Die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Norwegen und Deutschland zu unterstützen ist Ziel des E.ON-Stipendienfonds. Gefördert werden junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen – Studierende, Doktoranden und Postdocs – beider Länder, die in der Energieforschung oder angrenzenden Disziplinen tätig sind. Erfolg mit ihrer Bewerbung hatte auch Yulia Arinicheva, Doktorandin am Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung, Bereich Nukleare Entsorgung und Reaktorsicherheit.

Das folgende Interview ist gegen Ende ihres sechsmonatigen Aufenthalts im Jahr 2016 entstanden.

Yulia Arinicheva vor der norwegischen Küste. Bild: privat

Interview mit der Jülicher Doktorandin Yulia Arinicheva

 

Sie sind nun seit über fünf Monaten an der norwegischen Universität Bergen. An welchen Themen arbeiten Sie dort?

Yulia Arinicheva: „Ich arbeite an einem Projekt zu grundlegenden Untersuchungen der Eigenschaften von keramischen Materialien: und zwar von Seltenerd-Orthophosphaten mit Monazitstruktur. Für diese Keramiken gibt es eine breite Anwendungspalette im Bereich der nachhaltigen Energietechnologien, wie beispielsweise als ionenselektive Membranen für Brennstoffzellen oder als Wärmedämmschichten für Gasturbinen. In meiner Forschung geht es darum, die Abhängigkeit bestimmter Eigenschaften von der Mikrostruktur und der Textur des Materials zu untersuchen. Mit einer maßgeschneiderten Mikrostuktur und einem definierten Texturierungsgrad lässt sich das gewünschte Verhalten des Materials präzise auf die jeweiligen technologischen Anforderungen anpassen. Meine Förderung durch den E.ON-Stipendienfonds ist eigentlich bereits ausgelaufen. Die Uni Bergen stellt mir jedoch freundlicherweise weiterhin ein Büro zur Verfügung, um letzte Auswertungen bearbeiten und den Feinschliff meiner Doktorarbeit vornehmen zu können. Ich bin sehr froh darüber, weil ich die Atmosphäre hier als sehr angenehm empfinde und meine Gedanken direkt diskutieren kann.“

Sie promovieren mit einem Projekt in den Materialwissenschaften. Wie ist denn Ihr fachlicher Hintergrund?

Yulia Arinicheva: „Ich habe zunächst in Moskau – wo ich herkomme – an der Russischen Universität der Völkerfreundschaft einen Master in ‚ Umweltchemie‘ gemacht und parallel Deutsch mit dem Schwerpunkt ‚technische Übersetzerin‘ studiert. Dann bin ich mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes – DAAD nach Deutschland gekommen und habe an der RWTH Aachen einen weiteren Master in Chemie erworben, diesmal mit einem materialwissenschaftlichen Schwerpunkt. Danach habe ich mit der Doktorarbeit am Institut für Energie- und Klimaforschung begonnen.“ 

Sich in einem anderen Land einzuleben, kann auch mit Herausforderungen verbunden sein. Wie war das für Sie, als Sie nach Deutschland kamen? 

Yulia Arinicheva: „Ich hatte Glück mit allem! Bereits von Moskau aus habe ich ein gutes und günstiges Zimmer in einer Wohngemeinschaft gefunden – das ‚Bewerbungsgespräch‘ konnte ich über Skype führen. Meine Mitbewohner und andere Studenten aus meinem Kurs haben mir viel geholfen. Dennoch war es in den ersten Wochen teilweise schwer für mich, aber nach zwei Monaten habe ich mich sehr wohl gefühlt.“

Als Doktorandin haben Sie von der Möglichkeit erfahren, mit einem Stipendium nach Norwegen zu gehen. Was hat Sie daran gereizt?

Yulia Arinicheva: „Ich kannte das Land bereits von privaten Kurzaufenthalten. In einem Neutronenbeugungskurs vom Institute of Energy Technology in Kjeller habe ich Norwegen dann auch von der wissenschaftlichen Seite her kennengelernt. Deswegen wollte ich gerne einmal für längere Zeit dorthin. Außerdem kommt mein Freund, den ich an der RWTH Aachen kennengelernt habe, aus Bergen. Daher hatte ich schon in Aachen damit begonnen, an der Volkshochschule Norwegisch zu lernen.“ 

Können Sie sich inzwischen gut verständigen?

Yulia Arinicheva: „Ich kann Norwegisch lesen, aber wenn jemand mit mir redet, verstehe ich ihn oft nicht. Das liegt daran, dass es in Norwegen sehr viele verschiedene Dialekte gibt, bei denen sich nicht nur die Wortendungen und die Aussprache unterscheiden, sondern auch die Wörter selbst. Jeder spricht anders. Auch mit meinem Freund kann ich mich noch nicht auf Norwegisch unterhalten, da ich Bokmål, die Osloer Variante der Sprache, lerne, er aber den Bergensk Dialekt spricht.“

Wie gefällt es Ihnen insgesamt?

Yulia Arinicheva: „Das Land ist wunderschön. In Norwegen gibt es weniger Menschen als in Deutschland, dafür mehr Natur. In den Sommermonaten habe ich zusammen mit meinem Freund auf einem Segelboot gewohnt. Das ist hier eine übliche Wohnweise für Studenten; die Boote sind mit allem ausgestattet, was man braucht, und der Hafen liegt nur fünf Minuten von der Uni entfernt. Manchmal sind wir auch aufs Meer hinaus gefahren, um die Aussicht auf die Fjorde zu genießen. Und die kältere Jahreszeit nutze ich viel zum Skifahren. Das war schon in Russland meine Sportart, aber erst in Bergen habe ich gelernt, dass es
nicht nur Alpinski und Langlauf gibt, sondern zahlreiche Skiarten dazwischen. Außerdem bin ich Mitglied von Tekna, Norwegens größter Wissenschaftsgemeinschaft im Bereich Wissenschaft und Technik, geworden. Damit habe ich die Möglichkeit, jede Woche an Seminaren, Führungen oder gesellschaftlichen Veranstaltungen teilzunehmen, die zum einen der Fortbildung dienen und zum anderen den Aufbau beruflicher Netzwerke fördern.“

In wenigen Monaten werden Sie Ihre Doktorarbeit abgeschlossen haben. Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Yulia Arinicheva: „Ich möchte in der Forschung bleiben. Zurzeit bewerbe ich mich europaweit für eine Postdoc-Stelle. Am liebsten wäre mir eine Einrichtung im deutschsprachigen Raum, also in Deutschland, Österreich oder der Schweiz.“

Die Fragen stellte Kristin Mosch.

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