zu verbessern.

In der zweiten Förderphase sind wir nun als Firma aktiv. Das bedeutet, wir haben neben den Fördermitteln private Investitionen eingeholt und arbeiten mit Hochdruck darauf hin, dass sich das Unternehmen bald selbst tragen kann.

Was waren die größten Herausforderungen, die ihr auf eurem bisherigem Gründungsweg gemeistert habt?

Wenn man aus der Wissenschaft heraus gründet hat man das grundsätzliche Problem, dass man eben voll und ganz wie ein Wissenschaftler denkt. Die Herangehensweise ist sehr präzise und technologieorientiert. Dabei werden nur Annahmen getroffen, die immer auf bestätigten Daten beruhen müssen. Baut man allerdings ein Geschäft auf, müssen dabei sehr viele Annahmen getroffen werden, für die es einfach keine klare Datenbasis gibt. Zudem muss man unbedingt lernen nicht mehr technologieorientiert zu denken, sondern kundenorientiert. Mich als Wissenschaftler faszinieren Mikroorganismen. Dem Kunden sind die aber letztendlich egal, der will einfach eine höhere Produktivität seines Produktionsprozesses.

Eine andere große Herausforderung ist die Komplexität und Einzigartigkeit einer technologiebasierten Gründung: Man muss zu verschiedensten Themen Entscheidungen treffen und diese umsetzen, z.B. wie man sich rechtlich aufstellt, welche Finanzierungswege die Richtigen sind, welche Leute ins Team passen, wie man technische Anlagen korrekt anmeldet und betreibt, wie man Abfall entsorgt, wie man mit Patenten und Know-how umgeht, welche Sicherheitsvorkehrungen notwendig sind usw.. Für all diese Dinge gibt es aber kein Standard-Vorgehen, weil es genau diese Gründung unter diesen Rahmenbedingungen noch nicht gab. D.h. es muss alles in Recherchen, Gesprächen und Verhandlungen individuell abgewogen und geklärt werden und es ist wichtig zu verstehen, dass alle Beteiligten dafür viel Energie und Zeit benötigen, die aber sehr gut investiert ist. Wir sind sehr dankbar für die viele Zeit, die sich verschiedenste Instanzen des FZJ, der Helmholtz-Gemeinschaft und des PTJ für uns genommen haben und die tolle Unterstützung von diesen Stellen, denn ohne diese hätte unser ganzes Vorhaben nicht geklappt.

Was sind derzeitige Aktivitäten im Rahmen eurer Unternehmensentwicklung?

Wir möchten zunächst als Partner großer Unternehmen Fuß fassen, indem wir einen nachhaltigen Mehrwert für diese Kunden generieren, z.B. wenn wir deren Produktionsstämme verbessern. Das ist am Anfang wichtig, um Umsätze zu generieren und zu lernen, was der Markt wirklich benötigt. Mittelfristig werden wir aber auch eigene Produkte entwickeln. Hierfür planen wir eigene mikrobielle Stämme zu entwickeln, die wir von Grund auf neu aufbauen und dann an Produktionspartner lizenzieren bzw. in joint-ventures gemeinsam nutzen.

Wo sitzt ihr und warum habt ihr Euch für diesen Standort entschieden? Was findet ihr besonders gut am Standort Jülich?

Wir sind sehr froh, dass wir auf dem FZJ-Campus unseren Unternehmenssitz aufbauen konnten. Wir haben dadurch die Möglichkeit, die unzähligen über Jahre aufgebauten Kontakte und Netzwerke weiter zu nutzen, mit forschenden und auch anderen Instanzen zum wechselseitigen Vorteil in Kontakt zu bleiben. Am FZJ begegnen uns viele kluge Menschen, mit denen wir tolle Ideen teilen, Rat einholen und denen wir auch schon sehr oft mit Rat und Tat ausgeholfen haben. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Mitarbeitergewinnung. Unser Laborteam ist spitze ausgebildet und passt richtig gut zusammen. Alles Menschen, die das FZJ ausgebildet hat.

Und wo geht es hin, also wo siehst du euch in 5 Jahren?

Unser Team hat seinen Lebensmittelpunkt in und rund um Jülich und dabei wird es auch bleiben. Mit dem FZJ hat sich eine so produktive Partnerschaft etabliert, dass wir gerne auf dem Campus bleiben würden. Sobald wir eigene Produkte auf den Markt bringen, wird damit wohlmöglich Wachstum verbunden sein, dass den aktuellen Rahmen sprengt. Dann schauen wir uns in nächster Nähe zum FZJ-Campus um. Hier ergibt sich dann auch eine Chance im Sinne des Strukturwandels in der Region, Arbeitsplätze zu sichern, neue Arbeitsplätze zu schaffen und auch neue Wertschöpfungsketten zu etablieren.

Die letzten beiden Fragen – Was würdest du heute anders machen?

Das ist schwierig zu sagen. Ich weiß, dass wir jede Entscheidung in der Vergangenheit immer wohl überlegt und auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt vorhanden Informationen getroffen haben. Fehlentscheidungen haben wir sehr häufig früh genug bemerkt um diese noch relativ spurlos zu korrigieren. Ich glaube, es ist wichtig zu akzeptieren, dass man einfach Entscheidungen treffen und aus möglichen Fehlern schnell lernen muss. Es gibt kein StartUp das alles richtig macht. Am wichtigsten ist immer selbstkritisch zu bleiben, falsche Kurse rechtzeitig zu korrigieren und gemachte Fehler nicht zu wiederholen!

Was empfiehlst du anderen Gründungsinteressierten?

Da gibt es einiges:

  1. Ein Gründungsteam mit verschiedenen Expertisen und Stärken aufbauen.
  2. Bei einer Ausgründung aus der Wissenschaft sehr früh mit der Mutterorganisation in Kontakt treten. Man muss verstehen, wo die Herausforderungen auch für die administrativen Instanzen liegen. Denn das kann richtig viel Zeit kosten. Und bitte immer dran denken: Jede Instanz hat ihre Limitationen. Diese muss man verstehen und unsere Erfahrung ist, dass wir hier am FZJ viele Menschen um uns herum haben, die uns gerne bestmöglich unterstützen wollen, wenn man sie eben auch lässt und nicht nur durch die eigene Brille blickt.
  3. Mit vielen Menschen über die Gründungsidee reden. So kann sie reifen! Das geht auch mit geeigneten Mentoren, die aus einem umfangreicheren Erfahrungsschatz schöpfen können.

 

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Bereits 2016 erhielten Georg Schaumann und Stephan Binder den Innovationspreises des Landes Nordrhein-Westfalen. Es entstand dieses Video. 

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